Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
Скачать книгу
sind dazu imstande, und davor fürchten sich nun mal die meisten.

      In Roans Ausdruck schleicht sich eine Bosheit, die mir durch Mark und Bein geht. Was hat er verflucht noch mal vor?

      Er klatscht in die Hände und ruft: »Lasst ihn herein.«

      Was? Wen meint er? Doch wohl nicht Finn, oder?

      Da schwingen die großen Flügeltüren auf und tatsächlich blicke ich in das Antlitz von Finn, von dem ich dachte, es nie wieder zu sehen. Freude und Erleichterung überkommen mich, als er lebend vor mir steht.

      Gerade will ich aufstehen, vollkommen ignorierend, ob das überhaupt erlaubt ist, als Lokris so fest meinen Arm packt, dass ich fast aufgeschrien hätte. »Ich würde dir raten, das zu lassen, wenn du deine Hand nicht ganz verlieren willst.«

      Seine Stimme klingt so bedrohlich, dass es selbst mein Glücksgefühl verschwinden lässt. Beinahe hätte ich wirklich vergessen, wo ich mich befinde und wie leicht ich dem Imperator eine perfekte Vorlage für einen grausamen Akt gegeben hätte. Ihm hätte es vermutlich gefallen, mir vor den Augen aller anderen die Hand abzuschneiden.

      Zwei Soldaten flankieren Finn und halten ihn fest. Seine Beine zittern, als hätte er Mühe zu stehen. Seine Haut ist noch blasser geworden, und durch das Licht der Kristallleuchte über uns nehme ich einen leicht gräulichen Ton darin wahr. Genau denselben besitzt auch der Imperator.

      Was hat Roan mit ihm angestellt? Doch etwa keine Experimente mit der Kraft von portes tenebra? Wollen sie ihn auch zu einem gefühllosen Monster machen?

      Mir wird abwechselnd heiß und kalt, je intensiver ich darüber nachdenke. Finns Blick wandert vom Imperator zu Torava, seinen Kindern und schließlich bis zu mir.

      Als er mein Gesicht wiederzuerkennen scheint, stelle ich fest, wie sich sein ganzer Körper versteift. In seinen Augen bemerke ich dieselben Gefühle wie meine, die in mir förmlich explodiert sind, als er den Raum betrat. Erleichterung, Freude, Sehnsucht.

      »Du hast einen Platz neben deiner Familie«, weist Roan ihn an, und ein Diener schiebt einen Stuhl neben Finnicars zurück.

      »Erfüllt es Euch nicht mit Freude, Euren tot geglaubten Sohn wiederzusehen, Ganora? Falls Ihr Euch danach sehnt, ihn in Eure Arme zu schließen, dann sei es Euch erlaubt, aufzustehen«, höre ich den Imperator mit seiner kalten Stimme sagen.

      Die Familie Bassett fühlt sich beinahe schon aufgefordert, sich von ihren Plätzen zu erheben, auch wenn ich Furcht in ihren Augen erkenne. Sie sind innerlich misstrauisch gegenüber den Behauptungen von Roan, da dieser Finn angeblich mit seiner heiligen Quelle wiederbelebt hat.

      Dabei war es eine der Teilschöpfungen, die ihn zurückholte. Wollen sie dem Adel weismachen, dass in Wahrheit portes tenebra das Gute ist? Daran kann ja wohl nicht einmal die Familie Bassett glauben, oder?

      Ich beobachte gespannt, wie Ganora langsam auf ihren Sohn zugeht und ihn entsetzt anblickt. Finns Miene bleibt hart, als würde er nicht wollen, dass seine Gefühle nach außen dringen.

      Nach einer geschlagenen Minute legt sie schlussendlich doch ihre Arme um ihn und drückt ihn kurz, bevor sie ihn wieder loslässt. Behutsam berührt sie seine Wange, als wäre diese zerbrechlich wie Glas. Anschließend fragt sie ihn flüsternd etwas, das ich von Weitem nicht verstehe.

      Finn nickt nur.

      Finnicars reicht seinem Sohn die Hand und drückt diese fest, wobei sein Gegenüber zusammenzuckt und sich den Arm an den Bauch hält. Hat er etwa Schmerzen? Ob er noch Wunden an seinem Körper trägt?

      Mich überkommt der Wunsch, Finn in meine Arme zu schließen, ihn dann zu packen und mit ihm durch die Flügeltüren zu fliehen. Ich bin so erleichtert, dass es ihm gut geht, da ich mir bereits viel grauenvollere Dinge ausgemalt habe.

      Seine Schwester Carora zieht ihn ebenfalls kurz an sich, bevor sie sich mit einem unechten Lächeln von ihm löst und zurück an ihren Platz geht. Die Soldaten bringen Finn an den Tisch und er verzieht vor Schmerz das Gesicht, als er sich setzen muss.

      »Auch wenn Euer Sohn wieder unter den Lebenden weilt, hat er dennoch eine Strafe zu verbüßen. Er widersetzte sich dem Imperium und tötete eine Sicaria, weshalb er vorerst im Kerker verweilen wird«, verkündet der Herrscher.

      Ganora legt jedoch eine selbstbewusste Miene auf und hebt achtungsvoll das Kinn, als sie sich dem Imperator zuwendet. »Aber war es nicht die Abtrünnige, die meinen Sohn mit Runenmagie manipulierte und ihn dazu zwang, diese Taten auszuführen?«

      Der Anflug eines gehässigen Lächelns schleicht sich für den Moment in das Gesicht des Monsters. »Wollt Ihr ihn das nicht selbst fragen?«

      Finns Muskeln spannen sich sichtbar an und ich werde ebenfalls furchtbar nervös auf meinem Sitz.

      »Erzähl uns die Wahrheit, Finnigan Bassett.«

      Mein Mund wird ganz trocken, als ich vollkommen hilflos zu Finn blicke. Ich kann ihm in dieser Situation nicht helfen, da er sich nur auf eine der beiden Seiten stellen kann. Auf die der Familie oder meine. Doch wenn er schlau ist, lässt er mich als das Böse dastehen, damit er nicht noch mehr Probleme bekommt. Ich würde es ihm niemals verübeln, weil ich die Wahrheit bereits kenne.

      Finn überlegt einen Moment, und sein Gesicht verfinstert sich. »Ich sehe hier nur ein Monster, das bestraft werden muss.«

      Roan, Lokris und Lokrezia sind plötzlich mehr als amüsiert über diese Unterhaltung, während meine Nerven beinahe vor Spannung zerreißen.

      Der Imperator sieht ihn herausfordernd an. »Würdest du bitte dieses Monster benennen?«

      »Ihr seid das Monster«, wirft Finn dem Herrscher erbost an den Kopf.

      Während ich bereits nichts Gutes ahne, tauschen Roan und sein Vater einen kurzen Blick aus und ich bemerke, wie der Sohn unter dem Tisch eine Handbewegung macht, als beschwöre er irgendwelche Kräfte herauf.

      Finn stößt einen wehleidigen Schrei aus und hält sich verkrampft den Bauch. An seinem hellen Hemd, das er unter dem Harnisch trägt, erkenne ich Blutflecken, die immer größer werden. Roan reißt mit seiner Magie die Wunden auf und foltert Finn damit.

      Nein, bitte nicht! Nicht hier! Ich kann nicht mit ansehen, wie er vor allen anderen gedemütigt wird und Schmerzen erleidet.

      Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, erhebe ich mich abrupt von meinem Platz und sehe flehentlich zu Roan und dem Imperator. »Bitte, hört auf!«

      Sein Sohn wirkt über meine Reaktion vergnügt, als hätte er sie erwartet. »Wieso sollte ich? Er ist ein Gesetzesbrecher, Cousine. Genau wie du.«

      Entsetzte Laute grollen über den Tisch, als Roan meine Verwandtschaft mit dem Imperator preisgibt, die mich noch immer zutiefst erschüttert. Wer es vorhin durch Lokrezias Bemerkung nicht begriffen hat, der weiß es jetzt.

      Der Herrscher lehnt sich in seinem Thron zurück und klärt die unruhige Menge auf. Selbst in Finns Augen bemerke ich, dass er gerade nicht versteht, was hier vor sich geht. »Ravaneas Mutter, Ravatoria, die vor sehr langer Zeit beschlossen hat, dem Palast den Rücken zu kehren, ist die Schwester meiner Gattin Torava. Deshalb gehört Ravanea nun zur Familie.«

      Wieder wird der Adel am Tisch unruhig, auch wenn er über die Erklärung mehr als schockiert ist.

      Der Imperator scheint jedoch mit seiner Rede noch nicht fertig zu sein. »Doch auch Familienmitglieder werden bestraft, wenn sie entgegen unseren Gesetzen handeln, denn diese gelten für jeden Einzelnen im Imperium.«

      Natürlich. Darauf hätte ich selbst kommen können. Er macht mich zum perfekten Beispiel für seine Gleichberechtigung und Härte. Der Adel soll nicht glauben, dass ich verschont werde, nur weil ich zur Familie des Imperators gehöre. Damit stellt er sich als gerechter Herrscher dar, der er aber nicht ist. Ihm ist mein Leben vollkommen gleichgültig, das von Danev allerdings nicht.

      ›Was der einzige Grund ist, weshalb du noch lebst. Aber das weiß er, deshalb bin ich mir sicher, dass er dir nur so weit wehtun würde, wie du es ertragen kannst. Noch mal lässt