Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: Feuerjäger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691506
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      Sie lachte auf und warf ihm einen ungläubigen Blick zu.

      »Na, dann kann es ja nicht weit her sein mit der Großartigkeit der Zwergenkultur«, sagte sie.

      »Du denkst wie eine Menschliche«, stellte er fest. »Das oberirdische Hochstahl ist nur ein winziger Teil des Ganzen. Die eigentliche Stadt erstreckt sich selbstverständlich unter dem Berg, und sie ist wunderschön. Du solltest sie sehen. Die Große Halle, beispielsweise. Ein ganzer Wald von Säulen trägt sie, und vom einen Ende aus kannst du das andere nicht sehen, so gewaltig sind ihre Ausmaße. An Weltenschmiede wird sie gänzlich mit Fackeln ausgeleuchtet. Es ist ein unvergesslicher Anblick. Die Altvorderen haben sie gebaut. Sie hatten Wissen über den Stein, wie es heute kaum mehr einer besitzt. Was siehst du mich so an?«

      »Nichts«, sagte sie lächelnd. »Es ist nur ... Ich erlebe zum ersten Mal, wie du ins Schwärmen gerätst. Ich weiß nicht, ob ich dich je zuvor so viel an einem Stück sprechen hörte.«

      Er knurrte und rückte die Riemen seines Rucksackes zurecht, während er ging.

      »Es war nicht böse gemeint«, sagte sie. »Erzähl weiter. Du lebst also unter dem Berg?«

      »Nein«, sagte er. »In der Oberstadt.«

      »Aber warum, wenn es doch so großartig ist da unten?«

      Er nahm sich eine Weile Zeit für die Antwort.

      »Ich schätze meine Abgeschiedenheit«, sagte er schließlich.

      »Ich dachte, du lebst in einem Kloster. Leben nicht alle Priester in Klöstern?«

      »Tun sie nicht - nicht in meinem Orden jedenfalls. Es ist mir freigestellt, wo ich lebe.«

      »Du bist ein seltsamer Priester. Lebst nicht in einem Kloster, und trägst nicht einmal Priesterroben.«

      »Schon mal versucht, in einer bodenlangen Robe auf einen Berg zu steigen?«

      »Was macht man eigentlich so den ganzen Tag als Priester? Beten und kluge Bücher lesen, das ist meine Vorstellung, aber ich rechne schon kaum mehr damit, dass sie zutrifft.«

      »Richtig«, bestätigte er.

      »Was?«

      »Trifft nicht zu.«

      »Und was dann?«

      »Ich übe den Beruf aus, den ich gelernt habe.«

      »Und welcher ist das?«

      Er wandte den Blick zum Himmel. »Vater der Steine! Dass eine einzige Person so viele Fragen stellen kann!«

      »Wenn du mehr erzählen würdest, müsste ich weniger fragen«, erwiderte sie sanft.

      Er schnaubte. »Ich bin ein Schmied.«

      »Oh«, sagte sie interessiert. »Ein Waffenschmied?«

      »Unter anderem. Ich muss nicht unbedingt Waffen machen. Ich bin ebenso zufrieden, wenn ich eine Sichel mache, oder eine Sense, oder ein Holzbeil. Es erfordert die gleiche Sorgfalt wie ein Schwert oder eine Streitaxt.«

      »Ich denke ja, die Leute übertreiben mit den Zwergenwaffen«, erklärte sie.

      »Dass sie so unvergleichlich gut sein sollen. Ich weiß nur, sie sind unvergleichlich teuer. Dabei sind sie auch nur aus Stahl, oder?«

      »Stahl ist nicht gleich Stahl«, sagte er. »Ich nehme an, du hast noch nie ein von Zwergen gefertigtes Schwert in der Hand gehabt, sonst wüsstest du, wovon du sprichst.«

      Er ging noch einige Schritte, ehe er bemerkte, dass sie zurückblieb. Er drehte sich um und sah sie auf einen nass glänzenden Stein sinken, den Rucksack zu ihren Füßen.

      »Pause«, sagte sie. Ihre Wangen waren erhitzt unter der Kapuze, von der das Wasser tropfte.

      »Darf ich dich daran erinnern, dass wir uns auf einer Jagd befinden?«, sagte er.

      »Nur einen Augenblick. Ich kann eine Woche im Sattel verbringen, wenn es sein muss, aber ich bin es nicht gewöhnt, zu Fuß zu gehen. Und dieser verdammte Rucksack ist so schwer.« Sie versetzte dem Rucksack einen Tritt, der ihn umkippen ließ.

      Mit einem Aufseufzen nahm er sein Gepäck von den Schultern, stellte es ab und öffnete erst seinen Rucksack, dann den ihren.

      »Was machst du?«, fragte sie. »Würdest du aufhören, in meinen Sachen zu wühlen?«

      »Ich wühle nicht«, sagte er. »Ich nehme eine Umverteilung der Ausrüstung vor. Ich will wirklich nicht alle paar Steinwürfe eine Pause machen müssen.«

      »Wie nett von dir«, sagte sie und lächelte ihr strahlendes Lächeln, das ihn verlegen machte. »Ich würde fast sagen, wie ritterlich.«

      »Es ist zweckmäßig.« Er holte ein nachlässig zusammengerolltes Seil aus ihrem Gepäck, entknotete es und wickelte es zu einem ordentlichen Bündel auf, das er außen an seinem Rucksack befestigte.

      »Klug von dir, eines mitzunehmen«, sagte er. »Wir werden es bald brauchen.«

      Sie hatte inzwischen einen Schluck aus ihrer Wasserflasche genommen und sah ihm zu, wie er mit dem Seil hantierte.

      »Was ist das für ein Gott, zu dem du betest?«, fragte sie.

      »Gròr«, sagte er. »Grandir, in eurer Sprache. Weltenschmied und Erster der Sieben.«

      »Aha«, sagte sie, und er entnahm ihrem Tonfall, dass sie nicht wusste, wovon er sprach. Er richtete sich auf und streckte seinen Rücken gerade.

      »Betet ihr nicht zu den Göttern?«

      »Na ja, doch ... hin und wieder, zumindest.«

      »So«, sagte er. »Hin und wieder.«

      Er schulterte seinen neu gepackten Rucksack. Er war spürbar schwerer geworden. Sie folgte seinem Beispiel, stand auf und schulterte ihren.

      »Besser?«, fragte er.

      »Danke, mein Ritter«, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu. »Viel besser.«

      Durch den Regen, der sie in Schwaden umhüllte, setzten sie ihren Weg fort.

      Dichte Bestände buschiger Zirbelkiefern, die sie am Nachmittag querten, zeigten dem gebirgserfahrenen Zwerg an, dass sie sich der Baumgrenze näherten.

      »Sie wachsen nur drei Monate im Jahr«, sagte er und schaute hinauf in die Krone eines mächtigen Baumes, dessen Stamm sie zu zweit nicht hätten umspannen können. »Die restliche Zeit ist es zu kalt hier oben. Dieser hier hat ein Zwergenleben gebraucht, vermutlich länger, um so groß zu werden.«

      »Umgerechnet sind das fünf Menschenleben«, fügte Lianna hinzu, und er stellte mit Genugtuung fest, dass sie beeindruckt klang.

      Ein Stück weiter stießen sie auf frisch abgebrochene Zweige in niedriger Höhe. Jemand oder etwas hatte sich hier seinen Weg gebahnt. Sie untersuchten den Boden und fanden etwas, das sich durchaus als die Spuren großer Füße lesen ließ. Mit neuer Energie folgten sie der Spur, die sie etwas weiter östlich brachte, als sie bisher gegangen waren. Sie gingen, bis es vollständig dunkel war und Lianna sich weigerte, selbst mit Thorks Hilfe noch einen Schritt zu machen.

      Ihr Nachtlager war kurz und unruhig, und sie waren auf den Beinen, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen den Horizont grau färbten. Der Regen hatte aufgehört, dafür war ein frischer Wind aufgekommen, der von Osten her dunkle Wolkenfetzen über den Himmel trieb. Der Wetterstein hüllte sein Haupt noch immer in Nebel, doch konnten sie an diesem Morgen ein Stück seiner Flanke sehen, das bisher ihrem Blick entzogen gewesen war.

      Sie waren etwa eine Stunde über freies Gelände unterwegs, die Sonne war inzwischen aufgegangen, als Thork innehielt und bergauf vor sich zeigte. Ein Felsabbruch zog sich quer über den Hang und erstreckte sich auf beiden Seiten, so weit sie sehen konnten. Wolkenschatten trieben über den Stein und tauchten ihn in wechselvolles Licht.

      »Die Stufe«, sagte er kurz.

      »Ha«,