In den herrschaftslosen Raum stießen nun die Thüringer vor, die sich vom Mittelelbegebiet immer weiter nach Süden ausbreiteten. Ihr König Herminafried (reg. ca. 510–534) erhob Anspruch auf das Land bis zur Donau. Er vermählte sich mit einer Nichte des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen (reg. 491–526), wohl auch in der Hoffnung, einen mächtigen Verbündeten gegen eine neue Konkurrenz zu finden: Die Franken klopften an die Tür des Landes, das ihren Namen tragen würde.
Der Weg ins Frankenreich
Neue Siedler braucht das Land: Franken und Slawen
Im fernen Reims kam es an einem Weihnachtstag Ende des 5. Jhs. – das genaue Jahr ist umstritten – zu einem Ereignis, dessen Folgen die Geschichte unseres Gebiets prägten und ihm letztlich seinen Namen gaben: Chlodwig, Heerkönig der fränkischen Stämme, stieg in das Taufbecken, um sich und sein Volk zum Teil der Christenheit zu machen.
Dieses Volk war aus dem Zusammenschluss verschiedener Frankenstämme am Niederrhein entstanden. Bruktrer, Salier, Sugambrer, Tenkterer und Chattuarier waren von den Sachsen nach Westen abgedrängt worden und erkannten die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in wirren Zeiten. Die Römer gaben diesem Verbund den Namen franci, was „die Kühnen“ oder „Mutigen“ bedeutete und offensichtlich Respekt ausdrückte. Die Römer versuchten jedenfalls, die Franken als Bundesgenossen (foederati) zur Verteidigung der Grenze zu gewinnen, und wiesen ihnen Siedlungsland auf gallischem Boden zu. Als das Weströmische Reich im 5. Jh. endgültig zerfiel, hatte sich im heute nordfranzösisch-belgischen Raum ein geschlossenes fränkisches Territorium gebildet, über das die Heerkönige aus der nach dem Vorfahren Merowech benannten Merowinger-Dynastie geboten.
Im Frankenreich
Einer engeren Verbindung mit der eingesessenen gallo-römischen Bevölkerung standen allerdings kulturelle Hindernisse entgegen, v. a. in der Religion. Hier eine Brücke zu schlagen, war das Hauptmotiv der Taufe Chlodwigs. Damit war die Einheit des Glaubens zwischen der Bevölkerung und ihren neuen Herren hergestellt. Das Frankenreich hatte an Stabilität wie an Dynamik gewonnen – und die Unterstützung der Kirche.
Nachdem er den Großteil des alten Gallien unterworfen hatte, wandte Chlodwig sich gen Osten, gegen die germanischen Stammesverbände diesseits des Rheins. Noch zu seinen Lebzeiten – er starb 511 – wurden die Alamannen unterworfen; seine Söhne zwangen bis 535 auch die Thüringer unter die fränkische Krone, welche die unterworfenen Gebiete an zuverlässige Gefolgsleute weiterverleihen konnte.
Diese „Eroberungen“ werden in erster Linie darin bestanden haben, dass Angehörige des fränkischen Adels zentrale Orte besetzten oder neu errichteten, um von dort eine rudimentäre Kontrolle über die Bevölkerung auszuüben, deren Alltag sich kaum änderte. Die Menschen lebten in kleinen Siedlungen, die sich um einen Herrenhof scharten, und bebauten das Land als freie Bauern oder auch als Sklaven. Ethnisch dürfte es sich um eine Vermischung germanischer Siedler mit einer keltisch geprägten Vorbevölkerung gehandelt haben.
Die Einbeziehung in den Machtbereich der Merowinger wie auch die seit der Mitte des 6. Jhs. beginnende Landnahme durch Neusiedler aus den fränkischen Kernlanden lassen sich am ehesten an Grabbeigaben ablesen. Die eindeutig fränkisch geprägten Reihengräberfelder von Westheim und Dittenheim belegen, dass die Flusstäler von Altmühl und Wörnitz als Sualafeldgau eine Hauptachse der „Frankisierung“ des Landes waren. Auch Ortsnamen, die sich aus -heim und einem Eigennamen zusammensetzen – meist demjenigen des jeweiligen Gründers –, weisen auf einen fränkischen Ursprung hin. Ein früher Stützpunkt der Franken wurde der Königshof Riedfeld beim späteren Neustadt an der Aisch. Das Rednitztal erreichte die Erschließung durch fränkische Siedler wohl erst im 7. Jh.
In diesem Gebiet traf man auf Konkurrenz aus dem Osten: Das zentralasiatische Reitervolk der Awaren hatte sich im 6. Jh. in der ungarischen Tiefebene niedergelassen und seinerseits Wanderungsbewegungen der zwischen Balkan und Ostsee siedelnden Slawen ausgelöst. Im 7. Jh. sickerten slawische Siedler entlang von Donau und Naab in den nordbayerischen Raum ein und gründeten zahlreiche Orte in Ober-, aber auch in Mittelfranken. Orts- und Gewässernamen, die auf -itz oder -gast enden, sind Hinweise auf slawische Herkunft, ebenso Ortsnamen, die -wenden oder -winden enthalten, die fränkische Bezeichnung für Slawen. Ihre Verbindung mit einem Ortsnamen legt daher nahe, dass dieser mit der Unterwerfung unter die Franken geprägt wurde. Die Slawen waren gegenüber diesen im Nachteil, da hinter ihnen keine Staatsmacht stand, die ihren verstreuten Siedlungen Zusammenhalt gegeben hätte.
Ein Herzogtum für Franken
Um die Grenze zum Slawengebiet zu sichern, aber auch um des immer selbstbewussteren fränkischen Adels Herr zu bleiben, gründete der Merowingerkönig Dagobert I. († 638/39) ein eigenes Herzogtum für den fränkisch-thüringischen Raum, als dessen erster Träger ein gewisser Radulf berufen wurde. Der fränkische Heerführer schlug die Slawen in mehreren Gefechten zurück und brachte deren Siedlungsgebiet an Main und Rednitz in zumindest lose Abhängigkeit.
Mit diesen Erfolgen wuchs das Selbstbewusstsein Radulfs, der sich, wie der fränkische Chronist Fredegar schreibt, verhielt „als sei er König in seinem Gebiet“. Die Merowinger reagierten mit der Berufung eigener Herzöge aus der Familie der Hedenen; ihr Regierungssitz wurde Würzburg (Virceburg). Von dort aus wurde die Konsolidierung der Frankenherrschaft im mittelfränkischen Raum vorangetrieben, der in die Gauorganisation einbezogen wurde – Nordgau für das gesamte Gebiet nördlich der Donau mit den Unterteilungen Rangau, Radenzgau und Sualafeldgau im heutigen Mittelfranken. Der relativen Eigenständigkeit Frankens unter den Hedenen wurde von Karl Martell († 741) ein Ende gesetzt, der als Hausmeier des Reichs die Merowinger entmachtete und eine straffe Staatsführung durchsetzte.
Glaubensboten aus fernem Land
Zur engeren Einbindung des mittelfränkischen Grenzlands sollte auch der christliche Glaube beitragen, der sich nur sehr oberflächlich im Umkreis der Führungsschicht ausgebreitet hatte. Die fränkischen Geistlichen waren häufig schlecht ausgebildet und mehr an einer formellen Erfüllung christlicher Handlungen als an einer echten Glaubensvertiefung interessiert. Die Landbevölkerung, ob Franken oder Slawen, lebte daher noch weitgehend in der spirituellen Welt ihrer Vorfahren. Eine systematische Missionierung war gefragt, und für diese Aufgabe konnten die Herrscher des Frankenreichs auf einen Stoßtrupp aus fernen Landen zurückgreifen, die ihrerseits erst vor kurzem christlich geworden waren: Die Missionierung Irlands war das Werk des hl. Patrick (ca. 385–460) und seiner Schüler gewesen. Patrick gründete zahlreiche Mönchs- und Nonnenklöster, Geburtsstätten einer reichen Kultur, von Kunst und Gelehrsamkeit.
Im von ihm begründeten Dom von Eichstätt fand der Missionar Willibald seine letzte Ruhestätte.
Der Elan ihres jungen Glaubens trieb die irischen Mönche aus der Geborgenheit ihrer Klöster hinaus. Als Missionare zogen sie durch das Frankenreich, wo sie auf Kollegen aus England trafen. 597 hatte Papst Gregor I. der Große 40 Benediktinermönche über den Kanal geschickt, dabei aber darauf gedrungen,