»Ich habe solche Angst«, flüsterte Juanita.
Er bezwang seine eigenen Ängste. »Du darfst nicht denken, daß er mit deinen Feinden gemeinsame Sache macht, Juanita. Nein, das darfst du nicht denken.«
»Aber wenn sie nun ihm etwas angetan haben?«
»Bei ihm ist Chérie«, erwiderte er, alle Kraft zusammennehmend. »Und Marian ist gesund und kräftig, und er ist klug, Juanita.«
»Ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen, das müssen Sie mir glauben«, sagte sie bebend.
»Ich weiß es. Und mich würde es freuen, wenn du nicht mehr Sie zu mir sagen würdest, mein Kind.« Er streichelte ihre Wange, aber er spürte, daß er nicht mehr lange die Fassung bewahren konnte, wenn ihn diese traurigen Augen anblickten. »Ich komme bald wieder, Juanita«, sagte er mit erstickter Stimme, und dann ging er rasch.
Zehn Minuten nach zwölf Uhr betrat er das Gutshaus. Diesmal war Carola mit ihrem Wagen gekommen. Er hatte diesen schon gesehen.
»Ich warte nicht gern«, sagte sie zynisch. »Ich habe mich auch entschlossen, dir noch Zeit zu geben, nachdem ich hörte, daß jetzt polizeiliche Suchaktionen nach Marian eingeleitet sind.«
»Wo hast du das gehört?« fragte er.
»Ein Beamter war bei mir.« Ihre Augen waren ganz eng. »Ich möchte da nicht hineingezogen werden, nur weil ich auf die Jagd gehe.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst. Ich habe deinen Namen nicht genannt. Die Ermittlungen sind deshalb aufgenommen worden, weil Chérie mit einer Schußverletzung gefunden wurde.«
»Und nun wird jeder unter die Lupe genommen, der hier einen Jagdschein besitzt. Aber natürlich hat man auch bereits ermittelt, daß wir eng befreundet sind. Außerdem habe ich erfahren, daß Juanita Ramirez im Jagdschlössel gewohnt hat, und diesbezüglich wurden mir auch einige seltsame Fragen gestellt. Ich möchte jetzt von dir eine Aufklärung haben, Joachim.«
»Ich kann dir keine geben. Du bekommst dein Geld, hier und jetzt, und dann ist diese Angelegenheit erledigt.«
»Meinst du? Meinst du, ich lasse mich ins Gerede bringen?« fragte sie erregt. »Ich will wissen, wo Marian ist. Er soll zugeben, daß er am Silvesterabend nicht bei mir gewesen ist.«
»Wer will denn das behaupten?« fragte der Baron konsterniert.
»Man hat seinen Wagen gesehen. Jedenfalls wird das behauptet. Aber er war nicht bei mir, und ich habe auch nicht auf den Hund geschossen«, schrie sie hysterisch. »Diese Gerüchte kannst du, nur du verbreiten, um mich in Verruf zu bringen!«
»Ich habe nichts gesagt und habe auch kein Interesse daran. Da liegt die Quittung, daß achtzigtausend Euro auf dein Konto überwiesen wurden, und damit sind wir quitt.«
»Und woher hast du plötzlich das Geld?« fragte sie mit einem tückischen Unterton.
»Ich denke nicht, daß ich dir darüber Rechenschaft ablegen muß«, erwiderte er steif. »Du hast nichts mehr gegen uns in den Händen, Carola. Würdest du jetzt bitte gehen? Ich habe zu tun.«
Sie legte den Kopf in den Nacken. »Nun, ich bin sehr gespannt, wie du das Loch stopfen wirst«, höhnte sie. »Ich kann auf den Tag warten, an dem du mit nichts von hier gehen wirst. Es wird ein Freudentag für mich sein.«
»Und für mich ist es sehr lehrreich, daß du dein wahres Gesicht gezeigt hast. Ich bin sehr froh, daß Marian dies früher erkannte.«
Als dann krachend die Tür ins Schloß flog, zuckte er nicht mal zusammen.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und dachte nach. Als er eine Stunde später das Haus wieder verließ, hatte er zwei versiegelte Briefumschläge bei sich. Er fuhr zum Jagdschlössel, um nach Chérie zu sehen.
»Es geht ihr schon besser«, sagte Kathi. »Der Wastl weicht ja nicht von ihr. Und mein Mann tut auch alles, um sie wieder auf die Beine zu bringen. Was Dr. Gellert gesagt hat, wird getan. Er kommt dann auch wieder vorbei.«
»Sie würden Chérie hierbehalten, Frau Hoflechner?« fragte er.
»Aber freilich, da brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, Herr Baron.«
Chérie lag neben dem Kachelofen im kleinen Wohnraum, und Wastl saß neben ihr. Wachsam spitzte er die Ohren, als der Baron eintrat, aber dem gestattete er, die Hündin zu streicheln, die darauf zaghaft mit dem Schwanz wedelte, so schwach sie auch noch war.
»Wenn du doch reden könntest, Chérie«, sagte der Baron leise. »Wenn du doch sagen könntest, wo dein Herrchen ist.«
Da gab Chérie ein leises klagendes Jaulen von sich, und es schien, als wolle sie sich erheben, aber schwach, wie sie war, sank sie wieder zurück. Und Wastl legte seinen Kopf schief und schaute den Baron an, als wolle er sagen: ›Wenn ich doch nur was wüßte‹.
Sepp Hoflechner kam leise herein. »Der Herr Kommissar ist grad gekommen, Herr Baron. Er hätte Sie gern mal kurz gesprochen, wenn Sie schon hier sind. Da spart er sich einen Weg.«
Hilflos sah ihn der Baron an, und Sepp deutete die Qual in seinen Augen richtig. »Das Auto vom jungen Herrn Baron haben sie gefunden«, sagte er. »Ich meine, wenn wir den Wastl darauf ansetzen würden, könnte er eine Spur finden. Aber ob er jetzt Chérie im Stich läßt – Hunde haben ihren eigenen Charakter.«
»Ich werde erst hören, was der Kommissar sagt.«
Der Wagen war auf einem Parkplatz in der Innenstadt gefunden worden. Er wies keine Beschädigungen auf. Es sei nicht auszuschließen, daß ihn Marian selbst hier abgestellt hätte, erklärte der Kommissar. Es könne ja sein, daß er dann eine Verabredung gehabt hätte.
Wo, das war die große Frage. Restaurants und Hotels gab es hier in Massen. Ja, wenn Chérie auf den Beinen wäre, könnte sie vielleicht weiterhelfen, aber mit ihr konnte man noch nicht rechnen, und von Marian gab es nicht die geringste Spur.
Dann wurde der Kommissar zu seinem Wagen gerufen. Ein wichtiges Gespräch schien ihn sehr nachdenklich zu stimmen.
»Wir werden jetzt zur Behnisch-Klinik fahren, Herr Baron«, sagte er.
»Ist etwas mit Juanita?« fragte der Baron mit erstickter Stimme.
»Ach ja, über Fräulein Ramirez müssen wir auch noch sprechen, aber es handelt sich jetzt um etwas anderes«, erwiderte der Kommissar.
»Hat man meinen Sohn gefunden?«
»Es könnte sein.«
»Lebt er?« fragte der Baron.
»Sie sollen erst mal feststellen, ob es sich um Ihren Sohn handelt. Ja, der Mann lebt, allerdings ist er verletzt.«
»Gott gebe, daß er lebt«, flüsterte der Baron, und dann erst wurde ihm bewußt, daß man von der Behnisch-
Klinik gesprochen hatte.
*
Dr. Behnisch und seine Frau Jenny hatten es noch nicht erlebt, daß ein so Schwerverletzter plötzlich aufstehen wollte. Schwester Martha hatte Sturm geläutet, und Dr. Behnisch kam angerannt. Der Arzt hatte schon eine Injektion bereit, als der Patient mit einem Schmerzenslaut wieder zurücksank.
»Ich bin blind«, stammelte er. »Ich kann nicht sehen.«
»Sie werden wieder sehen können«, sagte Dr. Behnisch beruhigend. »Ihre Augen waren so stark entzündet, daß sie verbunden werden mußten.«
»Ich muß zu ihr«, stöhnte der Kranke, »wo bin ich überhaupt?«
»In der Behnisch-Klinik.«
»Warum?«
»Weil Sie schwerverletzt gefunden wurden. Können Sie uns sagen, wie Sie heißen?«
»Wie ich heiße? Wissen Sie das nicht?«
»Nein,