Sarah (eBook). Scott McClanahan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Scott McClanahan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783747201558
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so ein Verbrecher bin, werde ich jetzt diesen Computer umbringen.«

      Sarah sagte »Was?« und lief mir hinterher.

      Ich sagte: »Ich bring jetzt den Computer um«, und dann schrie ich: »Oh ja, ich bring ihn um, den scheiß Computer« und ein paar andere Varianten des Satzes, wie »Der verdammte Computer ist jetzt dran«, und auch direkte Drohungen an das Gerät: »Ich bring dich um, du kleine Sau.«

      Ich ging in den Werkzeugraum und holte den 5-Kilo-Vorschlaghammer, der dort immer in einem Eck stand. Ich setzte mir die Sonnenbrille auf. Sarah sagte: »Wozu die Sonnenbrille?« Ich sagte ihr, das sei keine Sonnenbrille mehr, das sei jetzt eine Sicherheitsbrille. Ich sagte, mir ginge es vor allem um die Sicherheit. Dann sagte Sarah etwas über Bilder, aber ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Ich zog am Computer, aber er rührte sich nicht. Also zog ich noch mal, aber die Kabel waren ein derartiges Rattennest, dass gar nichts ging. Wir hatten sowieso vor, einen neuen Computer zu kaufen, weil der hier alt war. Also begann ich, in Ruhe jeden einzelnen Stecker einzeln herauszuzupfen. 1, 2, 3, 4. Ich nahm den Monitor und schlug ihn an die Ecke des Tisches. Ich dachte, er würde vielleicht explodieren oder herrlich zerschellen, aber es passierte gar nichts. Ich rammte ihn noch ein paar Mal auf die Tischecke und dann knallte ich ihn gegen die Wand und er prallte einfach ab und Sarah stand daneben und schaute mir zu. Sie hielt ihre Hände erhoben neben dem Gesicht. Ich riss die Festplatte heraus und nahm sie in die Hand, und Sarah wiederholte immer wieder: »Was machst du denn?«

      Dann hielt ich den Vorschlaghammer in der Hand und warf ihr diesen Blick zu, so auf die Art Wonach sieht es denn aus, ich bring hier unseren Computer um.

      Ich stand über der Festplatte und schwang den Vorschlaghammer in die Höhe, als würde ich ein Baby hochwerfen. Ich ließ den Hammer hart aufkommen. Er traf den Computer, prallte gegen das harte Plastik. Dann hob ich ihn noch mal hoch und ließ ihn wieder auf den Computer krachen, dieser zerbrach in drei oder vier einzelne Computer, und dann zertrümmerte ich auch die. Sarah kreischte: »Scott! Meine Bilder! Die Bilder von den Kindern!« Ah, jetzt wusste ich, was sie gemeint hatte.

      Ich brachte die Bilder unserer Kinder um, und ich schaute nach unten und meine Hand war voller Blut.

      Sarah sagte: »Scott, scher dich verdammt noch mal zum Teufel und komm nie wieder zurück.«

      Sie fiel vor dem zertrümmerten Computer auf die Knie. Auf meiner Hose war Blut und auf meinen Händen war Blut und auf meinen Armen und auf meiner Hose und auf meinem weißen T-Shirt. Ich sagte ihr, es täte mir leid und ich würde sofort gehen. Ich sagte ihr, vielleicht sei die Festplatte ja heil geblieben. Sarah weinte. Da ich vollkommen mit Blut bedeckt war, entschied ich, dass es eine gute Idee war, in die Öffentlichkeit zu gehen. Sarah blickte hoch zu mir und sagte: »Scott, du bist voller Blut.« Ich sagte, ich hätte immer schon geahnt, dass sich ihre Ausbildung zur Krankenschwester eines Tages bezahlt machen würde. Aber niemand lachte.

      Ich ging raus zu meinem Auto und fuhr zum Super 8 Motel und stieg aus. Ich dachte: Hier werde ich übernachten. Ich versuchte, mir das Blut abzuwischen, so gut es ging, dann betrat ich das Motel. Die unauffällige Frau an der Rezeption schien nervös. Sie schusterte an ihrem Computer herum. Dann blickte sie mich an und sagte: »Tut mir leid, aber wir sind vollkommen ausgebucht.« Ich blickte an den Plastikpflanzen vorbei durchs Fenster hinaus auf den Parkplatz und sagte: »Zwei Trucks und ihr seid ausgebucht?« Die Frau holte eine andere Frau und fragte sie etwas, und die beiden flüsterten rum, als wäre jemand gestorben. Dann waren sie fertig mit Tuscheln, und eine von ihnen kam zurück und sagte, okay, sie hätten ein Zimmer. Sie nahm meine Daten auf und sagte, Zimmer Nr. 118. Ich wiederholte »118«, obwohl die Ziffer auch auf dem gefalteten Karton stand, in dem die Keycard steckte. Dann fragte die Frau: »Sir, ist Ihnen bewusst, dass Sie voller Blut sind?« Ich gab ihr keine Antwort. Ich ging einfach aus der Lobby und wiederholte 118, 118, 118. Ich wiederholte alle Zimmernummern, an denen ich vorbeikam. Ich sagte: »128, 124, 122«. Ich zählte sie in meinem Kopf auf, als würde 118 gar nicht existieren.

      Ich steckte die Karte in das Lesegerät und ein kleines grünes Licht erschien. Die Tür entriegelte sich mit einem Summen und dann drückte ich sie auf und es fühlte sich an, als drückte ich mich in meine Gefängniszelle, und ich begann zu heulen. Ich rief Sarah vom Hoteltelefon aus an und sagte, es täte mir so leid und dass es uns immer so leid tun sollte, immer. Ich sagte, dass ich ein Problem hätte. Dann legte ich auf und dachte an ein Foto von uns beiden auf der Couch. Ich dachte an ein Bild von uns beiden am Strand. Ich dachte an uns im Vorgarten, wie wir Iris hochhielten. Ich dachte an ein Bild von Sarah mit einem komischen Hut, vor vielen Jahren. Augenblicke unseres Lebens.

      Am nächsten Morgen rief mich Sarah an und sagte, ich solle nach Hause kommen. Sie sagte, die Fotos seien alle zerstört. Aber bitte komm heim, Scott. Sie machte sich Sorgen um mich. Das war alles. Alles war zerstört.

      Ich erinnerte mich an die Zeilen aus einem Buch aus meiner Vergangenheit und die Zeilen bedeuteten jetzt etwas anderes: Ob ich mich in diesem Buche zum Bösewicht meiner Leidensgeschichte entwickeln werde … wird sich zeigen.

      Was soll ich tun? Ich kann zurückgehen und all die Bilder, die ich noch habe, irgendwie zusammenstellen und platzieren. Ich könnte sie in ein Buch einfügen, und Sarah könnte, wenn sie irgendwann einmal alt ist, das Buch nehmen und all die Bilder wiedersehen und sich erinnern.

      Ich werde das Bild von Iris neben der Couch einfügen, wo sie aussieht wie eine Babypuppe.

      Ich werde die Bilder von Sam einfügen, wo er ganz mit Küssen bedeckt ist.

      Ich werde die anderen auch einfügen. Und wir werden alle da sein. In den Bildern werden Sarah und die Kinder immer jung bleiben. In den Bildern werden sie jung und lebendig sein. So wird Sarah sich daran erinnern können, und wir werden alle wieder zusammen sein. Strahlend.

      Etwa um diese Zeit herum sagte Sarah, dass sie sich scheiden lassen wollte. Als sie nach mir rief, dachte ich, dass es vielleicht um Sex ginge.

      Ich kam die Treppen hoch und sagte: »Willst du Sex haben?«

      Sarah schüttelte ihren Kopf und sagte: »Nein, das ist keine gute Idee. Abgesehen davon nehme ich die Pille nicht mehr.«

      Sarah setzte sich aufs schmale Sofa, und ich reichte ihr das Baby, das ich gerade mit der Flasche gefüttert hatte. Sam schlief.

      Ich sagte: »Oh, mach dir keine Sorgen. Wir können ruhig miteinander ins Bett gehen. Sam schläft jetzt ja.«

      Sarah sagte, sie mache sich keine Sorgen übers Schwangerwerden. Sie sagte: »Ich will die Scheidung.«

      Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.

      Ich dachte, ich hätte sie sagen gehört: »Ich will die Scheidung, Scott.«

      Dann begriff ich, dass sie »Ich will die Scheidung, Scott« gesagt hatte. Sie sagte: »Die letzten paar Male, wo wir gestritten haben, hast du gesagt, dass ich schon seit Jahren einen Ausweg aus der Beziehung suche.« Sie schluchzte. »Aber die Wahrheit ist – ich hab tatsächlich seit Jahren versucht, in dieser Beziehung zu bleiben.«

      Ich saß auf der Couch und schaute ihr beim Weinen zu und dachte: Ich frage mich, ob sie sich nur wegen dem Spitznamen scheiden lassen will. Etwa einen Monat zuvor hatte Sarah zu mir gesagt: »Ich hätte gern einen Spitznamen. Ich hab nie einen gehabt. Aber ich hätte gern einen. Irgend so was Niedliches wie Cee Cee oder Sissy oder so.« Ich sagte, ich wüsste einen Spitznamen für sie. Elch. Und ich fing an, sie so zu nennen.

      »Das ist nicht mein Name«, sagte sie.

      »Muss jeder selber wissen, Elch«, sagte ich.

      So ging das ein paar Wochen. Sarah begann sogar, ein wenig mitzuspielen. Eines Tages hinterließ sie mir eine Nachricht: Bin Einkaufen mit den Kids. Komme bald zurück. xxx Elch.

      Ich dachte daran, sie zu fragen, ob sie sich wegen dem Elchspitznamen scheiden lassen