William Lovell. Ludwig Tieck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Tieck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849637699
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– Ich bedurfte Mitleid, ein empfindendes Herz – und ein spottendes Lächeln, eine kalte Verachtung – – oh, Eduard, mir war, als klopft ich, im Walde verirrt, an eine Hütte, und nichts antwortete mir aus dem verlassenen Hause, als ein leiser, öder Widerhall. –

      Lebe wohl. Ich will itzt gleich auf einige Tage meine Tante Buttler in Waterhall besuchen – grüße Deine liebe Schwester und verzeih mir meine Schwäche: doch ich kenne ja Dein Herz, das alle Leiden der Menschheit mitempfindet, über nichts spottet, was den Mut des schwächern Bruders erschüttert, das sich mit den Fröhlichen freut und mit den Weinenden weint. –

      3

      Der alte Willy an seinen Bruder Thomas, Gärtner in Waterhall

      Bondly.

      So wie ich's vernommen, so hält sich ja jetzt mein lieber junger Herr auf Deinem Gute auf. Bewirte ihn recht ordentlich und ich will es ansehen, als wäre es dem alten Willy geschehn. Er ist also, wie gesagt, entweder schon da, oder er wird noch hinkommen, zu Pferde saß er wenigstens schon vorgestern, und das so hübsch und geschickt, als nur ein Mensch in den drei Königreichen zu Pferde sitzen kann, der ein Frauenzimmer begleiten will, das in einer Chaise nach London fuhr. Wie gesagt, Fräulein Malchen ist vorgestern also auch abgereist. So wird's nun nach und nach bei uns leer, aber der lustige Herr Wilmont ist gestern schon mit seinem Schimmel zurückgekommen, er war ordentlich etwas müde und hatte nebenher ein Eisen verloren.

      Der alte Toby hier im Dorfe ist nun endlich wirklich gestorben, von dem wir es immer schon vor 20 Jahren zusammen prophezeiten, und ich dachte dabei an Dich, guter Tom, denn Du bist fast ebenso alt, als er nun gewesen ist – aber ich hoffe, Gott wird Dir noch einmal einen kleinen Vorschuß tun, wie vor zehn Jahren, als Du die große Krankheit hattest und ich immer des Nachts so viel für Dich beten mußte. Dafür rechne ich nun aber auch auf Dich, was das Beten anbetrifft, vollends da ich nun bald in fremde Länder komme, wo man meine Sprache nicht mehr versteht.

      Ja, lieber Tom, Du kannst Dich immer wundern, ging es mir doch um kein Haar besser und ich hatt es doch schon vorher gewußt. – Ich soll mit meinen alten Augen noch fremde Länder sehn – Italien, Frankreich – je nun, wenn's nur nicht in die Türkei geht, solange ich noch Religionsverwandte antreffe, denk ich immer noch unter guten Freunden zu sein, wo aber die Türken angehn, da ist es mit der Freundschaft aus, denn wer nicht meinen Gott liebt, der kann auch mich nicht lieben; sie sollen apart einen Gott ganz für sich haben, und des Brot ich esse, des Lied ich singe.

      Wenn ich aber meinen lieben Bruder nicht wiedersehn sollte? Denn der Herr William sprach da so etwas von ein paar Jahren, die die Reise kosten würde (das Geld abgerechnet); ja, wollt ich nur sagen, wenn ich nun so wiederkäme und hätte die ganze Welt gesehn, was hälf es mir, wenn ich meinen Bruder Tom nicht mehr sehen könnte? – Mir war schon immer, als säh ich ein schwarzes Kreuz auf einem grünen Hügelchen da in der Ecke des Kirchhofs stehn, wo der große Nußbaum gewachsen ist, und Deinen Namen, Thomas, mit großen Buchstaben darauf, so recht als mir zur Kränkung; oh, lieber Bruder, ich würde lieber wünschen, mit Dir hinterm Ofen gesessen zu haben, um uns von Krieg und Frieden und vom Schottischen Kriege zu erzählen. Darum besuche mich. Ich hätte gestern fast geweint, und das schickt sich doch nicht, Thomas, für so einen alten Mann.

      Vom Gelde sprich nicht wieder. Du bist ja mein Bruder, wir sind ja alte Männer; könnt ich Dir mit aller meiner Armseligkeit noch Leben ankaufen, frage nicht, ob ich's täte. Komm nach Bondly, oder laß Dich herfahren, denn Deine Füße sind in dem Alter nicht mehr zum Gehn geboren. Das Geld ist Dein, Du bist lange krank gewesen, und mein Herr gibt mir immer mehr als ich brauche. – Wie kann ein Bruder dem andern etwas schuldig sein? Gott sind wir alles schuldig, und der behüte Dich deswegen.

      Willy, Dein Bruder bis ewig.

      4

      Eduard Burton an William Lovell

      Bondly.

      Ich vermute, daß Du einige Tage in Waterhall bleiben wirst, und darum schick ich Dir diesen Brief, der gestern angekommen ist. Wie sehr ich Dich liebe, habe ich bei Lesung Deines Briefes empfunden. Stets hab ich Dich um die Lebhaftigkeit Deiner Phantasie, um die Reizbarkeit Deines Gemütes beneidet, aber ich fange auch an, sie zu fürchten. Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Glaube, sie sind Leben und Glück, aber sie gedeihen nur in gesunden Herzen, sie verlangen Mut und Ruhe. Oh, Lieber, gewiß gibt es Dämonen, sie sind jene Zweifelsucht, jene dunkle Angst, jene Lust an Unglück und traurigen Vorstellungen, der sich unsre Seele nur zu gern ergibt. Ist das Leben erst so dunkel geworden, daß kein Strahl wahrer Freude hereinbrechen kann, da regieren sie in der Finsternis und führen auch wohl jene Verhängnisse herbei, die wir früher aus der Ferne mit stummer Angst wahrgenommen haben. Wirf Dich in die Arme der Freundschaft und Liebe, und laß dann die Zeit gewähren, es geht und wandelt sich alles ebenso oft in das Bessere, an das wir nicht glauben konnten, als es sich zum Schlimmern lenkt. Je inniger Du liebst, je stärker soll Dein Vertrauen sein. –

      Eduard Burton.

      5

      Der alte Lovell an seinen Sohn (Einlage des vorigen)

      London.

      Du hast lange nicht geschrieben, lieber William, und daraus schließe ich, daß es Dir noch immer in den Armen Deines Freundes und der schönen Natur gefalle. – Diese Jahre, in denen Du lebst, sind die Jahre des reizendsten Genusses, darum genieße, wenn Du auch etwas von dem vergessen solltest, was Du ehemals wußtest: wenn Dein Geist in der stillen Betrachtung der Natur und ihrer Schätze bereichert wird, so kannst Du gewisse Gedächtnissachen indes als ein Kapital irgendwo unterbringen, und Du bekömmst sie nachher mit reichen Zinsen zurück. Vielleicht wird dadurch auch Deine Gesundheit so sehr befestiget, daß Du nicht, wie ich, von tausend Unfällen zu leiden hast, und ungehindert alle Deine Kräfte in der glücklichsten Tätigkeit wirken können, wenn der Schwächere erst von tausend umgebenden Kleinigkeiten die Erlaubnis dazu erbitten muß.

      Seit einigen Tagen bewohne ich ein Landbaus, ganz nahe bei London, dasselbe, von dem ich Dir schon mehrmals geschrieben habe, das ich vielleicht kaufen würde. – Meine Unpäßlichkeiten scheinen zurückgeblieben zu sein, ich halte die Luft hier in der Ebene für reiner und gesunder, als dort auf den Bergen. – Meine neuliche Krankheit hat mich aber wieder auf die Zerbrechlichkeit des Lebens aufmerksam gemacht; ich komme in ein Alter, in welchem man sich mehr von der Welt zurückzuziehen wünscht, und einen kleinen lieben Zirkel zu bilden, in dem ein jeder Gedanke und jedes Gefühl bekannt ist. Oh, lieber William, ich hab es mir so schön ausgemalt, was für ein Leben ich führen will, wenn Du nun als gebildeter Mann von Deinen Reisen zurückgekehrt sein wirst, wie mir dann meine letzten Tage in vollem, frohem, unbefangenem Genuß hinfließen sollen: ja ich will von allen Stürmen ausruhn, die so oft den Horizont meines Lebens trübten. Nur muß ich mich hüten, diesen Genuß zu weit hinauszuschieben, ich muß anfangen mit meinen Stunden zu sparen; ein Jahr ist schon eine große Summe für mich, welches der verschwendende, im Überflusse frohlockende Jüngling oft so gleichgültig vergeudet. Mein Haar wird grau, meine Kraft zerbricht, darum wünscht ich sehnlich, daß Du Deine Reise sobald als möglich antreten mögest, noch früher, als wir neulich ausgemacht hatten. Antworte mir doch hierauf sogleich, oder besuche uns lieber selbst. Für einen ältern Freund zu Deiner Begleitung will ich indessen Sorge tragen. – Lebe wohl, bis ich Dich wieder an mein Herz drücken kann.

      Dein Vater, Walter Lovell.

      6

      William Lovell an Eduard Burton

      Waterhall.

      In einigen Tagen komme ich zu Dir zurück, um auf lange Abschied zu nehmen. Mein Vater wünscht meine Abreise aus England früher; er ist fast immer krank