Schutzpatrone. Rudolf Trink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Trink
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960743026
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Untersuchungen nicht einbezogen. Es gibt für mich aber ein paar Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau Tolser und ich würde gerne noch einige private Recherchen dazu anstellen.“

      „Ich glaub, das bringt nichts mehr. Mein Bub ist tot und die Zeitungen werden ihre Anschuldigungen nicht aufgeben. Für die ist und bleibt er ein Mörder.“

      „Frau Locher, ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich etwas herausfinden werde, was die Unschuld Ihres Sohnes beweist. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass ich die Angelegenheit in alle Richtungen sehr sorgfältig untersuchen würde – aber natürlich nur, wenn Ihnen das auch recht ist.“ Obwohl er seine Gesprächspartnerin nicht sehen konnte, spürte Rumpler in der Pause, die plötzlich eintrat, dass sich die Stimmung von Frau Locher zu seinen Gunsten verschoben hatte.

      „Können wir uns treffen?“

      „Ja, sicher. Wo wäre es Ihnen denn recht?“

      „Kennen Sie den Enkplatz in Simmering? Ganz in der Nähe ist ein Kaffeehaus, in das ich manchmal geh. Und bringen Sie einen Ausweis mit, damit ich weiß, dass Sie wirklich früher bei der Kripo waren und nicht ein Zeitungsreporter sind. Von denen hab ich nämlich wirklich genug.“

      „Natürlich. Wann wär Ihnen denn das Treffen recht?“

      „Morgen früh um neun Uhr. Das Café heißt Hagel. Melden Sie sich beim Kellner, wenn Sie da sind, und er bringt Sie dann zu mir.“

      „Das mach ich. Danke, Frau Locher, und bis morgen.“

      „Bis morgen.“

      Rumpler atmete auf. Die ärgste Hürde war geschafft. Er nahm sein Moleskinbuch zur Hand, blätterte es durch und machte noch einige Eintragungen, bevor er sich den in den letzten Tagen etwas vernachlässigten Erfordernissen seines Haushalts widmete.

      *

      9.

      Der ziemlich große Enkplatz, der von einer mächtigen hellen Kirche mit zwei Türmen dominiert wurde, lag etwas zurückversetzt an der sehr belebten Simmeringer Hauptstraße. Rumpler kannte die Gegend von seinen früheren Einsätzen her, aber das Café Hagel selbst kannte er nicht. Es war eigentlich kein klassisches Café, eher das, was man früher gern als Espresso bezeichnet hatte, weil das moderner klang. Schon von außen verströmte es das Flair der Sechziger Jahre und kaum war Rumpler eingetreten, als sich für ihn dieser Eindruck noch weiter verstärkte. Über dem Tresen war ein Leuchtschild mit einer Werbung für Santora Kaffee angebracht, auf den Resopaltischen standen leicht verstaubte Kunstblumen und die Leuchten des Cafés waren aus Plexiglas. Trotz seines wenig einladend wirkenden Äußeren war das Café Hagel ziemlich gut besucht. Hier kannte wohl jeder jeden und bei Rumplers Eintreten blickten alle neugierig auf. Er ging zum Kellner, der hinter dem Tresen hantierte, einem mageren Mann mit einem leicht gekrümmten Rücken und schweren Augenlidern, der Rumpler nur ganz kurz taxierte und ihn dann sofort ansprach. „Is irgendwas net in Ordnung, dass die Polizei zu uns kommt?“

      Als junger Polizeibeamter hatte Rumpler noch darüber gestaunt, mit welcher Treffsicherheit die Tätigkeit bei der Polizei ihm und seinen Kollegen speziell durch Kellner und Kellnerinnen zugeordnet wurde, mittlerweile aber kam ihm das völlig normal vor.

      „Nein, nein, alles in Ordnung. Ich bin schon in Pension und treff mich hier mit Frau Locher.“

      „Aber Sie waren bei der Polizei.“

      Es war eine mit großer Sicherheit getroffene Feststellung, keine Frage.

      „Ja.“

      „Hab ich mir gleich gedacht. Da bleibt immer was zurück, ob Sie wolln oder nicht. Ich bring Sie jetzt zur Frau Locher.“

      Rumpler folgte dem Kellner, der ihn zu einem in der Ecke des Lokals stehenden Tisch führte, an dem eine ältere Frau mit glanzlosem grauem Haar, deutlich eingekerbten Mundwinkeln und müden Augen saß. Ihre abgearbeiteten Hände, die sie vor sich auf dem Tisch liegen hatte, zitterten leicht. Rumpler begrüßte sie und zog seinen Ausweis hervor.

      Sie winkte ab. „Is schon gut. Ich hab schon gsehn. Das passt schon.“

      Rumpler, dessen Äußeres meistens vertrauenserweckend wirkte, sah, dass sie bisher nur ein Achtel Sodawasser, also vermutlich die billigste Konsumation auf der Speisekarte, vor sich stehen hatte. „Möchten Sie einen Kaffee oder vielleicht auch eine Kleinigkeit zum Essen dazu?“

      „Eine Melange, bitte. Zum Essen mag ich nichts.“

      Rumpler bestellte ihren gewünschten Kaffee und für sich sein übliches Vorsichtsgetränk in ihm unbekannten Kaffeehäusern – einen kleinen Espresso. Quasi zur Probe. Bevor er sich auf eine Melange einließ.

      Noch bevor der Kellner das Gewünschte gebracht hatte, setzte sich Frau Locher ganz nach vorne auf die Sesselkante und sah Rumpler mit einer irritierenden Direktheit in die Augen. „Warum interessiern Sie sich für den Fall?“

      „Ich war über zwanzig Jahre bei der Kripo tätig. Mit der Zeit entwickelt sich da ein Gefühl, ob ein Fall wirklich gelöst und damit auch abgeschlossen ist. Hier hab ich dieses Gefühl nicht.“ Rumpler hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. „Ich glaub, den Zeitungen hat der Tod Ihres Sohnes“, er vermied ihr gegenüber das Wort Selbstmord, „ganz einfach in den Kram gepasst und sie haben eine Geschichte draus gemacht. Für mich sind das alles nur Spekulationen und ich hätt gern Gewissheit.“

      Sie seufzte. „Das würd ich mir weiß Gott auch wünschen. Mein Bub hätt nie und nimmer wen umbracht, da bin ich mir ganz sicher, aber ich hab trotzdem so ein komisches Gefühl, weil er hat sich ja bei der Polizei und auch mit seinem Abschiedsbrief selbst beschuldigt.“

      „Frau Locher, wenn ich mir einen Fall anschau, dann weiß ich nie, wie das ausgeht. Vielleicht kommt heraus, dass ihr Sohn tatsächlich was mit dem Verschwinden von Frau Tolser zu tun gehabt hat. Ich kann das nicht ausschließen.“

      Sie schüttelte fast unwillig ihren Kopf. „Das versteh ich schon. Es kann natürlich sein, dass ich als Mutter blind bin für die Wahrheit. Es wär mir aber trotzdem recht, wenn Sie sich das Ganze noch einmal anschauen täten.“

      „Wissen Sie vielleicht, wie Ihr Sohn Frau Tolser kennengelernt hat?“

      „Ich glaub, das war in Oberösterreich oder Salzburg vor gut zwei Jahren. Mein Bub hat in den Ferien in einem großen Hotel als Aushilfskellner gearbeitet, weil er hat das Geld für sein Studium gebraucht. Frau Tolser war dort als Gast und da hat er sich halt in sie verliebt. Sie war ja wirklich sehr hübsch. Er hat mir damals ein paar Fotos von ihr gezeigt und wie sie verschwunden ist, waren auch Bilder von ihr in den Zeitungen.“

      „Wie ist es eigentlich zur Trennung zwischen den beiden gekommen?“

      „Ich glaub, es hat nach ungefähr zwei Jahren, die sie zusammen waren, einen ziemlichen Krach zwischen den beiden gegeben. Eigentlich wegen einem Schmarrn. Mein Bub hat Geld gebraucht, sie wollt es ihm geben und er hat gedacht, dass sie das nur aus Mitleid tut, und hat es nicht angenommen. Er konnte sehr stolz sein und furchtbar hart. Ich glaub, er hat ihr gesagt, dass er von ihr keine Almosen will oder so ähnlich. Sie hat sich anscheinend sehr darüber geärgert und ist gleich nach dem Streit mit einem Neuen, er hat Konrad geheißen, wenn ich mich richtig erinner, ausgegangen. Das hat mein Bub mitbekommen und ab da wars ganz aus mit ihm. Er hat nicht viel drüber gredt, schon gar nicht mit mir, aber ich glaub, die Trennung hat ihn furchtbar getroffen. Mir gegenüber war er ja eher verschlossen. Zu Haus hab ich ihn in dieser Zeit kaum gsehn. Vielleicht weiß der Alex mehr, der Alex Kucera. Das war sein bester Freund.“

      „Glauben Sie, dass ich mit ihm sprechen könnte?“

      „Ich denk schon. Er is ein Netter, der Alex, ein ganz junger Tischlermeister. Er hat seine Tischlerei ziemlich weit unten auf der Kaiserebersdorfer Straße. Ich ruf ihn an und werd ihm sagen, dass er mit Ihnen sprechen soll.“

      „Danke. Wenn ich was herausfinden sollte, ruf ich Sie an.“

      „Ich