Waypoint FiftyNine. Sandra Florean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Florean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945230503
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du so einen abgebrochenen Riesen gesehen?«, fragte ich. »Mit dunklen Haaren, Brille und Bart.«

      »Axt?«

      »Nee, keine Axt. Eher so Typ Liebling aller Schwiegermütter.«

      »Ach, so ’ne Weichflöte.«

      »Ey, hör ja auf, meinen Kumpel zu beleidigen!«, rief ich empört.

      »Kein Stress, Mann. Hat sich grad nicht so angehört, als würdet ihr euch übermäßig gut leiden können.«

      »Machst du Witze? Ich liebe diesen Typen! Also nicht so wie meine Frau natürlich.«

      »Versteh schon«, sagte Cap. »Ist ’n Buddy.«

      »Genau.« Ich nickte. »Bester Schreibbuddy.«

      »Erinnert mich ein wenig an Cornelius und Susi. Die beiden streiten sich ebenfalls ständig, sind aber eigentlich ein Herz und eine Seele.«

      »In welchem Genre schreiben die?«, fragte ich.

      »Ähm, war ein blöder Vergleich. Cornelius ist ein Abenteurer und Susi die KI seines Schiffes.«

      Schweigend nahmen wir noch einen großen Schluck.

      Wo in aller Welt steckte dieser Katzenbilder postende Schrumpfhesse bloß?

      Von Pest und Maden und Wollsocken (von Dorothee Stern)

      Cornelius Napoleon Smith hatte ein Problem. Eigentlich hatte er mehrere, doch das Dringlichste war im Moment, dass er in einem stickigen Seuchenschutzanzug auf allen vieren durch einen dunklen Gang kroch und seine Taschenlampe flackerte.

      Würde er das Geld besitzen, hätte er schon längst in einen Luminator der Firma Luxerna investiert – den intergalaktischen Spezialisten für Beleuchtungsangelegenheiten. Aber Cornelius hatte kein Geld. Das war auch eines seiner Probleme.

      »Der Akku deiner steinzeitlichen Taschenlampe steht auf 23 %, mein lieber Cornelius«, teilte seine KI Susi ihm über den Voice Plug mit, über den er mit ihrem Hauptcomputer im Raumschiff verbunden war.

      »Danke, das sehe ich selbst.« Er duckte sich unter einem Stück Beton hindurch, das den Weg kurzzeitig verengte. Diese Tortur dauerte auch schon wieder viel zu lange.

      »Allerdings hast du deine Mission erst zu 33,33 % erfüllt. Das ist schlecht. Nun wäre eine Powerbank oder gar ein paar Ersatzakkus doch ganz praktisch, nicht wahr?«

      »Du bist nicht hilfreich!« Cornelius musste sich auf den Bauch legen, um weiterzukommen. Wenn das so weiterging, würde er niemals ankommen. Und womöglich würde er den ganzen Weg ohne Licht zurück kriechen müssen. Das waren alles andere als rosige Aussichten.

      »Geht das vielleicht auch netter, Cornelius Napoleon Smith? Sonst schalte ich mich auf Standby und du kannst gucken, wie du allein klar kommst mit 23 % Akku auf einem verseuchten, verlassenen Planeten.«

      Super, jetzt war sie wieder eine eingeschnappte KI. »Ich habe nur Tatsachen benannt«, stellte er klar. Da vorne wurde es hell. War da etwa ein Ausgang zu sehen? Hatte das Kriechen endlich ein Ende? »Außerdem, sei doch nicht immer gleich beleidigt.«

      »Ich benenne nur Tatsachen.«

      »Ja, ja.« Cornelius verdrehte die Augen. Der Gang wurde mittlerweile immer enger und ungemütlicher. Hoffentlich war das Licht dort vorne auch echt und keine Einbildung seines Gehirns.

      »22,7 %.« Susi begann, Eye of the tiger zu spielen.

      Er schüttelte genervt den Kopf und schlug ihn sich prompt an der Decke an. »Du bist wirklich nicht hilfreich …«

      Ächzend quetschte er sich durch eine besonders enge Stelle, dann war auf einmal wieder ganz viel Platz. Er konnte sich sogar hinknien. Er musste nahe am Ausgang sein.

      »Auf über 90 % der menschlichen Spezies wirkt dieses Lied motivierend, Cornelius. Sei doch keine solche Spaßbremse«, nörgelte Susi.

      »Ach, sei still!« Cornelius begann, in Richtung Licht zu robben. Es wurde auch Zeit, dass er hier rauskam. Seine armen Knie nahmen ihm das ganze Gekrabbele langsam übel.

      Hätte er gewusst, wie viel Kriecherei dieser Job beinhalten würde, hätte er ihn vielleicht gar nicht angenommen. Eigentlich hatte er während seines letzten Auftrags auf 999K758 genug davon gehabt. Aber die Kasse war so gut wie leer und wenn er nicht dazu übergehen wollte, seine Sammlung an antiken Wollsocken zu verkaufen, musste er jedes Angebot annehmen, das ihm über den Weg kam. Als freiberuflicher, intergalaktischer Archäologe hatte man es eben nicht leicht.

      Susi schmollte und ließ dafür in doppelter Lautstärke Eye of the tiger in Dauerschleife laufen. Ein dezenter Hinweis, dass er für ihren Geschmack zu lahm war.

      Endlich erreichte Cornelius das Ende des Ganges und zwängte sich durch das Loch in der Wand ins Freie. Frische Luft drang durch den Filter seiner Atemmaske und die rote Sonne von R108 schien auf das Plastik seines Schutzanzuges.

      »Susi, scanne die Umgebung. Sind wir schon nah dran?«

      »Wie nah ist für dich nah? In einem Kilometer hast du dein Ziel erreicht. Im Übrigen brennt deine Taschenlampe noch.« Susi könnte sie auch selbst ausschalten, tat es aber nicht. Natürlich nicht. Eingeschnappte Zicke. Cornelius knipste seine Lampe aus und steckte sie zurück in seine Umhängetasche. Das arme Ding war durch den engen Gang ganz schön verdreckt worden, das würde er nachher sauber machen müssen.

      »Welche Richtung?«, fragte er.

      Susi projizierte ihm einen Richtungspfeil auf das Visier seines Schutzanzuges. Sie hielt ihn also offensichtlich für geistig minderbegabt.

      »Folge dem Pfeil.«

      Cornelius verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Er würde es sowieso nur schlimmer machen. Stattdessen begann er, in die angezeigte Richtung zu gehen.

      Wobei Gehen das falsche Wort war. Er musste vielmehr über sämtlichen Schutt, der auf der Straße herumlag, hinüberklettern. R108 war vielleicht einmal schön gewesen, inzwischen war jedoch nichts mehr davon übrig. Seit R108 sich damals vor vierhundert Jahren der Invasion der Menschen entgegengestellt hatte, war es der Bevölkerung übel ergangen. Erst waren sie durch eine Blockade vom Handel abgeschnitten worden, dann waren ihre Herrscher verschleppt worden und zuletzt hatten die Menschen mit einer neuartigen Mutation der Pest infizierte Ratten freigesetzt.

      Innerhalb weniger Jahre waren sämtliche Bewohner der Pest erlegen und die Menschen konnten sich an R108s Ressourcen bedienen. Nun lag der Planet bis auf die Ratten verlassen da und keiner wagte es, eine Wiederansiedlung zu versuchen.

      Susi schwieg immer noch beleidigt, also marschierte Cornelius weiter und weiter und weiter …

      »Du hast dein Ziel erreicht«, ließ sie schließlich reserviert vernehmen.

      Er blieb stehen. »Bist du sicher?«

      Hier war nicht viel, außer Ruinen und Trümmerhaufen. Allerdings konnte man das über so ziemlich jeden Fleck von R108 sagen.

      »Der Scan bestätigt es.« Susi blendete ein Bild ein, das Cornelius als wandelndes Skelett und mehrere, handgroße Striche direkt unter ihm zeigte. Das mussten die Maden sein.

      Cornelius zog seine Umhängetasche über den Kopf und ließ sie auf den Boden fallen, dann kniete er sich hin und begann seine Ausrüstung auszupacken. Klappspaten, Einmachgläser mit Formaldehyd und extra dicke Arbeitshandschuhe, die er sich jetzt überzog. Von den Maden der Gattung Vermis Morbus Aeger gebissen zu werden, würde ihm eine äußerst unschöne Pestinfektion einbringen, die er ohne Geld für eine baldige Behandlung vermutlich nicht überleben würde.

      »Kannst du jetzt bitte mal diese scheußliche Musik ausmachen?«

      Susi stellte die Musik ab. Totenstille trat ein und nur das Heulen des Windes in den Ruinen war zu hören.

      Er klappte seinen Spaten auf und begann zu graben.