Sarah (eBook). Scott McClanahan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Scott McClanahan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783747201558
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ging zurück zum Polizeiauto. Alles war vorbei. Sarah würde es erfahren. Iris und Sam begannen, ein wenig zu weinen.

      »Keine Angst«, sagte ich. »Alles in Ordnung.«

      Aber ich wusste, dass nichts in Ordnung war. Ich sah den Polizisten vor mir, wie er zurückkam und mich fragte: »Sir, haben Sie heute Alkohol getrunken?« Und dann: »Würden Sie bitte kurz aussteigen?« Ich sah Sarah vor mir, wie sie zur Polizeistation kam und die Kinder abholte, und ich stellte mir die Leute vom Jugendamt vor, die plötzlich auftauchten und sie befragten. Ich würde heulen, während ich ihr erzählte, dass ich die ganze Zeit gelogen und dass ich die Kinder in Gefahr gebracht hatte und dass ich das Leben zerstörte, das wir zusammen aufgebaut hatten. Ich würde ihr sagen, dass ich unser Leben zerstörte.

      Und so beobachtete ich ihn, wie er endlich aus seinem Auto stieg und zurück zu meinem ging. Ich machte mich bereit für den Moment, da er sagte: »Bitte steigen Sie aus dem Fahrzeug.« Aber er tat es nicht. Er gab mir alles zurück, was ich ihm gegeben hatte. Dann schaute er auf den Rücksitz und, anstatt mich zu verhaften, sagte er: »Hey, Kiddies. Mögt ihr mir dabei helfen, dass euer Dad heute nicht mehr zu schnell fährt?«

      Ich nahm Führerschein und Zulassung und Versicherungsvertrag. Die Kinder antworteten nicht.

      Und er wanderte zurück zu seinem Wagen. Und ich war verschont geblieben. Ich war zu verschreckt, um mich zu bedanken. Die Kinder weinten nun wirklich. Rotz hing aus ihren Nasen. »Hey, hey, meine Babys, nicht weinen«, sagte ich, aber meine Worte waren so undeutlich, dass man sie nicht mal mehr verstehen konnte. Ich versuchte, die CD auszutauschen, aber meine Hände zitterten so stark, dass ich es sein ließ. Ich fuhr zurück auf die Interstate und lächelte und wechselte zwischen den Fahrspuren hin und her. Ich lächelte und hörte den Kindern beim Heulen zu und fühlte die Welt leuchten. Ich übergab mich in eine Plastiktüte von Walmart und warf sie aus dem Fenster. Die Kinder weinten noch immer, aber es war mir jetzt egal. Ich war frei, ich war davongekommen und ich fuhr unseren Todeswagen so schnell und furchtlos über die Erde. Ich zerstörte unser Leben und es fühlte sich so verdammt großartig an.

      Ein paar Wochen später verbrannte ich eine Bibel. Ich blickte zu meinem Freund Chris und sagte: »Weißt du was, wir sollten eine Bibel verbrennen.« Tatsächlich hatten wir schon eine Weile darüber gewitzelt. Ein Monat davor war die Rechnung beim Drive-in von Taco Bell genau 6.66 $ gewesen. Danach behauptete ich immer, wenn ich mit Freunden ausging, der Teufel sei hinter mir her. Ich sagte so was wie »Ich schwöre, der Teufel ist total hinter mir her.« Und dann bestellte ich bei Taco Bell das Gleiche wie damals, und es kam wieder auf 6.66 $ und alle so whoa oh mein Gott.

      Vielleicht war es ein Zeichen. Vielleicht wollte der Teufel mir ja wirklich was mitteilen.

      Also begann ich nach einer Bibel zu suchen. Chris fand die Idee nicht so gut und sagte, Sarah würde es sicher rauskriegen. »Wegen Sarah mach dir mal keine Sorgen«, sagte ich. Ich war erwachsen und wenn ich eine Bibel verbrennen wollte, konnte mir Sarah das auch nicht verbieten.

      Ich durchsuchte die Bücherregale im Keller. Wir besaßen drei Bibeln. Es gab eine Gideons-Ausgabe und eine mit einem schwarzen Einband, die meine Kindheitsbibel gewesen war. Und dann noch eine im untersten Regal. Das war die neueste Bibel im Haus. Irgendwer hatte sie uns zu unserer Hochzeit geschenkt.

      Ich nahm sie aus dem Regal. Es war eine dieser riesigen weißen ­Plüschbibeln und in der Ecke stand »Sarah und Scott McClanahan« in Gold. Diese Art von Bibel liegt bei Leuten sonst immer gut sichtbar auf dem Couchtischchen oder im Haus von Großeltern oder so. »Ich glaub, wir sollten lieber nicht«, sagte Chris, aber ich hörte nicht auf ihn. Also legte ich die Bibel auf den Tisch und schlug sie auf. Das Buch Daniel. Er ließ den Ofen siebenmal stärker heizen, als man ihn gewöhnlich heizte. Ich ging in einen anderen Teil des Kellers, wo Sarah die alten Werkzeuge ihres Vaters aufbewahrte. Ich kramte eine Zeit lang, dann fand ich endlich einen Behälter mit Feuerzeugbenzin und ein paar Streichhölzer.

      Das Benzin tropfte tropftropf auf die Bibelseiten. Dann das Streichholz. Ich riss es an der Reibefläche an, die Flamme kam, aber dann blies ich es wieder aus. »Oh verdammt, lass mich vorher noch kurz …«, sagte ich. Ich schaltete das Licht aus.

      Chris wiederholte: »Ich glaub, wir sollten lieber nicht. Wir sollten lieber nicht.«

      Aber ich zündete schon das nächste Streichholz an und ließ es auf die Bibel fallen, und es hörte sich an, wie wenn etwas zerreißt, und ha, die Bibel brannte hell.

      Mein Gesicht glühte im Licht. Ich sah mein Spiegelbild im Fenster, und da war ein Heiligenschein um meinen Kopf.

      Die Flammen verteilten sich wellenartig über die Seiten, und ihre Farbe wechselte von rot zu braun zu schwarz. Ich löschte die paar noch glosenden dunklen Aschestücke, und das war alles. Nichts passierte. Es war genau dasselbe, wie wenn ich mich im Auto betrank und der Teufel nichts dazu beizutragen hatte. Chris und ich mussten lachen. Aber dann hörten wir Sarah oben herumgehen und wir gerieten in Panik. Ich klappte die Bibel zu. Das Papier knisterte und wellte sich. Dann legte ich die Bibel zurück ins unterste Regal, und da kam sie schon die Treppe herunter.

      Einen Monat später hatte ich alles vergessen. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte die verbrannte Bibel damals einfach zurück ins unterste Regal gelegt, anstatt sie wegzuwerfen. Sarah und ich und eine von Sarahs Freundinnen waren gemeinsam im Keller. Ich arbeitete an meinem Schreibtisch, und Sarah zeigte ihrer Freundin gerade den neuen Boden, den wir im Keller verlegt hatten.

      »Oh, schaut super aus.«

      »Ja, wirklich super.«

      Solche Sachen sagten sie. Und Sarahs Freundin schaute sich den glänzenden neuen Boden an und dann all meine Bücher in den Regalen, und sie sagte: »So viele Bücher.« Sarah schüttelte den Kopf und sagte: »Ja, er mag Bücher.«

      Dann entdeckte Sarahs Freundin etwas in einem Regal, das ihr Interesse weckte.

      Ich hörte sie sagen: »Oh wow, wir hatten auch so eine Bibel, wie ich klein war. Diese riesigen Plüschbibeln hatte ich so gern!« Ich drehte mich um und sah, wie die Frau die verbrannte Bibel aus dem Regal nahm und in der Hand hielt. Sarah sagte, sie hätte die Bibel vor ein paar Jahren als Hochzeitsgeschenk bekommen. Sarahs Freundin machte die Bibel auf, und die verbrannten Seiten knisterten und krachten und stellten sich auf.

      Sarahs Freundin sagte: »Oh Gott.«

      Sarah: »Was zum …«

      Erwischt. Sarah nahm ihrer Freundin die Bibel weg und wurde still. Ich sagte nichts.

      Ich versuchte mir etwas auszudenken, was ich zur Erklärung vorbringen konnte. In der sechsten Klasse waren meine Freunde und ich einmal bis spät in die Nacht wach geblieben und hatten eine ganze Flasche billigen Wein ausgetrunken, die meine Eltern ganz hinten in einem Schrank aufbewahrt hatten. Hinterher hatten wir die leere Flasche einfach wieder zurückgestellt. Im Sommer danach entdeckte meine Mutter die Flasche.

      »Was ist mit dieser Flasche passiert, Scott?«, sagte sie.

      Ich sagte: »Muss verdampft sein.«

      Und sie glaubte mir.

      Aber als Sarah mich fragte, ob ich wisse, was mit der Bibel passiert war, wusste ich nicht, was ich erwidern sollte. Ich fragte mich, ob ich mich so wie damals in der sechsten Klasse verhalten sollte, also einfach sagen: Hä, was meinst du, keine Ahnung. Und sie dabei anschauen, als wäre sie irgendwie gestört. Aber dann sagte ich die Wahrheit. Ich erzählte ihr, Chris und ich hätten die Bibel verbrannt. Zuerst stand sie nur da und starrte mich an, als hätte ich sie verwirrt.

      Dann sagte sie ganz ruhig: »Warum tust du so etwas?«

      Sarahs Freundin stand auch nur da und grinste ein Grinsen, als wüsste sie nichts beizutragen.

      Aber dann fing Sarah zu schreien an: »Warum tust du so etwas? Verdammt noch mal, warum tust du so was?« Und sie schrie: »Die Bibel hab ich von Mary Jo zur Hochzeit bekommen!«

      Und Sarahs Freundin sagte: »Ich versteh nicht, wie du so was machen kannst, Scott.« Und Sarah brüllte noch irgendetwas, und dann rannte sie die Treppen hoch.

      Am Abend