»Lass mich dir helfen, Rosita! Du weißt, dass ich reich bin. Ich kann die besten Ärzte bezahlen und werde ab sofort alle Kosten übernehmen. Lass mich dir auch sagen, dass ich dich in all diesen Jahren nicht vergessen konnte. Ich liebe dich, und ich möchte jetzt von dir wissen, ob du in deinem Schmerz unüberlegt und übereilt eine Ehe geschlossen, wie ich es tat, dem Drängen meiner Mutter folgend?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Axel, ich habe nicht geheiratet. Ich …, ich hatte meine Arbeit. Zum Verlieben und Heiraten blieb mir keine Zeit.«
Noch immer hielt er ihre rechte Hand in der seinen. »Willst du meine Frau werden? Willst du mir erlauben, jetzt das Wort einzulösen, das ich damals gebrochen habe? Du kannst nicht verbergen, dass deine Gefühle für mich die gleichen geblieben sind. Und mir ergeht es nicht anders. Es ist nicht zu spät, Rosita.« Er beugte sich nieder und legte seine Lippen auf ihre verletzte Hand.
»Ich war damals reich. Jetzt bin ich arm und niemand. Ich fürchte, du willst mich nur heiraten, um mir zu helfen, Axel. Ich habe schon genügend Almosen angenommen. Es war nicht recht von Marianne, dass sie dir schrieb.«
»Sie hat es gut gemeint, und ich bin ihr dankbar, dass sie mir deinen jetzigen Aufenthaltsort mitgeteilt hat.«
»Du …, du trennst dich um meinetwillen von deiner Frau?«
»Nein, diese Scheidung wäre in jedem Fall erfolgt. Sie hat mit dir nichts zu tun. Uns beiden ist vom Schicksal die Möglichkeit gegeben, noch einmal dort anzufangen, wo wir schon einmal waren. Ein zweites Mal dürfen wir die Chance nicht ausschlagen, denn ein weiteres Mal würde uns das Glück nicht die Hand reichen.«
Axel hatte leise und drängend gesprochen. Nun konnte Rosita die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie schluchzte auf und barg das Gesicht in den Händen.
»Warum bist du unglücklich, Rosita? Wir werden das Leben ganz neu beginnen. Ich habe in Buenos Aires einen sehr guten Posten. Das Haus wird dir gefallen. Die Leute werden mich um meine schöne Frau beneiden. Es wird nicht einmal viel Gerede geben, denn Lisa ist mir schon nach Buenos Aires nicht mehr gefolgt. Sie blieb in Europa. Meine Mutter, die von nun ab in Wiesbaden leben wird, führte mir den Haushalt. Wer die Einzelheiten nicht kennt – und das sind die meisten Leute – wird meinen, dass meine liebe Frau nun endlich gekommen ist. Und so wird es ja auch sein. Ich habe immer auf dich gewartet, ohne es mir einzugestehen.«
»Es …, es gibt noch so vieles, worüber wir sprechen müssten, Axel. Aber ich finde jetzt nicht die Kraft dazu.«
»Sag wenigstens, dass du mich noch liebst, und dass du mir die Chance geben willst, das gutzumachen, was ich falsch gemacht habe.«
»Ja, ich liebe dich, Axel«, stieß Rosita schluchzend hervor. »Ich konnte nicht aufhören, dich zu lieben, obwohl ich doch annehmen musste, dass du mich belogen und betrogen hattest.«
»Mein Armes. Das ist nun vorbei. Wir werden versuchen, die Vergangenheit hinter uns zu lassen. Ich bin unendlich glücklich. Es hätte für mich schon ein Glück bedeutet, wenn du mir erlaubt hättest, dir zu helfen. Dass ich noch immer einen Platz in deinem Herzen besitze, macht mich zum reichsten Menschen der Welt. Ich danke dir.«
»Wofür hättest du mir zu danken? Auch du hast mich reich gemacht mit deiner Liebe.«
»Das Leben ist auf einmal weit und schön wie ein Land, dessen Grenzen uns bisher verschlossen waren. Wir werden Hand in Hand durch das Land unserer Liebe wandern. Wir werden glücklich sein und Kinder haben, die mir bisher versagt blieben.«
Rosita warf die Decke von den Knien und stand auf. Sie benutzte die Krücken jetzt nicht, sondern sank in die ausgebreiteten Arme des Mannes, auf den sie aller Vernunft zum Trotz noch immer gehofft hatte, ohne es sich oder Marianne jemals einzugestehen.
»Ich glaube, Kitty kommt«, erklang plötzlich aus dem Hintergrund Henriks helle Stimme. »Hoffentlich habe ich nicht gestört.« Der Junge sah Rosita und Axel Fernau staunend an. Er war auf die Terrasse gestürmt, um die Neuigkeit zu melden.
Das Paar stand Arm in Arm. »Nein, nein, du störst nicht. Wer ist denn Kitty?«, erkundigte sich Axel.
»Schauen Sie doch selber. Man hört den Ponywagen schon«, rief Henrik aufgeregt.
»Gib mir deinen Arm. Dann brauche ich die Stützen nicht«, bat Rosita. Ihre Wangen glühten, und ihre Augen waren vor Erregung fast schwarz. Nun würde die Entscheidung fallen!
Behutsam führte Axel sie um das Gutshaus herum zum Eingang. Nun sah er den entzückenden Ponywagen mit Justus und Kitty.
»Was für ein zauberhaftes Kind«, rief er aus. »Schau nur, sie hat Rattenschwänzchen. So etwas Niedliches habe ich noch nie gesehen. Ist das Kitty? Wer ist dieses süße kleine Ding?«
Der Wagen hielt genau vor ihnen, Justus tippte grüßend an die Mütze, und Kitty kletterte vom Bock und schmiegte sich sofort an Rosita.
»Mutti, Justus hat gesagt, dass die Ponys heute unbedingt bewegt werden müssen. Deshalb haben wir eine Kutschfahrt zu dir gemacht. Kriege ich jetzt Himbeersaft zu trinken? Ich habe nämlich schrecklichen Durst.«
Axel Fernau hörte das Geplauder des Kindes kaum. Nur ein einziges Wort hatte er mit großer Deutlichkeit aufgenommen: Mutti! Er konnte zunächst nicht sprechen. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt.
Da Henrik Kitty mit in die Küche nahm, wo auch Justus sich seinen Kaffee holen wollte, blieben Rosita und Axel noch einmal ungestört.
Rosita wusste, was in ihm vorging. Sie sah ihn mit ihren schönen dunklen Augen an und sagte:
»Kitty ist mein Töchterchen. Ich freue mich, dass du mit ihr einverstanden bist.«
»Du hast ein Kind?«, brachte er mühsam und mit rauer Stimme hervor.
Sie lächelte und neigte den Kopf. »Ja, Axel. Ich kann nur dann deine Frau werden, wenn du mich mit dem Kind nehmen willst. Von Kitty würde ich mich um nichts in der Welt trennen. Durch das Kind war mein Leben lebenswert, seit du von mir gegangen bist.«
Er zog sie an sich, ohne darauf zu achten, dass man sie beobachten konnte.
»Natürlich, Rosita – auch mit dem Kind. Es ist ein Teil von dir, und ich liebe es schon jetzt.«
Sie schmiegte sich enger an ihn. Ihr Herz schlug rasch und freudig. »Ich danke dir für dieses Wort, Axel. Kitty ist unser Kind, deine Tochter wie die meinige. Ich wollte nicht, dass du es erfährst. Doch jetzt erkenne ich, dass das auch einer der vielen Fehler war, die ich beging.«
Axel konnte nicht sprechen. Seine Lippen legten sich auf den weichen durstigen Mund der Frau, die ihm eben ein Geschenk gemacht hatte, nach dem er sich in den Jahren des Zusammenlebens mit Lisa vergeblich gesehnt hatte.
*
Kitty nahm die Sache mit der größten Selbstverständlichkeit hin. Sie begrüßte ihren Vater, betrachtete ihn wohlwollend und stellte fest, dass er genauso aussah, wie sie es sich gewünscht hatte.
»Du bist ein besserer Vati als der Hase Langohr. Der besucht nämlich seinen kleinen Mummel nie. Ich habe mir oft gewünscht, ihn noch einmal zu sehen. Aber Tante Andrea sagt, er kommt sicherlich nicht mehr.«
Es dauerte eine Weile, ehe Axel Fernau verstand, wer Langohr war, der Hase Mummel und wer Tante Andrea war.
Andererseits war es für Kitty höchst erstaunlich, dass der so unverhofft aufgetauchte Vater ihr eröffnete, dass er die feste Absicht habe, sie und Mutti so bald wie möglich zu sich zu holen, damit sie von nun an alle beisammen wären. Doch sie fand sich rasch mit der neuen Situation ab.
»Wie bei Onkel Alexander, Tante Isi und ihren Kindern. Du bist wirklich ein guter Vati. Sag einmal, ist Südamerika wirklich so sehr weit weg?«
»Doch, es ist ziemlich weit weg. Du wirst staunen. Wir müssen mit dem Flugzeug reisen.«
»Hm – kann man auch Hasen mitnehmen?«
»Ich