Waypoint FiftyNine. Sandra Florean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Florean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945230503
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mindestens einmal entwischt. Man machte Witze darüber, dass jemand einen Prexo gezogen hatte, wenn derjenige sein Ziel verlor und es nicht wiederfinden konnte. Auf den Kuranarier waren Kopfgelder von achtzehn verschiedenen Stellen ausgeschrieben gewesen, darunter so prestigereiche Institutionen wie dem Amt für Konstellationskoordination, der Akademie für umgekehrte Ernährung und dem Fischereiverein von Sabylus III. Fitz hatte sie alle eingestrichen, aber warum hatte er etwas geschafft, bei dem jeder andere versagt hatte?

      Vielleicht einfach nur, weil er so unsagbar stur war. Zu dumm, um aufzugeben, wie sein Vater sicher gesagt hätte.

      Egal wie schnell man rennen konnte, das brachte nicht viel, wenn man vor Fitz McGintleroy floh, der niemals müde wurde und niemals aufgab. Irgendwann musste man sich ausruhen. Schlafen. Selbst ein Roboter musste seine Batterien aufladen. Und wenn man dann aufwachte, oder aus seinem Ladezyklus bootete, sah diese zerfallene Ruine von einem Gesicht aus einem einzelnen, milchigen Auge auf einen herab.

      Selbst gestandene Söldner und Piraten hatten bei so einem Erwachen schon die Kontrolle über ihre Blase verloren, was Fitz’ insektoide Passagiere jedes Mal mit überschwänglicher Begeisterung erfüllte. Er fand es doch ein klein wenig beunruhigend, wie gerne sie größere Rassen in Angst sahen. Wenn Fitz begonnen hätte, Leute mit einem Schuh umzubringen, hätten sie ihn wahrscheinlich zu einem Propheten ernannt.

      Das war es doch. Er machte Verbrechern Angst. Er, Fitz McGintleroy, war der dunkle Schatten, mit dem Weltraumpiraten ihren Kindern beim zu Bett bringen Respekt einflößten. Die Gestalt am Horizont, die den Sklavenhändler noch einmal überlegen ließ, ob er sich nicht lieber selbst verkaufen sollte.

      Fitz straffte sich, so gut das mit seinen ausgeleierten Sehnen eben möglich war. Sora hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Er mochte ja zu dumm zum Sterben sein, aber selbst er hatte seine Talente. Selbst ohne seine Nase. Und auch wenn er niemals eine gute Person sein würde, konnte er diese doch zumindest beschützen.

      »Du hast Recht. Ich kann etwas. Ich mache einen Unterschied. Ich bin jemand!«

      Ohne Rücksicht auf seine kleinen Mitbewohner zu nehmen, klatschte er beide Hände auf die Tischplatte und stemmte sich in einer für ihn geradezu unerhörten Geschwindigkeit hoch.

      »Ich bin Fitz McGintleroy und wenn ich nicht sterben kann, dann werde ich eben leben!«

      Er griff sich das Glas mit dem FiftyNiner, das er jetzt seit guten zwei Stunden angestarrt hatte, und leerte es in einem Zug.

      Drei Dinge geschahen gleichzeitig.

      Die geheime Zutat Nummer 16 brannte genug totes Gewebe weg, um Fitz zum ersten Mal in seinem Untod etwas schmecken zu lassen. Er hatte ganz vergessen, dass Dinge einen Geschmack hatten und das Erlebnis kam einer göttlichen Offenbarung gleich.

      Zutat Nummer 38 verursachte den Maden in Fitz’ Magen üble Blähungen, was nicht weiter schlimm war, in einer von ihnen aber den Wunsch weckte, Stand-Up Comedian zu werden und Witze voller Fäkalhumor zu erzählen.

      Geheimzutat 3 und 22 verursachten mit einer ungewöhnlichen Substanz, die in dieser Form nur in Fitz’ Körper vorkam, eine chemische Reaktion, die den Kopfgeldjäger zu faulig riechendem Schleim zerfallen ließ. Er war in diesem Moment noch so mit dem Geschmackserlebnis des FiftyNiner beschäftigt, dass er es gar nicht merkte. Die zähe Masse stieß gelbliche Dampfwolken ab, während die insektoiden Freunde des endlich Verstorbenen sich aus dem Glibber heraus kämpften.

      Bis auf die alten Männer, die noch immer vollauf mit ihrem Trinkspiel beschäftigt waren, starrten alle Gäste des Waypoint FiftyNine auf den Haufen der sich langsam weiter verflüssigte und sich dabei auf dem Boden ausbreitete. Sora hatte sich noch nicht von dem Anblick erholt, als Mora ihr grinsend einen Wischmopp in die Hand drückte. »Ich habe unter dem Magierplenum aufgewischt. Du bist dran, Schwesterchen.«

      Ohne Bier kein Klavier

      (Ein Intermezzo von Jörg Fuchs Alameda)

      

      Zahlungsunfähig eine Weltraumkneipe zu betreten, fühlte sich noch mieser an als der letzte Männerausflug auf der Erde, bei dem Günther und ich den Barfußpfad über die Hundewiese voller Tretminen abgekürzt hatten. Aber da waren wir wenigstens zu zweit gewesen. Nun musste ich alleine nach einem Tisch suchen, während Günther unsere in Bier umgewandelten Tantiemen in der Bordtoilette abführte.

      Ich überlegte noch, ob ich mich ohne Credits überhaupt setzen durfte, da rauschte ein Bierbrunnen über meinen Kopf hinweg. Einer der Landefüße streifte meine in Beton gemeißelte Igelfrisur. Der Brunnen kippte leicht, sodass ein guter Schluck des Gebräus über den Rand schwappte und auf meine Schuhe platschte. Das Pils-Aroma stieg mir in die Nase. Sehnsüchtig folgte mein Blick der Flugbahn des Brunnens, der zuerst über einem menschengroßen Seepferdchen und einem gehörnten Grünling kreiste, dann aber bei einem insektoiden Alien landete.

      Eine der Zwillingsschwestern blieb mit einer Schüssel, deren Inhalt wie frittierte Sardellen aussah, vor mir stehen. »Greif zu! Als Entschädigung für die nassen Füße.«

      Sie lächelte mich herzerwärmend an. Es musste Sora sein.

      »Noch vor meinen drei Abendessen? Da sagt ein Alameda doch nicht nein. Danke!« Ich steckte mir gleich zwei Stück in den Mund und kaute. Sofort wurde mir heiß. Auf der Zunge und in der Nase brannte es. Tränen schossen mir in die Augen. »Schmeckt nach Flammenwerfer«, nuschelte ich und überlegte, wo ich das Zeug hinspucken könnte.

      »Eine Schärfe von einer Million Scoville wird einen Alameda doch nicht etwa umhauen?« Die Bedienung schmunzelte hinterhältig. »Durstig? Das Wasser auf dem Klo kostet nix. Meinetwegen kannst du auch McGintleroys Erdnüsse haben, wenn du hilfst, den Schleim dahinten wegzuwischen.« Sie zeigte auf eine Tischplatte, die fast komplett mit kleinen Schälchen zugestellt war. Darunter kniete ihre Schwester und schrubbte fleißig den Boden. Gelbe Dampfwölkchen stiegen von ihrem Lappen empor. Wieder hielt sie mir die Schüssel unter die Nase. »Nachschlag?«

      Ich schüttelte den Kopf und schluckte, ohne weiter zu zerkauen. Zweifellos war es Mora, die Giftige der beiden Zwillinge, die nun lachend mit dem höllischen Snack davon schritt.

      Nach ihrer Ansage direkt auf die Toilette zu rennen, war mir eigentlich zu peinlich, denn ich wusste, dass es nur eine zusätzliche Stichelei war und Wassertrinken das Brennen noch verschlimmern würde. Trotzdem trieb mich mein glühendes Gesicht in Richtung Ausgang.

      »Du bist ja hart drauf!« Ein Typ im roten Strampelanzug packte meinen Arm und zog mich zur Theke. Da mein Kreislauf rebellierte, nahm ich die Einladung an und setzte mich neben ihn auf einen Barhocker. »Mit naturgefüllten Echsendärmen rührt man den Flaming Lizard um, nur ganz kurz, damit der Cocktail nicht zu scharf wird. Die Dinger isst man doch nicht.« Er schob mir seinen Krug hin. »Hier, zum Feuerlöschen.«

      »Naturgefüllt?« Ich musste würgen. Gierig trank ich den letzten Schluck seines Bieres. Dann knallte ich den Krug auf den Tresen und wischte mit dem Ärmel den Schaum von meinem Mund. »Wenn mein bester Freund mir das Kölsch wegsäuft und mein Verlag mir die Schreibmaschine auf die trockene Kehle setzt, kann ich auch Echsenscheiße fressen. Das kommt gleich in mein Tagebuch der intergalaktischen Weisheiten. Nummer 236.«

      Er klopfte mir auf die Schulter. »Das ist mein Mann! Ich bin Ziggy Stardust. Hat dir schon mal jemand das Leben gerettet?«

      »Nein. War noch nicht nötig.«

      »Dann hast du auch keinen besten Freund. Vielleicht kann ich das ja für dich werden. Wo genau drückt denn das Suspensorium?«

      Das war die Chance, ein Mitleidsgetränk herauszuschlagen. »Ich bin Autor …«

      »Mein Beileid«, unterbrach er mich.

      »Ich war noch nicht fertig. Also ich bin Fantasyautor …«

      Er stand auf. »Sorry, da kann dir niemand mehr helfen.«

      Nun hielt ich ihn am Arm fest. »Ohne Bier kein Klavier! Wie soll ich nüchtern in die


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