Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jamie L. Farley
Издательство: Bookwire
Серия: Adular
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961550
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werden, und streckte die Arme aus, um ihr eine Stütze anzubieten.

      Ihre glasigen Augen weiteten sich angstvoll und sie stolperte hastig zur Seite. »N-Nein«, würgte sie hervor.

      »Sie lohnt sich.« Rovan lachte hämisch und griff sich demonstrativ zwischen die Beine.

      Eine Welle von Ekel und Zorn stieg in Valion auf. Er spürte das Verlangen, Rovan mit seinem Dolch zu entmannen und ihm seine eigenen Testikel in den Rachen zu stopfen.

      Die junge Frau nutzte ihre letzten Kräfte und rannte. Weit kam sie nicht. Zwei Pfeile beendeten schnell und gnadenlos ihr Leben.

      Irgendetwas lief entsetzlich schief. Das alles sollte nicht passieren. Blut tränkte Kelnas Straßen. Rovan hatte er längst vergessen. Valions Beine bewegten sich von allein, trugen ihn zu einem Ziel, das er nicht kannte. Egal wohin er blickte, überall lagen Tote. Männer, Frauen, Kinder. Menschen, Zwerge, Waldelfen. Die wenigen Dunkelelfen, die er entdeckte, schienen Sklaven zu sein.

      »Grauwölfe!« Wieder war es die Stimme des Rebellenanführers, die alles durchdrang und ihn sogar in seinem geistesabwesenden Zustand erreichte. »Freie Dunkelelfen, kommt zu mir!«

      Canis Lupus hatte sich vor der Arena platziert. Hinter ihm waren die Leichen der Wachen aufeinandergestapelt. Das Fell des weißen Wolfes, das er stets über seinen Schultern trug, war immer noch rein und unberührt. Der Anführer selbst war blutverschmiert, das graue Hemd und die schwarze Hose nahezu durchtränkt und schwer vor Nässe. Er breitete feierlich die Arme aus. Rote Sprenkeln bedeckten sein tätowiertes Gesicht, ein manisches Grinsen entblößte sämtliche seiner Zähne.

      Valion bemerkte, dass er sich gemeinsam mit den anderen Rebellen und den Dunkelelfen aus der Arena um ihn versammelt hatte.

      »Heute Nacht haben wir einen Sieg errungen«, verkündete Lupus stolz. »Kelna ist gefallen.«

      Die Rebellen brüllten einstimmig. Sie reckten ihre blutigen Fäuste in die Luft, trampelten im Gleichtakt. Valion fühlte sich wie ein Fremdkörper zwischen ihnen. Er blickte auf seine Hände und fand den Kinderschuh des Mädchens. Wann hatte er ihn aufgehoben?

      »Heißt unsere neuen Brüder und Schwestern in unserem Kreis willkommen.« Lupus bedeutete den dunkelelfischen Kämpfern, näher zu treten.

      Sie stellten sich hinter ihm auf. Es waren insgesamt achtzehn, sechs Frauen und zwölf Männer. Die Rebellen jubelten ihnen überschwänglich zu.

      »Sie werden uns fortan zur Seite stehen. Gemeinsam werden wir jeden zermalmen, der es wagt, sich uns in den Weg zu stellen«, rief Lupus. »So wie wir dieses Dorf von der Landkarte getilgt haben, wird es bald jedem Dorf, jeder Stadt Adulars ergehen. Wir werden mächtig sein wie eine Sturmflut, die das Kaiserreich in Blut, Rauch und Feuer versinken lässt.«

      Valion strich mit dem Daumen über die Sohle des Kinderschuhs. Das vielstimmige Johlen der Rebellen dröhnte unangenehm in seinen Ohren.

      Er wird unsere Zukunft nicht besser machen, sondern schlechter. Träge grub sich der Gedanke durch den Nebel in seinem Geist. Er wird jeden töten, der sich gegen ihn stellt. Jeden.

      »… und eines Tages werden wir den Obsidianturm erreichen und Galdir den Thron rauben. Ihr werdet zusehen, wie ich den Kaiser aus dem Fenster stoße und er am Boden zerschellt. Und dann werde ich der neue Kaiser«, brüllte Canis Lupus. »Freiheit den Dunkelelfen!«

      »Lang lebe Kaiser Canis Lupus«, rief einer der Rebellen euphorisch. Die anderen stimmten ein.

      »Freiheit den Dunkelelfen«, jubelten einige von ihnen. »Tod den anderen Völkern!«

      Kaltes Grauen senkte sich wie eine Dolchklinge tief in Valions Herz.

      Nein, sagte seine innere Stimme. Das darf nicht passieren.

      Drei Tage später war die Truppe von Canis Lupus in den Dämmerwald zurückgekehrt. Dieser diente den Rebellen, gemeinsam mit den anderen großen Wäldern Adulars, als Versteck und Rückzugsort. Er war nach dem legendären Nachtwald benannt, dem Reich des gefallenen Gottes Ater. Einem Ort, an dem es niemals Tag wurde, der von Dunkelheit umhüllt und dennoch nicht finster war.

      Ähnlich war es auch hier. Sobald die Nacht über den Dämmerwald hereinbrach, begann die seltsame Flora und Fauna des Waldes zu leuchten, zu glühen und zu funkeln. Die fluoreszierenden Pilze und Blüten schimmerten in eigenartigen Blau- und Grüntönen. Riesige Glühwürmchen, beinahe so groß wie die Faust eines Kindes, trafen sich um Mitternacht mit den ansässigen Irrlichtern zum Tanz. Von den Blättern der immergrünen Bäume ging ein schwaches, dennoch unablässiges Glimmen aus.

      Es war finster im Wald, ohne dass es wirklich dunkel wurde. Das Herz des Waldes bildete der See Ithil, der je nach Mondphase hell leuchtete oder gänzlich schwarz war.

      Valion zog es oft an diesen See. Er empfand das milchig weiße Leuchten, das an diesem Abend nur sehr schwach war, als etwas Schönes und Besänftigendes. Er brauchte die Ruhe, die er hier hatte. Die Ereignisse in Kelna ließen ihn nicht mehr los. Besonders die junge Frau und die beiden Kinder verfolgten ihn.

      Der Dunkelelf hob einen flachen Kiesel auf und ließ ihn über das Wasser springen. Insgesamt vier Mal, bevor er versank.

      Hinter ihm raschelte es, kleine Zweige zerbrachen. Er sah über die Schulter und erblickte einen Waldelfen, der gemächlich auf ihn zuschlenderte.

      Sein Äußeres verstieß gegen jedes Schönheitsideal, das die waldelfische Kultur vorgab. Sein Haar war für einen Mann zu lang und brachte ihm sicherlich spöttische Bemerkungen ein, ob er sich denn für einen Hochelfen hielte. Er ließ sich einen Bart stehen, vielmehr einen Bartschatten. Andere Waldelfen achteten penibel darauf, jegliche Körperbehaarung zu entfernen. Er trug auch nicht die Farben seines Volkes, sondern die Rottöne des hochelfischen Adels. Sein Name war Casas, Valion hatte ihn im Zuge seiner Bemühungen kennengelernt, Verbündete für die Grauwölfe zu finden.

      Lupus hasste es, dass der Waldelf sich in Valions Lager befand. Wenn es nach dem Rebellenanführer ginge, würde das Rudel der Grauwölfe allein aus Dunkelelfen bestehen. Das war einer der Punkte, bei denen Valion immer wieder mit dem Anführer aneinandergeriet.

      Seit sich der Assassine eine hohe Position erarbeitet hatte, versuchte er Lupus klarzumachen, dass sie Verbündete brauchten, wenn sie etwas erreichen wollten. Verbündete mit Einfluss und das waren in Adular eben die anderen Völker. Doch Lupus wollte nichts davon hören.

      Valion war inzwischen egal, ob es ihm passte oder nicht. Ihm war das westliche Lager anvertraut worden und dorthin durfte er einladen, wen er wollte, solange er der Rebellion nicht schadete.

      »Ich wusste, ich würde Euch hier finden«, grüßte Casas.

      Valion nickte ihm zu. »Guten Abend, Casas.«

      Der Waldelf stellte sich neben ihn und zupfte die dunkelroten Samthandschuhe zurecht, die er niemals ablegte. »Ich habe gehört, was in Kelna geschehen ist.«

      Valion musterte ihn von der Seite, ohne seinen Kopf vom See abzuwenden. »Inzwischen spricht wohl jedes der vier Lager darüber.«

      »Wohl wahr. Und alle auf unterschiedliche Art.« Casas hob seinerseits einen Kiesel auf. Er drehte ihn in der Hand, betrachtete ihn von allen Seiten. »Ihr habt den Dorfbewohnern von Kelna Unaussprechliches angetan. Es hätte genügt, die Wachen zu töten, um die Dunkelelfen aus der Arena zu befreien. Aber warum die Dorfbewohner, Valion? Sie waren wehrlos, unschuldig. Haben sie es in Euren Augen wahrlich verdient, so zu sterben?«

      Valion war sich dessen nicht mehr sicher. Vor den Ereignissen in Kelna hätte er geantwortet, dass er dieses Dorf mit Vergnügen brennen sehen würde. Nachdem ihm dieser zweifelhafte Wunsch erfüllt worden war, fragte er sich, warum er ihn jemals ersonnen hatte.

      »Die Dorfbewohner waren stolz auf ihre Arena.« Irgendetwas trieb ihn dazu an, die Vorgehensweise der Grauwölfe zu verteidigen. »Tag für Tag hörten sie den Jubel und das Klirren der Klingen. Tag für Tag sahen sie, wie tote Dunkelelfen herausgetragen wurden. Sie brüsteten sich damit, dass der große Hastor Adaël dort seine Kämpfe ausgetragen und unzählige Dunkelelfen getötet