Er hatte ohnehin genügend andere Gelegenheiten für seine Kleinkriegszüge – wie einen Ärger, der nur mit den Pflichten zur Repräsentation zusammenhing.
Vettor Grimani gehörte zu den Gründern und Besitzern des Theaters bei der Basilica Santi Giovanni e Paolo. Dort gab es einen endlosen Streit um den Besitz einer Loge zwischen den Grimani Calergi und den Brüdern Francesco und Paolo Querini Stampalia. Die beiderseitigen Bravi schlugen zu, im wörtlichen Sinn, vor allem 1655 am Abend einer Vorstellung von Statira, Prinzessin von Persien, Musik von Francesco Cavalli, Libretto von Giovanni Francesco Busenello. Das Aufsehen übertraf alles Dagewesene. Man konnte annehmen, dass der Zwischenfall Folgen haben werde.
Nun hatte dieser Streit schon viele Straßenkämpfe und Konfrontationen aller Art zur Folge gehabt, der Rat der Zehn hatte genug davon und befahl den Brüdern Querini Stampalia die Verbannung nach Zara in der Adria, den drei Grimani Calergi jene auf die Insel Korfu.
Nach ihrer Rückkehr, mit Spenden an die Staatskasse erkauft, nimmt der Zwist der beiden Familien noch kein Ende. Eines Abend überfallen die Grimani-Bravi den einen der beiden Brüder, Francesco, der gerade ohne seine bewaffneten Begleiter unterwegs ist, verschleppen ihn in den Palazzo Grimani Calergi und schlachten ihn regelrecht ab. Die drei Schurkenbrüder flüchten ins nahe Mantua. Der Rat der Zehn setzt eine Belohnung aus für jeden, der die drei umbringt – 6000 Dukaten, wenn es auf venezianischem Gebiet, 4000 Dukaten, wenn es auf ausländischem Boden geschieht.
Da waren die Brüder also einen Schritt zu weit gegangen. Nun waren sie seit 1659 auf ewige Zeiten verbannt, enteignet und ihres Adelstitels entkleidet.
Der Weiße Flügel wurde abgerissen, man kannte ja seine fatale Vergangenheit. Und in den Park des Palazzo stellte der Senat eine Säule, ein Denkmal der Schande.
Auf ewige Zeiten verbannt – offenbar ein diskutierbarer Begriff.
Es waren die Jahre der großen Sorgen des Senats, des Großen Rates, des Dogen. Der Niedergang der früheren Seemacht hatte eingesetzt, vor allem von den Osmanen drohte ständige Gefahr. Zypern war längst gefallen, Kreta war bedroht. Venedig brauchte Geld.
Die Brüder Grimani hatten es: Die Ewigkeit dauerte knapp zwei Jahre. Die Gebühr zur Aufhebung ihrer Verbannung belief sich auf 7 350 Dukaten. Dafür bekamen sie Ehre, Titel und Besitzrechte zurück. Im Volksmund heißt so etwas – sagen wir, es war nichts.
Denn nun wurde die Schandsäule geschleift, der geschleifte Flügel schleunigst rekonstruiert, 1661 stand er schon wieder.
1664 ist Giovanni gestorben, am 25. Oktober 1665 der böse Vettor. Pietro, der relativ harmlose der drei, wiewohl auch er ein Mörder, starb erst 1686.
Die Erinnerung an die Calergischen Verbrechen in diesem herrlichen Palazzo ist durch die Jahrhunderte nicht nur verblasst, sondern überdeckt worden. Ab jetzt ist Schluss mit Mord und Totschlag. Die neuen Besitzer, ab 1739 die Familie Vendramin, sollen die Inschrift Non nobis – domine – non nobis an der Fassade anbringen haben lassen, um darauf hinzuweisen, dass sie nichts mit den hier verübten Verbrechen zu tun hätten.
1844 erwarb Maria Carolina, Prinzessin beider Sizilien, Witwe des ermordeten Duc de Berry, des Thronfolgers von Frankreich, den Palazzo. Sie heiratete wieder und bewohnte das Haus mit ihrem Ehemann Graf Ettore Lucchesi-Palli und den Kindern aus beiden Ehen.
Graf Enrico Bardi, Herzog von Parma, war einer der Erben der Ca’ Vendramin. Er vermietete einen Teil des Gartentrakts an einen großen Verehrer der Serenissima – an Richard Wagner. Fünfzehn Räume bewohnte das Genie, von Mitte September 1882 bis zu seinem Tod im Februar 1883.
Seit 1946 ist der Palazzo das winterliche Casinò der Stadt, sommers spielt man im Casinò Municipale di Venezia am Lido. Allfällige Meinungsverschiedenheiten werden sowohl da als auch dort heute anders ausgetragen als zur Zeit der Brüder Calergi.
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