»Liebe und Geld haben doch gar nichts miteinander zu schaffen, Papa«, sagte sie. »Jetzt sag mir lieber, wie es Chérie geht.«
»Viel besser.«
Ein weiches Lächeln durchleuchtete ihr zartes Gesicht. »Siehst du, wir haben schon ein bißchen Grund uns zu freuen.«
*
Dr. Norden wurde unterdessen auch einem Verhör unterzogen, das allerdings sehr wohlwollende Formen annahm, als er erklärt hatte, daß er keinen Anlaß gesehen hätte, die Polizei zu rufen, als Juanita gefunden worden war. Er genoß als Arzt einen so guten Ruf, daß man ihm Glauben schenkte, obgleich er diesmal doch ein bißchen geschwindelt hatte.
Juanitas Ringe waren bei Stone nicht gefunden worden. Die Reiseschecks, die er bei sich trug, waren auf seinen Namen ausgestellt worden. Ob das Bargeld Juanita gehört hatte, konnte man noch nicht sagen. Man zeigte sich so verständnisvoll, daß man sie an diesem Tage noch m Ruhe lassen wollte. Dr. Keller war noch nicht eingetroffen, aber der Kommissar hatte in Erfahrung gebracht, daß er mit der Maschine kommen würde, die am nächsten Morgen in München eintreffen würde.
Mit Spannung sah man seiner Ankunft entgegen. Um acht Uhr dreißig sollte die Maschine landen. Der Kommissar hatte sich am Flughafen eingefunden, da ein Name in der Passagierliste, in die ihm Einblick gewährt worden war, ihn stutzig gemacht hatte. Es sollte sich für ihn lohnen, daß er, trotz der vielen Arbeit, die er jetzt zu bewältigen hatte, die Zeit opferte.
Dr. Keller kam nicht allein. In seiner Begleitung befand sich eine junge Dame, die auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit mit Juanita aufwies. Sie wirkte aber forscher und robuster, wenn man sie dann näher betrachtete.
Der Kommissar hielt sich im Hintergrund, während Fee auf Dr. Keller, der ihr von Juanita genau beschrieben worden war, zuging. Er war ein mittelgroßer, unauffälliger Mann, so um die sechzig.
Fee wurde mit einem Blick bedacht, der sie stutzig und wachsam zugleich machte.
»Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie mich abholen, Frau Doktor«, sagte er. »Darf ich Sie mit Mrs. Juanita Stone, geborene Ramirez, bekannt machen?«
Wäre dieser seltsame Blick vorab nicht gewesen, so wäre Fee jetzt wohl völlig aus der Fassung geraten.
»Oh, das ist eine Überraschung«, stammelte sie. »Da wird Mr. Stone sich sicher freuen.« Wieder einmal hatte sie ihre Geistesgegenwart bewiesen, und sie fing ein anerkennendes Lächeln von Dr. Keller auf, das ihn gleich viel sympathischer erscheinen ließ.
»Wie geht es Jim?« fragte die junge Frau.
Der Kommissar war nähergetreten. »Nicht so gut«, beantwortete er diese Frage, worauf sie ihn mit einem erstaunten Blick musterte.
»Baum ist mein Name«, stellte er sich vor, und Fee wurde es bewußt, daß sie auch seinen Namen zum ersten Mal hörte. »Wir mußten Mr. Stone leider in eine Klinik einweisen, da er einen Nervenzusammenbruch hatte.«
»Einen Nervenzusammenbruch«, wiederholte Mrs. Stone, »nun, das ist nicht verwunderlich, er war nie nervenstark. Sind Sie Arzt?«
»Nein, Polizeikommissar, und ich muß Sie bitten, mich zu begleiten, Mrs. Stone.«
»Hat er etwas angestellt? Ist Dr. Barnet nicht bei ihm?« fragte sie argwöhnisch, aber keineswegs verschreckt.
»Nein, Dr. Barnet ist leider nicht bei ihm. Wir hoffen, daß wir ihn bald finden werden.«
Mrs. Stone sah Dr. Keller an. »Würden Sie mich begleiten?« fragte sie nun doch unsicher.
»Das geht momentan nicht, Mrs. Stone. Wir werden uns bestimmt treffen«, erklärte er. »Sie haben nichts zu fürchten.«
»Sie sind in ganz sicherem Schutz«, erklärte Kommissar Baum mit einem zweideutigen Lächeln.
»Was bedeutet das?« fragte Fee verwirrt, als Dr. Keller mit einem erleichterten Seufzer in ihrem Wagen Platz genommen hatte.
»Daß es tatsächlich eine Mrs. Stone gibt, die eine geborene Ramirez ist, Frau Dr. Norden. Es ist kein seltener Name. Man findet schnell ein Mädchen, das so heißt, wenn man es darauf anlegt. Für mich ist es ein purer Glückszufall, daß ich dahintergekommen bin. Sie werden alles erfahren, wenn wir Juanita treffen. Ich möchte die Geschichte nicht ein paarmal erzählen. Dieser Flug war der aufregendste meines Lebens, und ich bin ja nicht mehr der Jüngste. Man scheint hier sehr fix zu sein. Daß gleich ein Kommissar bereitsteht, hätte ich nicht erwartet. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wie man dieses unbedarfte Wesen in Sicherheit wiegen könnte.«
»Ist sie unbedarft?«
»Es scheint so, zumindest was den Geist betrifft. Eine junge Frau, die sich durch eine Heirat Vorteile versprach. Dr. Barnet hat das arrangiert, wie alles andere wohl auch. – Wie geht es Juanita?« lenkte er dann ab.
»Etwas besser.«
»Warum hatte sie nur kein Vertrauen zu mir?« fragte er beklommen.
»Ich glaube nicht, daß es eine Frage des Vertrauens war. Sie wollte ihren
einundzwanzigsten Geburtstag mit ihrem zukünftigen Mann feiern und fürchtete, daß Sie das verhindern würden.«
»Ich hatte leider vielerlei Gründe, gegen jedermann mißtrauisch zu sein, der sich an Juanita heranmachte«, sagte er mit einem schweren Seufzer. »Sie werden diese erfahren. Es hätte schiefgehen können und wie stünde ich dann da? Schließlich bin ich Juanitas Vermögensverwalter, und es gibt keinen anderen Erben als sie und mich. Mich allerdings nur als Letzten, den die Hunde beißen würden, wie man hier sagt. Ich kenne diese Sprichwörter. Ich wäre meines Lebens nicht mehr sicher gewesen, und ich habe mich doch so auf einen ruhigen Lebensabend gefreut.«
Man konnte sagen, daß Fee jetzt gespannt wie ein Flitzbogen war und es kaum noch erwarten konnte, Dr. Kellers Geschichte zu hören.
Zu diesem Gespräch hatten die Behnischs ihr Chefzimmer zur Verfügung gestellt. Der Baron war auch schon in der Klinik eingetroffen. Dr. Keller betrachtete ihn skeptisch, aber Juanita sagte: »Ich wünsche, daß mein zukünftiger Schwiegervater dabei ist, Onkel Theo.«
»Du hast zu bestimmen, Juanita«, sagte er, »aber du gestattest, daß ich dir wenigstens nachträglich zum Geburtstag gratuliere. Die Geschenke sind in diesem Koffer, doch das Wichtigste trage ich bei mir. Da es zugleich auch die offizielle Testamentseröffnung ist, möchte ich dich fragen, ob Zeugen zugegen sein sollen.«
»Doch, das will ich«, erwiderte Juanita mit fester Stimme. »Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben richtige Freunde gefunden.«
»Betrachtest du mich nicht mehr als solchen?«
»Für mich warst du mein einziger Onkel«, sagte sie. »Aber es hat eine Zeit gegeben, in der ich dir auch nicht mehr traute. Verzeihst du mir?«
»Es hätte leicht ins Auge gehen können, mein Kind«, erwiderte er. »Nun, dann fangen wir mal mit dem Testament an. Deine Mutter war ja ein ahnungsloses Wesen, Juanita. Dein Vater hatte sie in nichts eingeweiht. Sie verstand auch nichts von Geschäften. Sie war hilflos, als er starb. Und sie war noch jung und schön. Immerhin hatte dein Vater ein Testament hinterlassen, das dich zur Alleinerbin bestimmte. Das hat Julia gekränkt. Später war sie froh darüber. Nur sagte sie es niemandem, daß sie nur die Nutznießung hätte, auch Barnet nicht, der sie umwarb.
Das Testament ist kurz und bündig. Du erbst ein Barvermögen von drei Millionen Dollar, Liegenschaften im zehnfachen Wert und Land, dessen Wert noch nicht zu schätzen ist. Genügt es dir, wenn ich das einfach so sage? Du bekommst die Aufschlüsselung schriftlich.«
Juanita sah den Baron an. »Siehst du, Papa, wir können deine Schulden leicht bezahlen«, sagte sie mit umwerfender Naivität, die verriet, wie wenig ihr Zahlen bedeuteten.
»Mir ist das peinlich, Kind«, sagte der Baron leise.
»Wieso, wir gehören doch zusammen. Du wirst dich mit Onkel Theo schon anfreunden. Er kann sich auf dem Gut mal richtig erholen