Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740971076
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Er nannte seinen Namen, hörte die hochmütige Stimme des Butlers.

      »Das gnädige Fräulein ist nicht im Hause«, war die knappe Antwort auf Franks Frage nach Sissi. Es knackte in der Leitung, die Sprechverbindung war unterbrochen.

      »Kann ich vielleicht Frau Langenburg sprechen?«, fragte Frank nach neuerlichem Läuten. Er war fest entschlossen, sich nicht so ohne weiteres abweisen zu lassen. Zehn Monate lang hatte er auf diese Gelegenheit gewartet. Jetzt kam es ihm auf eine Stunde nicht an. Er würde warten. Warten, bis Sissi zurückkam.

      »Frau Langenburg empfängt keine unangemeldeten Besuche«, war die zynische Antwort. »Bitte, gehen Sie jetzt.«

      Frank fügte sich. Langsam schlenderte er um das Grundstück herum. Es besaß einen großen, fast parkähnlichen Garten, der sehr gepflegt war. Weite Rasenflächen, unterbrochen von kleinen Gruppen Edeltannen, verschwenderisch blühende Rosen und eine Menge seltener Sträucher gab es hier. Dort hinten war die kleine Gartenpforte, zu der er Sissi oft gebracht hatte. Spielerisch drückte Frank dagegen. Zu seinem Erstaunen ließ sie sich ohne Schwierigkeit öffnen.

      Der junge Rechtsanwalt trat ein, ging durch den hinteren Teil des Gartens auf das Haus zu. Durch die offene Terrassentür betrat er den großen Wohnraum.

      Astrid Langenburg, die gerade in einer Modezeitschrift blätterte, sah erstaunt von ihrer Lektüre auf. Unwillkürlich griff sie zum Telefon, das neben ihr auf einem niedrigen Tischchen stand.

      »Sparen Sie sich den Anruf bei der Polizei«, meinte Frank leise und sachlich. »Ich gehe gleich wieder. Ich möchte nur eine Auskunft von Ihnen. Wo finde ich Sissi? Ich muss sie unbedingt sprechen.«

      Astrid legte den Hörer zurück. Steil setzte sie sich auf. Ihr Gesicht spiegelte Hochmut und Ablehnung wider.

      »Es passt zu Ihnen, sich wie ein Dieb hier einzuschleichen.«

      »Da man mich nicht vorließ, war dies die einzige Möglichkeit, die mir blieb. Ich muss Sissi sprechen.«

      »Meine Tochter Elisabeth wünscht Sie nicht zu sehen«, antwortete Astrid Langenburg feindselig. Dieser Mann hätte vor knapp einem Jahr beinahe all ihre Pläne zunichte gemacht. Deshalb hasste sie ihn.

      »Ich muss mit ihr reden«, wiederholte Frank stur. In dieser eleganten Umgebung, in der der Luxus so protzig zur Schau gestellt wurde, fühlte er sich in seinem billigen Anzug doppelt ärmlich.

      »Haben Sie noch nicht begriffen, dass Elisabeth nichts mit Ihnen zu tun haben will? Der flüchtige Flirt ist vorüber. Aus! Vorbei!« Astrid musterte den jungen Mann spöttisch. Sie fühlte sich ihm haushoch überlegen.

      »Ich habe Sissi einen Brief hinterlassen, in dem ich meine überstürzte Abreise erklärte. Ich habe ihr auseinandergesetzt, weshalb ich nicht anders handeln konnte. Das Stipendium stand auf dem Spiel. Das musste sie doch verstehen. Deshalb kann sie mir doch nicht böse sein.« Verzweiflung klang in Franks Worten mit.

      »Das ist nebensächlich«, erwiderte Astrid hochmütig. »Primär ist, dass Sie und Elisabeth aus ganz verschiedenen Verhältnissen stammen und deshalb nicht zueinander passen.«

      »Eine solche Auffassung dürfte doch der Vergangenheit angehören«, meinte Frank, ohne auch nur ein bisschen beleidigt zu sein. »Ich habe Sissi jede Woche geschrieben«, kam er sofort auf sein Anliegen zurück. »Weshalb hat sie mir nicht ein einziges Mal geantwortet?«

      »Weil sie kein Interesse an Ihnen hat«, antwortete Astrid schnell. »Es wundert mich wahrhaftig, dass Ihnen dieser Gedanke noch nie gekommen ist.« Eigentlich hatte sie gehofft, dass Frank Brehm in Paris eine neue Freundin finden würde, dass er nie mehr zu Elisabeth zurückkehren würde. Nun war es doch geschehen. Also musste sie ihm einen Denkzettel verpassen, den er nicht mehr vergessen würde.

      »Das kann ich nicht glauben«, stöhnte Frank. Seit fast zehn Stunden war er unterwegs. Er hatte vor lauter Aufregung weder schlafen noch essen können. Doch die Schwäche fühlte er erst jetzt. Jetzt, als ihm die letzte Hoffnung genommen wurde. Waren Sissis Beteuerungen denn nur barmherzige Lügen gewesen? Sie hatte ihm doch immer wieder bestätigt, dass sie ihn gern habe, dass sie sich eine Zukunft ohne ihn nicht vorstellen könne.

      »Für wen halten Sie sich eigentlich?«, fragte die brünette Frau zynisch. »Hatten Sie tatsächlich geglaubt, dass Elisabeth einen armen Waisenjungen heiraten würde? Haben Sie gedacht, dass schöne Worte und rührende Liebesbriefe Familie und Vermögen ersetzen könnten? Eigentlich müsste man annehmen, dass Sie klüger sind.«

      »Ich glaube nicht, dass Sissi so denkt.« Frank Brehm fühlte sich elend. Noch schlimmer aber war die Demütigung, die er hier erfahren musste.

      »Dann täuschen Sie sich eben. Wenn man verliebt ist, schätzt man die Menschen oft anders ein, als sie in Wirklichkeit sind.« Astrid Langenburg beschäftigte sich wieder mit ihrer Zeitschrift.

      »Das möchte ich gern von Sissi selbst hören«, erklärte der junge Mann. »Wann kann ich sie sehen?«

      »Ich sagte Ihnen doch schon, dass es keinen Sinn hat. Elisabeth wird in Kürze einen anderen heiraten. Deshalb würde ich Ihnen empfehlen, sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen. Es könnte sehr unangenehm für Sie werden.«

      Frank verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. Er machte nicht gerade einen intelligenten Eindruck. Beinahe hätte Astrid laut gelacht. Doch sie verkniff es sich.

      »Das kann doch nicht sein. Es ist einfach nicht wahr!« Hastig sprach der junge Mann diese Worte aus.

      »Sie werden es in allen Zeitungen lesen können. Elisabeths Hochzeit wird ein großes gesellschaftliches Ereignis werden«, meinte Astrid herzlos.

      »Aber sie kann mich doch nicht einfach vergessen haben. Das, was zwischen uns war, war doch mehr als ein verliebtes Spiel.«

      »Ich an Ihrer Stelle wäre vorsichtiger in meinen Äußerungen. Immerhin war Elisabeth zu jenem Zeitpunkt erst sechzehn Jahre alt. Ich muss wohl nicht erwähnen, was das bedeutet.«

      Frank schluckte. Er wollte von der großen Liebe reden, von der Liebe, die nicht nach Alter und Ansehen fragte. Von der Liebe, die sich über alle Schranken der Gesellschaft hinwegsetzte, die so groß und mächtig war, dass sie allen Anfeindungen widerstand. Doch war seine Einstellung nicht längst widerlegt? Wenn Sissi einen anderen heiratete, dann war für sie doch alles nur ein harmloser Flirt gewesen.

      »Ich begreife das alles nicht«, murmelte der junge Rechtsanwalt.

      »Sie werden Zeit haben, sich alles klarzumachen«, sagte Astrid spöttisch. »Gehen Sie jetzt, sonst rufe ich den Butler. Er ist noch mit jedem Bettler fertig geworden.«

      Es gab keinen Zweifel, dass es Frau Langenburg ernst damit war. Sogar Frank begriff das. Unendlich langsam und so schwerfällig wie ein alter Mann wandte er sich um. »Sagen Sie …, sagen Sie Sissi, dass ich sie nie vergessen werde«, bat er leise. Dann ging er mit gesenktem Kopf den Weg zurück, zog die Gartenpforte hinter sich zu.

      Ihm war, als habe sein Leben jeden Sinn verloren. Die Zukunft ohne Sissi bedeutete ihm nichts. Für wen sollte er arbeiten, sparen?

      Frank stolperte weiter, ohne Ziel. Er irrte durch die Straßen der Stadt, ohne zu wissen, wo er eigentlich war. Vorwärts, nur vorwärts. Vergessen wollte er. Doch je mehr er sich darum bemühte, um so deutlicher sah er Sissis hübsches Gesicht vor sich, hörte er in Gedanken ihre klare klangvolle Stimme.

      *

      Wieder einmal saß Nick im Schatten der alten Rotbuche. Er kritzelte mit einem kleinen Ästchen Figuren auf die Erde. Es sah fast aus, als wäre ihm langweilig. Doch es war nicht so. Nick dachte nach.

      Pünktchen, Angelika und Henrik schlichen sich von hinten wie Indianer an ihn heran. Sie hatten allerhand Übung darin. Und deshalb geschah es auch tatsächlich lautlos. Nick merkte überhaupt nichts. Erst als ihm sein kleiner Bruder Henrik von hinten mit beiden Armen umfing und ins Gras zerrte, stimmten Pünktchen und Angelika ein triumphierendes Geschrei an.

      »Blödsinn, mich zu erschrecken«, maulte Nick und stieß Henrik von sich,