Das war dem befehlsgewohnten Floyd Frenclyn dann doch zu viel.
»Hören Sie, William Brocius, es wäre gut, wenn Sie zwei Dinge nicht vergessen würden: Erstens, daß Sie hier auf meinem Boden stehen, und daß ich ein Mann bin, der ihn zu schützen weiß. Und zweitens, daß in mehreren Städten Ihr Steckbrief aushängt. Oder bilden Sie sich ein, ich wüßte nicht, daß Sie den Tombstoner Skandal nach dem Gunfight im O.K. Corral ausgenutzt haben, um in aller Ruhe die Bank von Mercury zu überfallen? Sie hatten Pech und sind erkannt worden, mein Lieber…«
Die Hand des Verbrechers fuhr zum Colt.
Zum erstenmal in seiner reichlich fragwürdigen Karriere in den Staaten vermochte Greg Saunders maßgeblich in Erscheinung zu treten. Er stellte sich vor den Rancher und sah Curly Bill mit blitzenden Augen an.
»Was soll das werden, Boß? Wollen Sie durch einen sinnlosen Streit alles aufs Spiel setzen? Wir brauchen Frenc-lyn, das wissen Sie genau.«
»Yeah!« keuchte der Outlaw. »Aber er hat sich keinen so herausfordernden Ton mir gegenüber zu leisten. Er ist auch nichts weiter als ein Raub-rancher, als ein Länder- und Viehdieb. Ein Bursche, der kleinere Farmen die Luft abgedreht hat und jahrelang mit dem Gewehr im County regierte. Ich kenne ihn genau, diesen Floyd Frenclyn! Er hat keinen Grund, sich hier wie der geheime Boß aufzuspielen. Der Boß bin ich! Und wenn er glaubt, etwas von mir zu wissen, dann muß er sich gesagt sein lassen, daß ich von ihm auch einiges weiß.«
Floyd Frenclyn kochte vor Zorn.
»Sie haben sich trotzdem in mir verrechnet, Curly Bill. Ich habe bis heute offen für mein Weideland gekämpft. Sie aber sind ein Bandit, ein berüchtigter Desperado, ein gefürchteter Mörder, ein bekanntes Mitglied der Clanton Gang! Sie sind in Tombstone Wyatt Earp ganz offensichtlich im allerletzten Augenblick entgangen, und jetzt haben Sie die Hose voll, weil…«
Wieder zuckte die Hand des Verbrechers zum Revolver.
Da packte Greg Saunders, der Dandy von gestern, – er packte mit beiden Fäusten das rechte Handgelenk des Banditen.
»Halt! Ihr seid beide verrückt. Das wäre doch genau das, was der Mann drüben auf der S-Ranch sich wünscht. Zerfleischt euch untereinander! Was haben Sie davon, Curly Bill? Sie wollen hier ein Ike Clanton werden, wie Sie mir selbst gesagt haben. Ich aber sage Ihnen, daß Sie auf diese Weise gar nichts werden. Mir scheint, daß Ike Clanton doch ein anderer Mann war. Denn Besonnenheit zeigen Sie nicht. Und Sie, Floyd Frenclyn, Sie gebärden sich wie ein aufgeblasener Pfau! Wollen Sie nicht die Saunders Ranch Ihrer Weide anschließen? Wollten Sie nicht den Traum Ihres Lebens verwirklichen und das Land und die große Ranch meines Bruders besitzen? Wären Sie dann nicht in der Lage, die Kleinen, die sich dazwischengeschoben haben, mühelos zu zerquetschen?!«
Frenclyn grollte:
»Curly Bill hat den Streit vom Zaun gebrochen, nicht ich! Und übrigens – Saunders, soll ich Ihnen das wirklich abnehmen, daß Sie nicht das geringste Interesse an der Ranch Ihres Bruders haben?«
»Yeah!« fuhr ihn Greg mit gebleckten Zähnen an.
Drüben vom Bunkhouse hatte sich ein Schatten gelöst, der sich langsam näherte, mitten im Hof stehenblieb und die Augen weit aufgerissen hatte!
Jonny Saunders!
Er glaubte zu träumen. Das, was er da hörte, konnte doch nicht wahr sein. Dieser Mensch da konnte doch unmöglich sein Onkel Gregory Saunders, Vaters Bruder sein. Der Mann, für dessen Reise in die Staaten der Vater eine große Stange Dollars geopfert hatte!
»Das verstehe ich nicht!« sagte der Rancher in diesem Augenblick. »Sie werden Ihre Ansprüche auf die Ranch geltend machen, sobald es außer Ihnen keinen Mann mehr in diesem Land gibt, der Saunders heißt…«
»Nein!« Wie ein Raubvogel stieß Greg den Kopf vor und zischte: »Das werde ich nicht. Weil auch ich ein Ziel habe, wie Sie und wie Curly Bill. Ich will meinen Bruder vernichten. Weil er mir etwas angetan hat, das ich ihm niemals verzeihen kann. Ich will ihn vernichten, zerstören, am Boden sehen. Und mit ihm seinen Sohn, auf den er so stolz ist, diesen verdammten Burschen. Vernichten will ich sie beide. Well…« Er hielt inne und atmete schwer.
»Weshalb soll ich es euch nicht sagen? Ich bin damals, als er nach den ersten Jahren hier einmal zu Besuch nach Europa kam, ein blutjunger Bursche gewesen und hatte eine Freundin. Als er sie sah, stahl er sie mir. Es kam zu einem Kampf. Dabei tötete er die Frau, und ich, der Unschuldige, ich mußte ins Zuchthaus. Zwanzig Jahre, Gents, zwanzig Jahre habe ich hinter Zuchthausmauern gesessen. Damals war ich neunzehn, heute bin ich neun-unddreißig. Er reiste ab – und als ich jetzt freikam, schlug ihm das Gewissen und er ließ mich herkommen. Aber nur, um mich wieder zu demütigen. Ich bin gekommen, aber mit der Rache im Herzen. Ich werde ihn vernichten. Und das spürt er. Er nämlich ist der Mörder…!«
»Nein!« gellte es da über den nächtlichen Hof.
Die Banditen fuhren zusammen und wandten die Köpfe.
Mitten auf dem Hofplatz, vom schwachen Lichtschein der Kerosinlampe, die der Rancher hielt, nur noch eben erfaßt, stand der junge Cow-
boy.
»Jonny!« entfuhr es Saunders.
»Jonny!« rief auch der Rancher. »Was suchst du hier? Was hast du dich auf dem Hof herumzutreiben? Verschwinde im Bunkhouse!«
Der Bursche aber blieb mit glimmenden Augen stehen.
Saunders starrte ihn an wie ein Gespenst. Dann krächzte er:
»Frenclyn – sind Sie wahnsinnig! Was tut dieser Hund denn hier auf Ihrer Ranch?!«
»Wieso? Er ist einer meiner Cowboys«, entgegnete Frenclyn ahnungslos.
»Einer Ihrer Cowboys!« bellte Greg. »Mann, das ist Jonny Saunders! Der Sohn meines Bruders!«
Ein Ruf der Verblüffung flog von den Lippen der Männer auf dem Vorbau.
Curly Bill stampfte sofort die Treppe hinunter.
Frenclyn stand fast fassungslos da und stotterte:
»Jonny – Saunders? Das ist doch unmöglich! Der – würde es doch niemals wagen – ausgerechnet hier…«
Curly Bill stampfte, gefolgt von Greg, Pika, McLean und einigen anderen Tramps auf den Burschen zu.
»Macht ihn fertig!« zeterte Greg hysterisch. »Bill, stampfen Sie diesen Mördersohn in die Erde, harken Sie ihn auseinander! Würgt ihn doch ab, Männer! Diesen…«
Luke Short hatte keine Wahl.
So bitter es ihn ankam und so gewiß er der Niederlage gegen dieses Aufgebot von Menschen in dem abgeschlossenen Hof war, er mußte eingreifen.
»Stop!«
Hart und schneidend kam sein Ruf über den Hof.
Curly Bill zuckte wie unter einem Peitschenschlag zusammen.
Im ersten Moment hatte er geglaubt, die Stimme Wyatt Earps zu hören. Dann wußte er, wer da an der dunklen Hausecke stand.
Die Banditen hielten inne, sahen sich um und erkannten drüben im Halbdunkel an der Hausecke die riesige Gestalt.
Auch Frenclyn sah sie.
»Luke – was fällt Ihnen ein? Hinüber ins Bunkhouse!«
Curly Bill warf den Kopf hoch.
»Luke! – Sind Sie vielleicht mondsüchtig, Frenclyn? Arbeitet dieser Mann etwa auch als Cowboy bei Ihnen?«
»Weshalb nicht, he?« knurrte der Rancher unsicher. »Schließlich ist es doch meine Sache, wen ich in