William Lovell. Ludwig Tieck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Tieck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849637699
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gegen mich erwidert zu haben. – Mein Vater wohnt itzt nahe bei London – und Eduard, ich werde sie wiedersehn! – Meine traurigen Ahndungen sind itzt nichts als Träume gewesen, über deren Schrecken man beim Aufgange der Sonne lacht. Hoffnungen wachen in meinem Busen auf, ich vertraue der Liebe meines Vaters. Wenn ich es nun wagte, ihm ein Gemälde von dem Glücke zu entwerfen, wie ich es in ihren Armen genießen werde, wenn ich ihn in das innerste Heiligtum meines Herzens führte und ihm jenes reine und ewige Feuer zeigte, welches der holden Gottheit lodert? Würde er so hart sein, mich von dem Bilde zurückzureißen, mir meine schönsten Empfindungen zu nehmen, die Hallen des Tempels zu schleifen, um von den Ruinen eine armselige Hütte zu erbauen? – Aber ich fürchte, mein Vater betrachtet mein Glück aus einem ganz verschiedenen Standpunkte; er ist älter und jenes schöne Morgenrot der Phantasie ist von der Gegend verflogen, er mißt mit dem Maßstabe der Vernunft die Verhältnisse des Palastes, wo der jüngere Enthusiast in einer trunkenen Begeisterung anstaunt – ach Eduard, er berechnet vielleicht mein Glück, indem ich wünsche daß er es fühlen möchte, er sucht mir vielleicht eine frohe Zukunft vorzubereiten und schiebt mir seine Empfindungen unter; er knüpft Verbindungen, um mir Ansehn zu verschaffen, um mich in der großen Welt emporzuheben, ohne daran zu denken, daß ich den ländlichen Schatten des Waldes vorziehe und in jener großen Welt nur ein unendliches Chaos von Armseligkeiten erblicke.

      Ich habe hier einige Tage in einer süßen Schwermut verlebt, mir selbst und meinen Empfindungen überlassen, ich behorchte in mir leise die wehmütige Melodie meiner wechselnden Gefühle. – Der Wald sprach mir mit seinem ernsten Rauschen freundlichen Trost zu, die Quellen weinten mit mir. Man kann nirgend verlassen wandeln; dem leidenden Herzen tritt die Natur mütterlich nach, Liebe und Wohlwollen spricht uns in jedem Klange an, Freundschaft streckt uns aus jedem Zweige einen Arm entgegen.

      Itzt lacht der Himmel mit mir in seinem hellsten Sonnenscheine, die Blumen und Bäume stehn frischer und lieblicher da, das Gras nickt mir am See freundlich entgegen, die Wellen tanzen ans Ufer zu mir heran. – Nein, ich will nicht verzweifeln, nie wird mein Schmerz mich so unedel machen können, daß ich in wilder Verzerrung Liebe und Freundschaft von mir stoße. Auch das größte Leid soll der edle Geist mit Anstand tragen.

      Lovell.

      7

      Eduard Burton an William Lovell

      Bondly.

      Ich freue mich innig, daß Du heitrer bist, komm bald nach Bondly, und ich will noch einige frohe Tage mit Dir genießen. Dann wirst Du mir entrissen, um jenen Traum als Wirklichkeit zu begrüßen, den wir so oft miteinander geträumt haben; Natur und Kunst, Menschen und herrliche Städte empfangen Dich und nur meine herzlichsten Wünsche, meine Gebete können Dich begleiten.

      Ja könnt ich selbst Dein Begleiter sein! Aber ich habe diese, einst meine liebste Hoffnung, schon seit lange aufgegeben; mein Vater würde die Zeit, die ich auf diese Art anwendete, für verloren ansehn, und abtrotzen möchte ich ihm seine Einwilligung nicht. Er haßt die Begeisterung, mit der ich zuweilen von den Heroen des Altertums, oder der Göttlichkeit eines Künstlers spreche, er sieht mit Verachtung auf diese kindischen Aufwallungen des Bluts hinab, wie er jeden Enthusiasmus nennt; an die hohen Gefühle der Freundschaft glaubt er nicht, alles, was in Dir so gut und heftig ist, belächelt er, und prophezeit aus seinem Unglauben, daß wir uns niemals verstehn und unsre sogenannte Freundschaft nur betrübt für uns beide endigen könne. Er liebt Menschen, die sich nie aus den Gegenständen, von denen sie umgeben werden, verlieren können, er spottet über alles, was man Erhabenheit der Gedanken und Gefühle nennt. Es gibt vielleicht wenig Menschen, welche die Vorurteile und Begriffe der Konvention so tief in ihr ganzes Dasein haben verwachsen lassen. – Ist dies Menschenkenntnis, die aus ihm spricht, o so beneide ich sie ihm nicht, doch muß er sie teuer erkauft haben, da er sie für so richtig hält – Aber wir glauben so oft einen Blick in die Seele anderer getan zu haben, wenn wir bloß das Flüstern unsers eignen Geistes vernommen hatten.

      Er verzeihe mir die Bitterkeit, die zuweilen und itzt eben in mir aufsteigt, aber ich muß zu oft von seiner Kälte leiden. Er ist älter als ich, er kann oft betrogen sein, die schönsten Gefühle sind vielleicht an ihm meineidig geworden, er hat wohl mit Mühe alles aus seinem Busen vertilgt, was ehemals so schön und herrlich blühte; aber er soll nicht verlangen, daß ich seinen Erfahrungen ungeprüft glaube, oder wenn ich sie bestätigt finde, daß ich darum ein Hartherziger werde und den Glauben an jeden harmonischen Klang verliere, weil alle Tangenten, die ich anschlage, auf zersprungene Saiten treffen – nein, er soll in mir einen Sohn erziehen, der einst die Schuld bezahlt, die er mir zum Erbteile läßt – es tut mir weh, denn er ist mein Vater – aber glaube mir, William, ich werde manchen Armen zu trösten und mancher Waise zu erstatten haben.

      Zu Dir und zu niemand anders darf ich also sprechen. – Wie beneid ich Dich Glücklichen! Du gehst Raffaels und Michelangelos Gebilden entgegen, allen großen Erinnerungen aus der Geschichte – indes ich eingekerkert hier in Bondly sitze.

      8

      Amalie Wilmont an ihren Bruder Karl Wilmont

      London.

      Ich bin gestern in London angekommen, das Gewühl der Stadt, das Geräusch der Wagen und die lärmende Munterkeit kontrastierte sehr mit der Ruhe des Landes, die ich soeben verließ. Es war traurig, wieder in die Straßen hineinzufahren, die ich so freudig verlassen hatte, mir war es, als wären es die Mauern eines großen Gefängnisses.

      Seitdem hab ich oft an Dich und an meinen schönen Aufenthalt in Bondly gedacht. Die Gegend war so reizend, die kleine Gesellschaft so traulich, alle machten gleichsam nur eine Seele – und alles das im Glanze der Frühlingssonne – ach, ich bin vielleicht in sehr langer Zeit nicht wieder so glücklich.

      Grüße Lovell und danke ihm für seine freundliche Begleitung.

      London kömmt mir, ohngeachtet der vielen Menschen, sehr einsam vor, meine Zimmer sind mir ganz fremd geworden, alles ist so eng und düster, man sieht kein Feld, keinen Baum; und wenn ich dagegen die reizenden Hügel und schönen Gebirge denke, an jene Seen und Wasserfälle, den dichten rauschenden Wald, und an das mannigfaltige Leben der Natur, so möchte ich gleich wieder umkehren, um dieses vielfach bewegte, aber tote Chaos wieder hinter mir zu haben.

      Unsre Eltern sind wohl, sie freuten sich recht herzlich, mich wiederzusehn. –

      Lieber Bruder, weiter hätt ich Dir nun nichts mehr zu sagen, außer daß Du Lovell grüßen sollst – doch das hab ich ja schon einmal gesagt, das widerwärtige Lärmen auf den Straßen hat mich verwirrt gemacht.

      9

      Mortimer an Karl Wilmont

      London.

      Warum ich Dir so lange nicht geschrieben habe? Du solltest Dich doch schon daran gewöhnt haben, daß es in dieser Sterblichkeit eine Menge von Vorfällen, Wirkungen, Handlungen, und Unterlassungen ohne Ursache gibt. – Es gibt Leute, die bei einem Allegro weinen können, oder die beim schmelzendsten Adagio einen unwiderstehlichen Beruf zum Tanzen fühlen, wer wird hier nach den Ursachen fragen? Ebenso habe ich zu gewissen Zeiten Perioden von Trägheit, wo mir jede Feder zuwider ist, wo mich ein Billet, was ich schreiben soll, in Schrecken setzen kann; ich bin aber noch nie darauf gefallen, tiefsinnige philosophische Betrachtungen darüber anzustellen, ob die Seele oder der Körper daran schuld sei, von welchen Mittelideen und Kombinationen diese Sache abhängen möge.

      Wir wollen also ganz davon abbrechen, erwarte keine Entschuldigungen, denn ich habe keine, ich kann Dich auch nicht um Verzeihung bitten, denn ich weiß, Du hast es nicht übelgenommen; nur soviel will ich Dir zur Entschädigung sagen, daß diese Trägheit mit zu jenen Eigenschaften gehört, die ich mir mit der Zeit