PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION. Greig Beck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greig Beck
Издательство: Bookwire
Серия: Primordia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354890
Скачать книгу
war dankbar für jeden Tag, den er zu Hause war, lebte und sich in einem Stück befand. Drake zog an dem Seil, um das Hauptsegel noch etwas optimaler in den Wind zu drehen. Nellies Bug ging daraufhin noch ein paar Zentimeter nach oben und die Geschwindigkeit erhöhte sich, was Drake unwillkürlich jubeln ließ. Sein Magen kribbelte vor Aufregung, doch dann wurde das Boot so abrupt langsamer, dass er nach vorne geschleudert wurde und beinahe auf das Deck schlug.

      »Was zur Hölle ist denn jetzt los?«

      Nelly setzte ihren Weg fort und es war auch kein lautes Geräusch von unten ertönt, als wäre sie gegen ein treibendes Objekt wie ein Fass oder eine Kiste gefahren, ganz zu schweigen von einer Sandbank. Aber Drake war sich sicher, dass er mit irgendetwas kollidiert sein musste. Das Komische war nur, dass es sich eher angefühlt hatte, als wäre er in ein Kissen hineingefahren.

      Vielleicht war es ja ein Algenteppich, dachte er und schaute über die Reling, wo er plötzlich die Hälfte einer riesigen Qualle vorbeitreiben sah.

      »Oh mein Gott«, flüsterte er. Das Ding musste an die drei Meter Durchmesser haben. Er schaute weiter ins Wasser und sah dann die andere Hälfte vorbeitreiben. Sein Boot musste das Riesending praktisch zweigeteilt haben.

      »Was für ein Monster!«

      Drake hatte schon davon gehört, dass es in den eisigen Gewässern des Nordens Quallen gab, die bis zu einem Meter Durchmesser haben konnten und über fünfzig Kilogramm schwer waren, aber dieses Ding hier war bestimmt fünfmal so groß.

      »Komisch.« Er segelte weiter und kreuzte noch eine Stunde lang auf und ab, bevor er zum Segelklub zurückkehrte. Meistens parkte er Nelly in dem kleinen Bootshaus des Klubs, aber bei dem guten Wetter band er sie einfach nur an den Pier, damit er am nächsten Morgen gleich wieder losfahren konnte.

      Er schnappte sich seine Sachen, räumte auf, spritzte die Segel, die Seile und das Deck mit Wasser ab und klettere dann auf den sonnengewärmten Holzpier. Dort schloss er die Augen und ließ die Sonne ein Weilchen auf sein Gesicht scheinen.

      Das Leben war schön und er fragte sich, was sein bester Freund Ben wohl gerade so trieb. Drake hoffte, dass Emma und Ben ihr eigenes kleines Paradies gefunden hatten, so wie er, denn er hatte wirklich alles, was er sich wünschte. Nun ja, nicht ganz alles, denn leider hatte er Helen verloren, und in diesem Moment vermisse er sie unfassbar. Er wünschte sich, sie wäre jetzt hier, dann könnte er ihr von der Qualle erzählen. Er seufzte und konzentrierte sich auf die wärmenden Sonnenstrahlen auf seinen Wangen. Die Zeiten ändern sich nun mal, dachte er, und so manches bleibt leider auf der Strecke.

      Schließlich öffnete Drake die Augen und wandte sich dem Klubhaus zu, das eine Bar und ein Restaurant beherbergte. Die Sonne stand bereits tief am Himmel und färbte den Horizont orange. Ein paar Schnepfenvögel staksten auf ihren langen Beinen herum und warteten darauf, dass sich die nächste Welle verzog, damit sie den Strand hinunterflitzen konnten, um alle freigelegten Schalentiere aufzupicken. Anschließend eilten sie zurück, bevor sie nass wurden.

      Während er dabei zusah, kam eine große Welle, und als die Schnepfen gerade vor ihr weglaufen wollten, schnellte ein Teil davon wie eine Hand aus Wasser nach vorne und stürzte sich auf einen der Vögel. Jetzt sah Drake, dass diese Hand in Wahrheit eine dieser Quallen war, die er im Meer gesehen hatte. Das Ding hatte sich eine der Schnepfen geschnappt und zog sie ins Wasser. Durch den gallertartigen Körper sah Drake, wie das kleine Federtier kämpfte. Es war wirklich grausam.

      Drake drehte sich um und hoffte, dass irgendjemand anderes es auch gesehen hatte, doch er war allein.

      Wie krank ist das denn?, fragte er sich. Er zog schnell sein Handy hervor und versuchte, ein Bild zu machen, doch der glibberige Jäger und seine Beute waren bereits wieder verschwunden. Vollkommen absurd, dachte er. Heute Abend würde er mit den Leuten im Club darüber reden.

      Kapitel 7

      Am südöstlichsten Ende Nordamerikas – vor 100 Millionen Jahren

      Andy hörte auf zu paddeln und ließ das rustikale Boot weitergleiten, als der Fluss in eine größere Wasserfläche mündete. Dort fiel ihm eine merkwürdige Stromschnelle auf; direkt unter der Oberfläche musste sich eine Felskante oder ein ähnliches Hindernis befinden. Also würde er entweder paddeln müssen wie ein Irrer oder an Land gehen, um das Boot auf die andere Seite zu ziehen.

      Wenn er aussteigen müsste, wollte er jedenfalls direkt festen Boden unter den Füßen haben, ohne erst noch durch das Wasser waten zu müssen, denn der Fluss hatte sich schon vor einer Weile braun eingefärbt und es war unmöglich zu sagen, was sich außer abgestorbenen Pflanzenresten und Schlamm sonst noch darin befand.

      Eigentlich machte ihm das nicht wirklich Sorgen, doch dass er in einiger Entfernung etwas aus dem Wasser auftauchen sah, war schon eher beunruhigend. Er konnte es nicht genau erkennen, doch es konnte sowohl ein Süßwasser-Mosasaurus sein als auch ein Riesenkrokodil oder eine Schildkröte von der Größe eines Kleinwagens.

      Wenn er versuchen würde, das Boot aus dem Wasser zu ziehen, könnte er eine Schildkröte auf jeden Fall abhängen, aber wenn es irgendwas anderes wäre, würde er zu Fischfutter werden.

      »Scheiße«, flüsterte er.

       »Gluck.«

      Andy schaute auf das kleine Reptil hinab.

      »Wohnt da jemand?« Gluck hatte den Kopf schief gelegt und starrte ihn mit einem seinen rubinroten Augen an.

      Andy seufzte und nickte. »Ja, da wohnt jemand, und dieser Jemand ist verdammt groß.« Er stützte seine Unterarme auf die Bordkante. »Da können wir nicht reingehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass dieser Jemand uns verdammt gern kennenlernen würde.«

      Minutenlang starrte er auf den See hinaus, bevor er zu einer Entscheidung gelangte. Er fluchte, denn er wusste, dass es lange dauern würde und riskant war. Trotzdem fing er an, auf das nahe gelegene Ufer zuzupaddeln.

      Das Boot drang in Schilfgras ein, woraufhin irgendetwas panisch hinwegglitt und in den Tiefen des Flusses abtauchte. Dann lief das Boot auf Grund und blieb stecken. Andy sprang hinaus und zog es ein Stück weiter auf das Festland, dann betrat er es wieder, um seine Sachen einzusammeln. Er benutzte dazu eine Art einfachen Rucksack, den er aus zusammengewobenen Fasern hergestellt hatte, nach dem Vorbild von Urvölkern aus Papua-Neuguinea. Überhaupt waren ihm seine Kenntnisse über die Handwerkskunst solcher Stämme schon oft sehr nützlich gewesen. So hatte er sich nach einigen Fehlschlägen Schuhe aus Tierhäuten angefertigt, dazu eine Fellweste und -hose. Er besaß Behälter für Trinkwasser, die momentan allerdings leer waren, und packte Gluck jetzt in einen von ihm gefertigten Sack, der es sich sofort darin bequem machte.

      Andy kniete sich ins Boot und warf einen letzten Blick auf die Stelle im See, wo er die große Gestalt gesehen hatte. Seine Augen verengten sich, als er die jetzt still daliegende Wasseroberfläche absuchte. Es war absolut windstill und das einzige Geräusch war das Summen der Insekten im Schilfgras. Die Sonne wärmte den Boden und er roch schlammige Erde, Pflanzen und ein Dutzend anderer Gerüche. Hätte er das Ding nicht kurz gesehen, würde er gar nicht ahnen, dass es da war.

      Er wusste, dass große Krokodile wie der Deinosuchus und der Mourasuchus in dieser Gegend lebten und ihm sogar aus dem Wasser heraus folgen konnten. Aber sie waren groß, im Extremfall bis zu fünfzehn Metern lang und wogen viele Tonnen, sodass sie langsam waren. Da der Dschungel sehr dicht war, würden sie ihm nicht lange nachstellen können. Er verzog das Gesicht, denn es gab eine Sache, die ihm sehr wohl folgen und ihn fangen könnte, wahrscheinlich sogar, bevor er auch nur fünf Meter geschafft hatte.

      Bitte, lass es keine Titanoboa sein!

      Er wartete ein paar weitere Minuten und wünschte sich, seine Schwester Helen wäre hier, damit er sich mit ihr besprechen könnte. Sie war schließlich die Expertin für das Verhalten dieser Schlange, und es gab auch noch etwas anderes, das er mit ihr besprechen wollte. Warum hatten diese Schlangen nur den Tafelberg bewohnt? Warum bevorzugten sie dieses Gebiet als ihr Zuhause?

      Ein