»Eine Nacht?«, hakte Roan nach.
Seg nickte.
»Morgen tun wir so, als wäre nichts passiert?«
Ein weiteres Nicken.
Roan stürzte den Rest seines Biers hinunter, griff nach seinem Geldbeutel, zog ein paar Zwanziger heraus und klatschte sie auf den Tisch, bevor er aufstand.
»Geh voraus«, wies er Seg an.
Das Grinsen auf Segs Gesicht erweckte Roans Schwanz schlagartig zum Leben.
Oh ja. Das war definitiv eine gute Entscheidung.
***
Colton Seguine – der während seiner frühen Hockey-Jahre den Spitznamen Seg erhalten hatte – würde sein Handeln morgen wahrscheinlich bitter bereuen, aber jetzt gerade, als er vor seinem Haus hielt, fiel ihm kein einziger Grund zur Reue ein.
Na ja, abgesehen davon, dass er innig hoffte, niemand hatte gesehen, wie er den heißen Typen anbaggerte, der ausgesehen hatte, als bräuchte er etwas, das ihn von seinen persönlichen Problemen ablenkte.
Genau. Weil das der Grund gewesen war, warum Seg ihn angegraben hatte.
Das hatte er zum ersten Mal gemacht.
Einen Mann in der Öffentlichkeit angeflirtet.
Einen Mann, bei dem er noch nicht einmal sicher gewesen war, ob er schwul war. Er war ein gewaltiges Risiko eingegangen, aber der Mann hatte etwas an sich gehabt, das ihn gelockt hatte. Seg hatte fast eine Stunde versucht, das Verlangen nach einem Gespräch mit ihm zu ignorieren, doch letztendlich war er nicht imstande gewesen, ihm zu widerstehen.
Von der Sekunde an, als er von seinem Tisch aufgestanden war, um auf ihn zuzugehen, hatte er gewusst, dass sein Handeln das Potenzial hatte, den restlichen Verlauf seines Lebens zu verändern. Doch er hatte es trotzdem getan.
Sah so aus, als hätte sich das Risiko gelohnt.
In seinem Rückspiegel beobachtete er den großen blauen Chevrolet mit dem verflucht heißen Typen am Steuer, der hinter ihm zum Stehen kam.
Nope. Keine Reue.
Noch nicht.
Von dem Moment an, als er Roan Gregory in der Sportbar entdeckt hatte – mit seinem dunkelblonden Haar, den dazu passenden bernsteinfarbenen Augen und dem klassisch attraktiven Gesicht –, war Seg fasziniert gewesen. Und damit meinte er Ich schleiche mich zur Toilette und werde erst mal diese verrückte Lust los-fasziniert. Fasziniert genug, um Roan eine Stunde lang zu beobachten, bevor er all seinen Mut zusammengenommen hatte, um ihn anzusprechen. Das allein hatte schon unfassbar viel Überwindung gekostet, da er auf das Bekanntwerden seines Interesses gern verzichten konnte. Zumindest bei jedem anderen als Roan Gregory.
So zu tun, als wäre man nicht interessiert, erforderte Raffinesse. Seg hatte das vor langer Zeit perfektioniert.
Obwohl er wusste, was passieren konnte, wenn er seinem sexuellen Verlangen nachgab, hatte Seg nicht widerstehen können. Dieser Mann hatte etwas Dunkles und Faszinierendes an sich. Etwas, das den Wunsch in ihm weckte, die grüblerische äußere Hülle zu entfernen und den sexy Kerl darunter freizulegen.
Zum Glück hatte Seg sich nicht in seinem Stammlokal aufgehalten. Wären sie im Penalty Box gewesen, hätte Seg sich ihm überhaupt nicht nähern können, denn dort hätte man ihn sicher erkannt.
So war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.
Und jetzt standen sie vor Segs Haus.
Besserer Ort, perfekte Zeit.
Nachdem er aus seinem Range Rover gestiegen war, umrundete Seg seinen Wagen, um Roan zwischen den beiden Autos zu begegnen. Er war fassungslos, dass Roan ihm gefolgt war. Während der zehnminütigen Fahrt zurück zu seinem Haus hatte er erwartet, er würde irgendwann abbiegen und verschwinden. Doch das hatte er nicht getan, was bedeutete, dass Eine Nacht, keine Verpflichtungen für Roan genauso gut klang wie für ihn.
Seg ging voraus und stieg die breite Betontreppe zur Vordertür hinauf. Er tippte den Code ein, um den Riegel zu öffnen, dann drehte er den Knauf und wartete, bis Roan an ihm vorbeigegangen war. Dabei gelang es ihm, so zu tun, als wäre das normal, als würde er das jeden Tag tun. In Wahrheit hatte er noch nie einen Kerl in einer Bar abgeschleppt. Tatsächlich hatte er in seinem Leben erst mit zwei Männern geschlafen und in beiden Fällen war viel zu viel Alkohol im Spiel gewesen – und zwar bei beiden Parteien. An die tatsächlichen Ereignisse erinnerte er sich kaum noch.
Aus irgendeinem merkwürdigen Grund wollte Seg die Erinnerung an diese Nacht behalten. Er wollte sich so lange daran zu erinnern können, wie es nur möglich war. Vielleicht wurde er einfach alt und hatte den gleichen alten Mist langsam satt. Oder – und das war die wahrscheinlichere Antwort – er hatte es satt, jemand zu sein, der er nicht war.
Der anhaltende Signalton seiner Alarmanlage brachte Seg dazu, zu dem Tastenfeld neben der Tür zu eilen. Hastig tippte er die Zahlenfolge ein, um das System zu deaktivieren. Als er sich wieder umdrehte, ließ Roan seinen Blick durchs Zimmer schweifen.
Seg betrachtete Roan, während dieser alles auf sich wirken ließ. Das kurze Haar des Mannes war völlig zerzaust, als wäre er häufig mit den Fingern hindurchgefahren. Was Segs Beobachtungen im Rückspiegel nach auch der Fall war. Er hatte keine Ahnung, was den Kerl so beschäftigte, aber was auch immer es war, musste schwer auf ihm lasten, denn er wirkte verzweifelt.
Daher hatte Seg sich auch so dreist an Roans Tisch gesetzt.
Und jetzt, hier, sah Roan irgendwie etwas entspannter aus, außerdem unfassbar lässig in seinem marineblauen Polohemd, das sich an einen gut definierten Oberkörper schmiegte, und der dunklen Jeans, die einen sehr beeindruckenden Hintern betonte.
Was tat dieser Kerl beruflich?
Moment. Das spielte keine Rolle. Das hier war eine einmalige Sache. Es sollte nicht durch persönlichen Mist ruiniert werden.
Seg musste nicht wissen, ob der Mann verheiratet oder geschieden war oder sich gerade von einer schlimmen Trennung erholte. Er musste nicht wissen, wo Roan wohnte und arbeitete, ob er viel Zeit mit seinen Freunden verbrachte oder sich gut mit seinen Eltern verstand. Er wusste, dass der Kerl alt genug war, um zu trinken, dass er keinen Ehering trug und höllisch sexy war. Außerdem schien er recht überzeugt davon zu sein, dass diese Sache zwischen ihnen in ein paar Stunden ihren Reiz verlieren würde.
Oh ja, sie würden heute Nacht viel Spaß haben.
»Lust auf ein Bier?«, schlug Seg vor, da er die Anspannung in Roan spürte.
Ja, das hier war ein Aufriss. Daran gab es keinen Zweifel. Er würde nicht so tun, als wäre es etwas anderes. Roans Reaktion nach zu urteilen hatte, er nichts gegen einen One-Night-Stand, was Seg hervorragend in den Kram passte.
Und er wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als Roan ihn erkannt und trotzdem einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Oftmals, wenn er Gespräche mit Männern führte – hetero, homo, was auch immer –, wäre er zu diesem Zeitpunkt bereits in eine Fachsimpelei über Hockey verwickelt worden, obwohl er nicht wirklich auf Reden aus war.
Groß, goldblond und grüblerisch war genau nach seinem Geschmack.
Apropos Geschmack…
Bevor er sich in Richtung Küche umdrehen konnte, schlenderte Roan zu ihm hinüber und blieb kaum einen Meter von ihm entfernt stehen. Er war ein paar Zentimeter kleiner und wahrscheinlich gute 15 Kilo leichter, was Seg extrem gut gefiel. Obwohl Roan eine intensive Alpha-Aura ausstrahlte, wusste Seg, dass er hier die Oberhand haben würde. Ganze zehn Sekunden lang musterte Roan ihn mit diesen goldenen Augen und Seg wartete ab, was er zu sagen hatte.
Hatte er seine Meinung geändert? Würde er anfangen, über Hockey zu reden?
»Ich