»Ich«, sagte Felix und strahlte über das ganze Gesicht, »ich habe sie gleich erkannt.«
»Wer ist Sandra?« wollte Silvie wissen, die in einem rosageblümten Morgenröckchen auf dem Schoß ihrer Mama saß. Dabei blickte sie aufmerksam fragend mit ihren jetzt so wachen Augen von einem zum anderen.
»Mit Sandra habe ich früher gespielt, als ich noch ein kleiner Junge war«, erklärte ihr der große Bruder. »Ihr Vater ist der Doktor, der immer zu dir kommt und dich gesund gemacht hat.«
»Der ist lieb«, sagte die Kleine ernsthaft. »Und mit der Sandra will ich dann auch spielen, und überhaupt mit allen Kindern.«
»Ja, mein Schätzchen«, Beate herzte und küßte ihr Kind, »du wirst mit anderen Kindern spielen und herumspringen können, und wir werden alle sehr glücklich sein.«
*
Seit einem halben Jahr lebte Bertold Basler nun wieder in Deutschland. Steven-House war verkauft. Er dachte ohne Bedauern daran zurück. Zuletzt hatte er sich in allem Wohlleben und Luxus nicht mehr wohl gefühlt. Gwendolyn war immer seltener gekommen, die Flamme war schließlich erloschen. Er hatte keine Kontakte, geschweige denn Freundschaften knüpfen können. Die anderen lebten in ihren Villen und blieben unter sich. Er war ein Fremder geblieben.
Die deutschen Zeitungen, die mit Verspätung kamen, waren seine einzige Lektüre gewesen. Dabei hatte er die Anzeige jener Firma gelesen, die einen Geldgeber suchte, um den drohenden Konkurs abzuwenden. Elektrogeräte und Installationen, das war sein Fachgebiet, auch war ihm die Firma nicht unbekannt, die einst gut fundiert gewesen und durch falsches Management in die Krise geraten war.
Bertold Basler nahm Verbindung damit auf, und die Sache war perfekt. Er war nach Hause geflogen – nein, ein Zuhause hatte er noch nicht wieder, aber eine Wohnung, eine Unterkunft zunächst einmal, und, was ihm wichtiger war, ein Büro, in dem eine Aufgabe auf ihn wartete. Die Aufgabe, das Unternehmen mit engagierten Mitarbeitern aus den roten Zahlen herauszuführen und damit Arbeitsplätze zu retten.
Zwei Stunden über die Autobahn war es bis zu der Stadt, in der er lange mit seiner Familie gelebt hatte und wo sein wirkliches Zuhause gewesen war.
Er hatte seine Frau Ingeborg angerufen und ihr seine neue Adresse mitgeteilt. Falls irgend etwas wäre…
»Was soll sein«, hatte sie sehr kühl reagiert, und sie hatte nur wenig Interesse an dieser neuerlichen Veränderung in seinem Leben gezeigt.
Anders sein Sohn Uli. Er war bald gekommen, freudig, daß keine Tausende von Kilometern sie mehr trennten, und von brennender Neugier erfüllt, wie es seinem Vater nun ging.
Offenbar ging es ihm gut. Es gefiel Uli, daß er wieder etwas angepackt hatte und nicht nur länger auf Ererbtem ausruhte.
»Steven-House war schon riesig, aber eigentlich doch eine Nummer zu groß für uns«, befand der Siebzehnjährige. »Daß du jetzt mit einer Finanzspritze ein Unternehmen wieder auf die Beine stellst, find ich ganz toll. Echt, Papa, dafür bewundere ich dich.«
Sie gingen kameradschaftlich miteinander um, und sie redeten auch von Mann zu Mann.
»Komm doch einfach mal zu uns«, schlug Uli vor. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Mama dir ewig die kalte Schulter zeigen wird. Klar ist sie noch sauer wegen Gwendolyn, und schön war das ja auch nicht, das mußt du zugeben, wie du uns damals so cool abserviert hast. Aber das ist ja alles vorbei, und ihr könntet vielleicht doch wieder zusammenfinden. Also, ich fänd’s gut«, schloß er.
»Ist deine Mutter denn allein?« fragte Bertold unsicher.
»Du meinst, ob sie einen Freund hat? Doch, hat sie. Ist ein netter Typ, muß man schon sagen. Aber wenn du dich anstrengst, könntest du den sicher aus dem Feld schlagen. So hinreißend ist die Beziehung mit dem auch wieder nicht. Das Gefühl hab ich jedenfalls.«
So geschah es, daß Bertold Basler sich nach intensiver Tätigkeit eine Woche Atempause gönnte und tatsächlich zu Ingeborg fuhr. Er klingelte einfach bei ihr. Die Tür würde sie wohl vor ihm nicht zuschlagen. Und doch sah es zuerst so aus, sie schrak förmlich zurück.
»Guten Tag, Ingeborg. Entschuldige, daß ich dich einfach so überfalle.«
»Guten Tag, Bertold«, sagte Ingeborg steif. »Wenn du zu Uli willst, er ist nicht da.«
»Ich wollte zu dir, Ingeborg. Ich habe mich nicht angemeldet, weil ich befürchten mußte, du würdest mich wieder kurz abfertigen. Aber könnten wir nicht wie vernünftige Menschen miteinander reden. – Darf ich hereinkommen?«
»Bitte.« Sie trat beiseite. In ihrem Wohnzimmer bot sie ihm Platz an. Bertold sah sich um. Helle, moderne Möbel, bequem und farblich aufeinander abgestimmt. Ein Raum zum Wohlfühlen.
»Hübsch hast du es hier«, bemerkte Bertold anerkennend. Sein Blick blieb an ihr hängen. »Du
siehst auch sehr gut aus, Ingeborg.«
»Danke für das Kompliment«, antwortete sie mit einem leicht ironischen Zucken um die Mundwinkel. »Es geht mir auch gut. Dank deiner Großzügigkeit kann ich mir mein Leben nun nach meinem Gutdünken einrichten.«
»Wenn du auf die finanzielle Seite anspielst, so war das nur selbstverständlich, daß ich dich sicherstelle. Den Erlös von Steven-House habe ich nun in die Firma gesteckt, in der ich Teilhaber geworden bin. Ich denke, daß es sich auf längere Sicht rentieren wird. Alle setzen sich voll dafür ein, die schon drohende Arbeitslosigkeit vor Augen hatten.«
»Und wie schmeckt es dir, wieder zu arbeiten? Das muß doch eine große Umstellung für dich gewesen sein.«
»Gewiß, aber sie fiel mir nicht schwer. Ich war es schließlich leid, ziellos in den Tag hineinzuleben. Es macht nun alles wieder mehr Sinn.«
»Der Anlaß dazu war wohl vor allem, daß deine Herzallerliebste anscheinend nichts mehr von dir wissen wollte«, sagte Ingeborg mit einem kühlen, flüchtigen Lächeln und hob die Augenbrauen.
»Sei nicht ironisch«, bat Bertold. »Gwendolyn wollte ihren eigenen Weg gehen, und ich habe sie gelassen. Das Ganze war – wie ein Regenbogen, der am Himmel aufleuchtet und wieder verblaßt.«
»Seit wann drückst du dich so poetisch aus«, sagte Ingeborg spöttisch. Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann fragte sie: »Kann ich dir etwas anbieten, Kaffee, Tee, etwas Alkoholisches?« Sie stand auf. »Ich habe eine Hausbar, schau«, und sie rollte sie heran, »zu mir kommen öfter mal Gäste. Es ist alles da.«
Bertold nickte, er betrachtete die Flaschen und halbgefüllten Kristallkaraffen. »Und darunter ein Gast, der dir nahesteht, oder?« sagte er langsam und bedeutungsvoll.
»Ach, hat Uli geplaudert?« warf sie hin. »Magst du einen Cognac?«
»Ja, gern.«
Sie schenkte einen Schluck des edlen goldfarbenen Getränkes in einen großen Schwenker. »Ja, ich habe einen Freund«, fuhr sie fort. »Du wirst wohl nichts dagegen haben.« Immer noch unterschwellig dieser Hauch von Ironie, den Bertold hinnehmen mußte.
»Wie dürfte ich das«, sagte er. »Daß wir noch verheiratet sind, steht nur auf dem Papier.«
»Das hast du schon vor drei Jahren zu Gwendolyn Roberts gesagt, als es noch gar nicht stimmte«, hielt sie ihm entgegen, und nun schwang Bitterkeit in ihrer Stimme mit.
Sie hatte ja recht. Bertold nahm das Glas, und mit dem Cognac schluckte er ihre Bemerkung hinunter.
»Möchtest du, daß ich wieder gehe?« sagte er dann, da Ingeborg sich in steifer Haltung, wie abwartend, wieder hingesetzt hatte.
»Uli wird es sehr bedauern, dich verpaßt zu haben«, gab sie zurück. »Nur um mich zu sehen, hättest du dir die Fahrt sparen können.«
Wie gleichgültig ihr Blick durch ihn hindurchging.
»Ich bleibe noch in der Stadt, ich nehme mir