»Warum nicht? Es ist ein Hotel und auch Restaurant. Man kann sehr gut speisen, falls du deshalb gekommen bist.«
Damit hatte er ihr bereits jeden Wind aus den Segeln genommen, denn er war ganz sicher, daß sie nicht deshalb gekommen war. »Ich wollte gerade gehen«, sagte er kühl.
»Es wird dich interessieren, daß ich eine Nachricht von Marian bekommen habe«, erklärte sie nun.
»Tatsächlich? Ja, das interessiert mich. Von wo hat er geschrieben?«
»Von Frankfurt. Ich soll hier etwas für ihn abholen.«
»Von hier?«
»Ja, diese Juanita hat hier etwas für ihn hinterlegt. Bitte, wenn du mir nicht glaubst, hier ist seine Karte und der Hinterlegungsschein.«
Der Baron erkannte die Schrift seines Sohnes, aber diese war nicht flüssig, sondern abgehackt geschrieben.
Liebe Carola, bin in einer schwierigen Lage. Bitte, hole den Koffer vom Jagdschlössel und bring ihn Mittwoch zwölf Uhr zum Flughafen. Ich erkläre Dir alles. Danke. Dein Marian.
»Wie du siehst, hat er es sich anders überlegt. Er hat sich für mich entschieden«, sagte sie triumphierend.
»Nun hängst du da auch drin«, sagte der Baron.
»Was soll das nun wieder heißen?« fragte sie.
Der Baron betrachtete den Umschlag. Er war tatsächlich in Frankfurt abgestempelt mit dem gestrigen Datum. Aber da hatte Marian schon ein paar Tage in der Behnisch-Klinik gelegen.
Jetzt war Joachim von Eickstedt seltsam ruhig. »Möchtest du einen Drink? Wir müssen uns unterhalten, Carola«, sagte er.
Und Sepp raunte er zu, daß er wieder die Polizei rufen solle. Aber Carola schien ganz unbefangen zu sein. Sie zeigte keine Spur von Unsicherheit. Sie hörte sogar sehr gespannt zu, als er erzählte, was Juanita hier widerfahren sei. Als er dann aber sagte, daß Marian schon mehrere Tage schwerverletzt in der Behnisch-Klinik läge, sprang sie auf.
»Wer will mich da aufs Kreuz legen?« fragte sie erregt.
»Ja, das frage ich mich auch, aber das werden diese netten Beamten schon herausbringen.« Der Funkstreifenwagen war schon da. Und Carola war so fassungslos, daß sie den Beamten wortlos folgte, als sie höflich ersucht wurde, mit ihnen zum Präsidium zu fahren.
»Da sieht man mal wieder, wie leicht man einen hereinlegen kann«, brummte Sepp.
Nun, Marian hatte man gewiß nicht leicht hereingelegt. Man mußte ihn gezwungen haben, diese Zeilen zu schreiben. Aber die Gangster schienen sich auch immer noch sicher zu fühlen. Einer von ihnen jedoch nicht. Der saß bereits auf Nummer Sicher und tobte wie verrückt: Jim Stone.
Er war jetzt ein Fall für den Psychiater, aber der Kommissar hegte den Verdacht, daß er dies auch schon früher gewesen war. Er hatte seine Erfahrungen gesammelt. Ein eiskalter Krimineller machte nicht solche Fehler, wie Jim Stone sie gemacht hatte. Nun, eingestehen mußte man, daß auch dabei der Kommissar Zufall eine Rolle gespielt hatte und eine noch bessere der Wastl, der wohl doch das meiste und richtige Gespür hatte.
*
Juanita wich nicht von Marians Bett. Sie lauschte auf jeden Atemzug, und endlich spürten ihre zitternden Finger auch seinen Puls.
Ab und zu strich sie mit dem Zeigefinger leicht über seine Lippen, und atemlos betrachtete sie ihn, als sich diese blassen Lippen nun leicht öffneten.
»Ich liebe dich«, flüsterte er, »nur dich. Angst«, stöhnte er dann aber gleich auf.
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Niemand wird dir hier etwas tun können, Marian«, sagte sie.
»Angst um dich, Chérie.« Damit meinte er auch nur sie, und ein weiches Lächeln legte sich um ihren Mund. Er hatte ihr damals ja geschrieben, daß er die Hündin so nennen würde, damit er oft Chérie sagen könne, und immer waren seine Gedanken dann auch bei ihr. Und nun geriet sie ins Träumen.
»Es wird bald wieder so wie früher sein, Marian«, sagte sie. »Du mußt jetzt viel schlafen. Papa wird dich oft besuchen. Er möchte es gern, daß ich Papa zu ihm sage.«
»Das Geld, er braucht das Geld. Ich muß es holen, Nita.«
»Mach dir keine Sorgen um Geld, Marian, mach dir überhaupt keine. Es wird alles gut.« Immer wieder sagte sie es und streichelte seine zerschundenen Hände.
Er schlummerte wieder ein, aber sein Herz schlug stärker und sein Atem ging ruhiger.
Jenny Behnisch kam leise herein. Juanita schenkte ihr ein liebes Lächeln.
»Er hat mit mir gesprochen«, sagte sie leise. »Er weiß, daß ich bei ihm bin.«
Jenny streichelte ihr Haar. »Es wird alles gut werden, kleine Juanita«, sagte sie mütterlich.
»Das habe ich auch gesagt. Ich glaube daran. Ich habe immerzu gebetet. Es hilft, wenn man betet und glaubt.« Und es gab wieder Menschen in ihrem Leben, denen sie vertrauen konnte.
Dann kam der Baron. Auf Zehenspitzen trat er ans Bett. Er küßte Juanita auf die Stirn.
»Liebe kann Wunder vollbringen«, murmelte er. »Ich bin glücklich, daß du hier bist, Juanita. Du mußt mir viel verzeihen.«
»Ich habe immer gedacht, daß du nicht soviel anders sein kannst als Marian, du bist doch sein Vater.« Sie nahm seine Hand und drückte sie an ihre Wange, und nun war er ruhig und konnte erzählen, was er an diesem Tag schon erlebt hatte.
Sehr nachdenklich war sie geworden. »Sie riskieren viel, Papa«, flüsterte sie.
»Es muß auch um viel Geld gehen, um viel mehr, als ich dachte.«
»Du meinst Stone?«
Sie nickte. »Aber er ist dumm«, sagte sie. »Barnet steckt dahinter, aber er nicht allein. Dr. Keller wird kommen. Vielleicht wird er nun sprechen. Jetzt bin ich ja einundzwanzig.«
»Wann bist du einundzwanzig geworden?«
»Am Silvestertag.« Sie lächelte traurig. »Ich wollte mit Marian feiern.«
Er legte seinen Arm um sie. »Dann hoffen wir nur, daß das neue Lebensjahr besser wird, als es anfing, Juanita«, sagte er.
»Es hat ja schon angefangen, besser zu werden«, sagte sie tapfer.
»Der Kommissar wird dir viele Fragen stellen«, fuhr er nach einem ganz kurzen Schweigen fort. »Stone behauptet wirklich immer noch, daß er mit dir verheiratet sei und daß du die Papiere einfach an dich genommen hast.«
»Es ist alles ganz anders. Es ist eine Teufelei, und die hat Barnet ausgeheckt«, sagte sie. »Aber es wird alles aufgeklärt werden, wenn ich die Dokumente habe. Ich werde sie bald holen.«
»Du gehst nicht hier heraus, bevor die Burschen nicht gefaßt sind, Juanita. Morgen ist Mittwoch, da kann sich auch noch etwas entscheiden.« Und er erzählte von Carola, von der Karte, die ihr geschickt worden war.
»Barnet wußte von Carola«, sagte sie leise. »Er sagte mir, daß ich nicht auf Marian zu warten brauche, er würde Carola heiraten. Das war eigentlich das Schlimmste, das Allerschlimmste. Deshalb zweifelte ich auch an Marian.«
»Da muß Marian schon in ihrer Gewalt gewesen sein. Vielleicht hat er zuerst keinen Argwohn gehegt und mit ihnen normal gesprochen. Ja, nur so ist es doch eigentlich zu erklären. Mag Carola sein wie sie will, ich traue ihr nicht zu, daß sie zu solcher Gemeinheit fähig ist, mit Gangstern gemeinsame Sache zu machen.«
Nachdenklich blickte ihn Juanita an. »Ich habe ja zuerst auch nicht gedacht, daß Barnet so gemein sein könnte. Er ist Arzt, ich mochte ihn nicht, aber daß er kriminell sein könnte, habe ich nicht vermutet. Vielleicht hat Mama etwas herausgebracht, und er brachte sie deshalb um. Tod durch Ertrinken, haben sie gesagt, aber Mama war eine sehr gute Schwimmerin.«
»Was hast du durchgemacht«, murmelte er.