Waypoint FiftyNine. Sandra Florean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Florean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945230503
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und legte sie um den Hals. »Here we go: Die ursprünglich behördlich genutzte Weltraumstation Waypoint FiftyNine liegt etwas abseits in unserer Milchstraße. Aus Sicht der Erde am Arsch der Welt. Nachdem der Handel in diesem Sektor stagnierte, kam die Station technisch ein wenig herunter. Durch dubiose Machenschaften gelangte sie in den Besitz von Marik Bick Mack Shornikov, der sie zu einer Kneipe umrüsten ließ, die im Jahr 2268 eröffnet wurde. Viele, aber nicht alle, der Gäste sind so abgeranzt wie das Inventar. Familienausflüge und Kindergeburtstage finden hier definitiv nicht statt.«

      Günther schaute besorgt zu Jörg. »Und hier sollen wir unsere Tantiemen versaufen? Einen Tag vor ihr-wisst-schon-was? Also ich hab keine Ahnung, was er damit meint.«

      »Voldemort-Tag?« Jörg grinste. »Ich hab nicht mehr zugehört, nachdem er das Waypoint FiftyNine erwähnte.«

      »Geht mir auch so. Von einem Bick Mack hat er aber nichts erzählt. Da bin ich mir sicher.«

      Jörg rieb seinen Bauch. »Der Name macht mich hungrig. Mike, was weißt du über den Typen?«

      »Tut mir leid, der Galaxypedia-Artikel zu ihm wurde vor einer viertel Stunde gelöscht. Aber in der Diskussion steht noch etwas. Schon vor dem Waypoint FiftyNine führte er einen legendären Laden, den er aus Gründen dichtmachen musste. Er floh mitsamt der nicht mehr ganz frischen Einrichtung und einem Teil des Personals in diesen abgelegenen Sektor, um den Schankbetrieb wieder aufzunehmen. Bick Mack gehört der Spezies Mensch an. Besonders markant sind seine Augen. Eines ist braun, das andere blau. Man sollte ihm nicht … oh, die Diskussion wurde soeben entfernt.«

      »Wie jetzt! Warum gelöscht? Von wem?«

      »Warum kann ich nicht sagen. Gelöscht wurde es von einem Herrn Hamacher.«

      »Da ist was faul«, sagte Günther.

      »Hat das Riesenbaby etwa die Hosen voll? Ich kann dich ja mal in den Arm nehmen.«

      »Geht’s noch?«, rief Günther empört. »Natürlich nicht. Wir waren überall und nirgendwo und ganz sicher auch schon in gefährlicheren Situationen.«

      »Eben!« Jörg zwinkerte mit einem Auge und schnalzte gleichzeitig mit der Zunge. »Und welche zwei Kumpels sind die größten Dimensionsschleusen-Nerds der Galaxis?«

      »Wir!«

      »Wieder richtig. Außer uns kenne ich keinen, der die Dinger hacken kann, um durch die Zeit zu hüpfen. Wenn es Ärger gibt, fangen wir den Tag einfach von vorne an. Auch wenn mein Magen dann beim Übergang rebelliert.«

      Günther schüttelte energisch den Kopf. »Zeitreisen haben ihre Tücken. Die unternehme ich aus guten Gründen äußerst selten. Aber bei plötzlich verschwundenen Galaxypedia-Artikeln gehen bei mir die Alarmglocken an. Da hat man schnell den eigenen Stammbaum eliminiert.«

      »Der Eintrag hat sich ja nicht von selbst entfernt. Marc hat ihn gelöscht. Außerdem sind wir in die Zukunft gereist. Durch ein Wurmloch. Deinem Stammbaum kann nix passieren.« Jörg setzte seinen Hundewelpenblick auf. »Mike, erklär uns bitte mal, wie das mit den Wurmlöchern funktioniert.«

      Mike öffnete eine holografische 3D-Skizze eines an den Enden breiter werdenden Schlauches und deutete auf dessen Mündungen. »Spezielle Quantenverbindungen zwischen zwei Schwarzen Löchern erzeugen negative Energie, die das Wurmloch zum Waypoint FiftyNine dauerhaft offen halten, indem die umgebende Raumzeit abgestoßen wird. Daher …«

      »Stopp!«, rief Jörg. »Das versteht doch keine Sau. Also was Mike sagen will, der Tunnel verbindet unser Sonnensystem des Jahres 2020 mit dem Ende der Milchstraße 2270. Das ist im Gegensatz zum Hacken von Dimensionsschleusen sicher. In einen beliebigen Tag zu springen, ist nämlich gar nicht möglich. Vergeht ein Tag auf der Erde, so ist auch ein Tag im Waypoint vergangen. Ein starres System, bei dem in diesem Fall immer exakt 250 Jahre zwischen den zwei Raumzeitorten liegen.«

      Günther legte die Stirn in Falten. »Warum will er nicht, dass wir etwas über diesen Bick Mack erfahren?«

      »Ist doch schnuppe. Mike, erzähl mal was über den Schankraum. Die Getränkekarte bringt meinen Kumpel bestimmt auf andere Gedanken.«

      »Also ablenken kann ich ihn auch anders.« Mike breitete die Arme aus, ließ seine Hüften kreisen und grinste uns erwartungsvoll an.

      Günther hielt sich die Augen zu. »Vielleicht können wir ihn in der Kneipe eintauschen?«

      »Schon gut, Spielverderber.« Enttäuscht trat Mike einen Schritt zurück und verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Das Licht ist in der Bar nicht so grell, wie man es auf Raumstationen gewohnt ist, sondern fällt gedämpft auf die zahlreichen, runden Tische, an denen zwei bis sechs Personen Platz finden. Hinter einem langen Tresen befindet sich eine verspiegelte Wand voller Flaschen. Dort wird der FiftyNiner zubereitet, ein hammerharter Drink mit einem Alkoholgehalt von 59 %. Zudem besteht er aus 59 Zutaten, um die sich Legenden ranken. Wer sich nicht gleich den Verstand wegbeamen will, bleibt besser bei den autonomen Bierbrunnen, die auf Bestellung zu den Gästen schweben. Sie umfassen jeweils fünf Liter des köstlichsten Gebräus der Milchstraße …«

      Die beiden Freunde schauten sich feixend an. Günther fand zuerst seine Sprache wieder: »Ich hab genug gehört. Und ich bin durstig!«

      Jörg sah hinter sich auf das Bild von Marc. »Danke, Herr Hamacher! Du bist der tollste Verleger, der je unsere Dartscheibe zieren durfte.«

      »Ich bin noch nicht fertig«, beschwerte sich Mike.

      »Und Tschüss, Magic Mickey Mouse.« Jörg streifte mit dem Finger über das Bedienfeld.

      »Wartet!« Mike schüttelte Hände und Kopf, um Jörg davon abzuhalten, ihn auszuschalten. »Ihr müsst Jack …« Das Hologramm verschwand.

      Günther stieg aus dem Pilotensessel. »Schien wichtig zu sein. Kennst du einen Jack?«

      »Nö.«

      »Dann lass uns gehen.«

      Aufgekratzt verließen sie ihr Schiff. Jörg betrachtete die Furchen, die ihre Kiemeda auf dem Boden hinterlassen hatte und kommentierte mit der Erzählstimme eines Groschenromans: »Ein weiteres Mal riskierte Herr Kienle das Leben seiner Kopfläuse. Erst in letzter Sekunde aktivierte er die Steuerdüsen und verhinderte einen Crash.«

      Günther grinste und zeigte ihm einen Vogel. »Herr Fuchs Alameda hatte eines nicht bedacht. Auf der Raumstation parkt man in Einzelbuchten. Weit und breit stand kein anderes Raumschiff, das Herr Kienle hätte rammen können.«

      »Dein Glück. Aber wenn du wieder mal die Kiste eines Kopfgeldjägers demolieren willst, diesmal bin ich vorbereitet.« Jörg fuchtelte mit seinem Laserschwert herum, das eigentlich nur eine Grillzange war. »Keine Angst, Kumpel, ich pass schon auf dich auf. Hab ich Petra versprochen.«

      »Kümmer dich lieber um deine eigenen lädierten Läuse.« Günther verdrehte die Augen.

      Sie durchquerten den Hangar und betraten einen kleinen Raum. Das Schott schloss sich automatisch hinter ihnen und eine männliche Stimme ertönte aus einem Lautsprecher: »Willkommen im Waypoint FiftyNine. Ich bin Security-Jack, die Sicherheits-KI. Bitte stellen Sie sich auf das Kreuz.«

      Jörgs und Günthers Augen wanderten erfolglos über den grauen Metallboden.

      Die Stimme wurde ungeduldig. »Um Zutritt zu erlangen, müssen meine Anweisungen befolgt werden. Stellen Sie sich umgehend auf das Kreuz!«

      »Hier ist kein Kreuz«, antwortete Günther.

      Missmutig schüttelte Jörg den Kopf. »Ich hasse diese neumodischen Sicherheitskontrollen. Warum nicht auf die gute alte Art?«

      »Etwa ein hässlicher, nach Männerschweiß stinkender Typ, der dir mal kurz an die Glocken fasst?« Günther versuchte Spocks hochgezogene Augenbraue zu imitieren.

      »Ich dachte mehr an ein wohlriechendes Milky Way’s Next Top Model, aber ja.«, sagte Jörg. »Besser als so eine dämliche KI.«

      Das