Ich liebe die Frau, die ich bin. Linda Jarosch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Linda Jarosch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783736503434
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dann oft, sie hereinzuholen und ein ganzes Ja von ihnen zu spüren statt nur ein halbes. Das wird von manchem Partner nicht verstanden oder als Bedrängung empfunden. Wenn eine Frau dann irgendwann die Konsequenzen zieht und sich aus der Beziehung löst, wird ihr die Schuld zugewiesen: »Du wolltest ja gehen. Ich wollte keine Trennung.«

      Manchmal sind es dann sogar die Eltern oder auch die eigenen Kinder, die die Frau wegen ihrer Entscheidung schuldig sprechen. Nach deren Urteil hätte sie die Aufgabe gehabt, die Ehe weiterzuführen und den Kindern den Schmerz zu ersparen. Wenn eine Frau den Komplex in sich trägt »Ich bin an allem schuld«, wird sie die zugewiesene Schuld eher annehmen als zurückweisen. Sie wird auch die Lieblosigkeit annehmen, weil sie insgeheim denkt: »Ich bin nicht liebenswert, sonst hätte mein Partner mir das mehr gezeigt.«

      Ihr Wertesystem sagt ihr vielleicht auch, dass sie um jeden Preis an der Beziehung festhalten sollte und dass sie egoistisch wäre, wenn sie es nicht tut. Ihre innere Wahrheit aber sagt ihr, dass sie das unter den jetzigen Umständen nicht kann. In diesem Zwiespalt tauchen ganz natürlich Schuldgefühle auf. Sie stehen im Widerstand zu dem, das in uns ist. Die innere Norm und die eigene Wahrheit stimmen nicht mehr überein.

      Wenn eine Frau aber von Schuldgefühlen besetzt ist, wird sie sich trotz ihrer Wahrheit immer wieder mit den Gedanken quälen: »Hätte ich doch nur … Wieso habe ich nicht daran gedacht? Es ist unverzeihlich, so zu handeln!«

      Wir werden in jeder Beziehung einem anderen etwas Unrechtes tun und etwas Unrechtes von ihm erfahren. Das gehört zur menschlichen Erfahrung. Deshalb gehören auch Schuldgefühle zu dieser Erfahrung. Wenn wir erkennen, dass wir jemandem etwas schuldig geblieben sind, bedeuten Schuldgefühle, dass wir ein gesundes Empfinden haben. Sie helfen uns zu überprüfen, ob wir etwas Unrechtes getan und eine wirkliche Schuld auf uns genommen haben. Zu dieser möglichen Schuld zu stehen und unser Verhalten zu korrigieren, ist ein Zeichen menschlicher Stärke und Reife. In dieser Weise können Schuldgefühle zu einer befreienden Handlung führen.

      Sie wirken aber einengend, wenn wir uns schuldig fühlen, weil wir unseren inneren Maßstab nicht erreichen. Er ist manchmal so hoch gesetzt, dass wir uns überfordern. Wir gestehen uns das oft nicht ein und belasten uns stattdessen mit Schuldgefühlen, weil wir nicht zu unserer Grenze stehen.

      Frauen erleben das häufig in ihren beruflichen oder familiären Verpflichtungen. Sie haben ein Idealbild in sich, was sie alles leisten und um wen sie sich ausreichend kümmern wollen. Der reale Alltag zeigt dann oft, dass die eigene Einschätzung zu hoch war. Die Gedanken, sich aus zu vielen Pflichten zu befreien und wieder mehr Lebensfreude zu spüren, lösen manchmal schon Schuldgefühle aus. Sie können aber zu einer Befreiung führen, wenn wir nachfragen, ob unsere Gefühle eine wirkliche Schuld darstellen oder ob wir nur an unserem hohen Maßstab schuldig werden.

      »Ich habe nicht genug«, dieser Satz entspringt dem schmerzhaften Erleben einer Frau, wenn sie in irgendeiner Weise zu kurz gekommen ist. Ob es um elterliche Zuwendung oder deren Unterstützung oder um materielle Wunscherfüllung ging, es war nicht genug. Stattdessen waren es andere, die ihrem Empfinden nach das bekommen haben, was sie sich wünschte. Mit dem erfahrenen Mangel waren meist Gefühle von Enttäuschung und Traurigkeit, von Hass und Wut verbunden. Konnte sie als erwachsene Frau ihren Schmerz nicht verarbeiten, sodass er bis heute in ihr nagt, kann er leicht zum Neidkomplex werden. Dabei ist sie von der Angst besetzt, weniger zu haben als andere und dadurch benachteiligt zu sein. In dieser Angst ist der eigene Blick getrübt und die reale Situation wird nicht klar gesehen.

      Wenn eine Frau in diesem Komplex feststeckt, sieht sie all die Dinge, die sie nicht hat oder nicht ist, als wesentlich wertvoller an als das, was sie ist oder schon besitzt. Sie neidet anderen dann gern ihren »Reichtum«, weil sie meint, dass sie das Bessere haben. Sie verbindet mit mehr Besitz, mehr Geld oder größerem Erfolg naturgemäß auch mehr Freiheit und Unabhängigkeit. Das verspricht ein besseres Lebensgefühl und mehr Vorzüge als die eigene Eingeschränktheit.

      Die einen fühlen sich vom besseren Leben anderer so angezogen, dass sie sich in Bewegung setzen und versuchen, etwas davon für sich zu erreichen. Sie sagen sich vermutlich: »Das kann ich auch schaffen!« Die anderen wollen die Anstrengung nicht auf sich nehmen, trauen sich womöglich auch nicht viel zu und meinen: »Das kann ich sowieso nie erreichen!« Vielleicht hat eine Freundin die schlankere Figur, aber sie selbst will die Disziplin dafür nicht aufbringen. Um nicht daran zu leiden, dass sie nicht das gleiche Resultat erzielt, wertet sie ihre Freundin ab. Sie macht deren Bemühungen eher lächerlich, um sich dadurch besser zu fühlen.

      Wieder andere sehen, was sie nicht haben, andere jedoch haben, und beneiden diese Menschen auch. Sie können sich aber zugleich für sie freuen und sich eingestehen, dass das für sie in gleicher Weise nicht unbedingt passen würde. Sie kennen Neid, lassen sich davon aber nicht besetzen.

      Gefühle von Neid kommen aus einem selbst. Sie haben nichts mit anderen zu tun, sondern mit dem eigenen Gefühl, nicht genug an gutem Leben zu haben.

      Wenn eine Frau in ihrem Neid-Komplex gefangen ist, kann sie leicht bitter werden. Aus ihrer Bitterkeit heraus setzt sie häufig eine andere Frau herab in dem, was diese hat oder ist. So kann sie sich moralisch überheben und wird beispielsweise jede Form von finanziellem Reichtum herabwürdigen. Die neidvolle Seite in einer Frau macht sie freudlos. Sie sieht vorwiegend den Mangel in ihrem Leben und nicht, was sie auch erreicht hat. Dadurch mangelt es ihr zugleich an Dankbarkeit.

      In Paarbeziehungen neidet einer dem anderen manchmal das, was dieser gerade mehr bekommt. Haben sich beide zum Beispiel entschieden, dass die Frau als Mutter mehr Zeit für ihre Kinder und weniger Zeit für ihren Beruf aufbringt, löst das bei ihr doch häufig Neid auf ihren Mann aus. Sie fühlt sich in ihren Mutteraufgaben weniger gesehen als in ihren beruflichen Aufgaben und neidet dem Mann dieses Mehr an vermeintlicher Anerkennung, an beruflichem Engagement oder an Geld. Der Mann neidet seiner Partnerin insgeheim, dass sie mehr Zeit mit den Kindern verbringen und vielleicht Spaziergänge machen kann, während er in seiner Arbeit feststeckt. Ihr gegenseitiger Neid zeigt sich oft in Sticheleien, die sie sich zufügen.

      Doch der Neid entsteht nicht durch die Situation, sondern durch die Wertschätzung, die beide sich nicht geben. Wenn die tägliche Arbeit einer Mutter oder im Haushalt so selbstverständlich gesehen wird, dass sie keiner besonderen Achtung mehr bedarf, dann verwundert es nicht, dass eine Frau mit Neid auf das schaut, was ihrer Meinung nach mehr Achtung bekommt. Wenn die beruflichen und die familiären Aufgaben, die ein Mann übernimmt, der Frau keiner Anerkennung mehr wert sind, dann erleben beide diesen Mangel an Wertschätzung. Dies führt schnell zu Neid und daraus zu Abwertung. Obwohl beide diesen Mangel erleben, findet oft keiner heraus, um den ersten Schritt in ihre gegenseitige Wertschätzung zu tun. Sie könnten dadurch ihren Neid auflösen und zu mehr Achtung füreinander finden.

      Dies gilt auch für den Neid unter Frauen. Eine Frau, die Neidgefühle in sich spürt, spürt auch die Neigung, eng und bitter zu werden, manchmal sogar gehässig und ungerecht. Es tut vielen Frauen weh, wenn sie den Neid einer anderen in dieser Weise zu spüren bekommen. Dies kann Beziehungen vergiften. Zuweilen kann er so entwertend sein, dass Frauen lieber eine Freundschaft oder eine Arbeitsstelle aufgeben, als sich weiter mit den Neidgefühlen der anderen zu belasten.

      Dagegen kann es wohltuend sein, wenn eine Frau ihrer Freundin offen sagen kann, worum sie sie beneidet. Wenn sie selbst beispielsweise kein Kind hat und ihrer Freundin sagt: »Ich beneide dich um deine Mutteraufgabe« und diese Freundin ihr ehrlich eingesteht: »Ich beneide dich um deine Ungebundenheit«, dann vergiftet der Neid nicht, er verbindet miteinander. Eine zeigt der anderen auf, worauf sie dankbar schauen kann. Vielleicht kann die eine ihr Muttersein wieder mit Stolz und Würde sehen und die andere ihre Ungebundenheit wieder mit Dankbarkeit betrachten.

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