Eine Mauer gegen Räuber und Migranten
Die erste Befestigung bestand aus einem Palisadenzaun mit Wachttürmen und dazwischen eingefügten Toranlagen, welche die Verbindung zum „Barbarenland“ herstellten. Es dauerte bis weit ins 2. Jh., ehe der Limes seine klassische Form als durchgängige Steinmauer mit hölzernen Wehrgängen zu den in regelmäßigen Abständen eingefügten Wachttürmen fand. Durchgänge waren jetzt als massive Torbefestigungen angelegt. In 1 bis 5 km Abstand zur Grenzmauer entstanden Kastelle, befestigte Militärlager für 250 bis zu 1000 Legionäre und Hilfstruppen, welche die Wachttürme besetzten und als schnelle Eingriffstruppe reagieren konnten. Die Kastelle folgten einem architektonischen Masterplan: Das quadratisch bis rechteckige Feldlager wurde von zwei sich kreuzenden Hauptachsen unterteilt, die zu vier Eingangstoren führten. Kommandantur und die wichtigsten Verwaltungsund Vorratsgebäude befanden sich am Kreuzungspunkt.
Über die genaue Funktion der Limesanlage wurde lange kontrovers diskutiert. Heute herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass es sich dabei weniger um einen Verteidigungswall gegen Barbarenhorden handelte, sondern vielmehr um ein „Frühwarnsystem“ und eine Kontrolle von Handel und Migration. Die Bewegung von Menschen und Waren konnte so überwacht und gesteuert werden, und sollten sich doch einmal auf Raub ausgerichtete Banden zeigen, würde die Nachricht durch optische Signale von Wachtturm zu Wachtturm und zu den Kastellen weitergegeben. Während man dort in Alarmbereitschaft trat, konnten, wenn nötig, die Legionen im Hinterland in Marsch gesetzt werden. Die eindrucksvolle Grenzanlage machte zudem jedem Ankommenden klar, dass von hier an römisches Recht und römische Interessen zählten.
Neben dem Kastell entwickelte sich in der Regel eine Zivilsiedlung (vicus), in der sich Handwerker und Händler niederließen, welche die Truppen versorgten, aber auch den Güteraustausch mit der Bevölkerung jenseits der Limes-Tore organisierten. Diese Vici konnten eine beachtliche Einwohnerzahl erreichen und besaßen dann auch die Annehmlichkeiten, die ein römischer Stadtbewohner erwartete: Thermen, Theater, Tempel und Foren. Ein gut erschlossenes Beispiel für das Leben in Römisch-Mittelfranken bietet Biriciana, das Kastell und die Zivilsiedlung auf dem Stadtgebiet von Weißenburg. Im Kastell war die I. Spanische Kavallerieeinheit „Aureliana“ stationiert. Unter den wohl 2500–3000 Bewohnern Biricianas um 200 werden sich Menschen aus vielen Teilen der römischen Welt befunden haben, und man kann davon ausgehen, dass diese Internationalität auch in Stammesland vor der Grenze Niederschlag fand.
Der Limes fällt
Während der Limes seine endgültige Gestalt annahm, braute sich jenseits der Grenze Unheil zusammen. Mehr und mehr Germanenstämme begaben sich auf die Suche nach neuem Siedlungsland und zogen andere Volksgruppen mit sich. Das erschlossene Kulturland des Imperiums erschien besonders verlockend. Einen ersten großflächigen Angriff auf die Reichsgrenze entlang der mittleren und unteren Donau konnten die Römer in drei Markomannenkriegen zwischen 168 und 180 n. Chr. zurückschlagen. Die Hauptaktionen spielten sich im Raum zwischen Böhmen und Ungarn ab; die dadurch ausgelösten Migrationsbewegungen könnten erstmals germanische Siedler in den südfränkischen Raum verschlagen haben.
Zeuge stürmischer Zeiten ist der „Römerschatz“, den ein Bewohner Biricianas hastig vergrub.
Das Ende des Limes kam dann aber aus anderer Richtung: Im Vorland zwischen Mittelrhein und oberer Donau sammelten sich seit dem Beginn des 3. Jhs. germanische Stammesverbände, die später unter dem Begriff Alamannen zusammengefasst wurden. Die Zahl ihrer Krieger war schließlich so groß, dass sie es wagten, die Grenze auf die Probe zu stellen, deren Abwehrfunktion kläglich versagte – auch eine Folge der zerrütteten innenpolitischen Verhältnisse Roms. 233/34 überrannten die Alamannen in breiter Front den obergermanisch-raetischen Limes und zogen plündernd durch die Provinzen. Grenzwall, Kastelle und Zivilsiedlungen konnten nochmals repariert werden. Die nächsten Angriffe brachten dann aber den Untergang: Kastelle und Siedlungen wurden geplündert und niedergebrannt, die vielen Hortfunde zeugen vom verzweifelten Versuch der Bewohner, zumindest einen Teil ihrer Schätze zu retten. Dass sie sie nicht mehr bergen konnten, lässt düstere Rückschlüsse auf ihr Schicksal zu.
Zeitlich eingrenzen lässt sich diese Katastrophe durch Münzfunde: Die letzten Prägungen des großen Horts von Gunzenhausen stammen von 241; in Biriciana/Weißenburg können sie auf 253/54 datiert werden. Die römische Militärführung beschloss, die Grenze wieder an die Donaulinie zurückzuverlegen, wo sie bis ins 5. Jh. mit Müh und Not gehalten werden konnte. Für Franken war die Zeit als Teil des Römischen Reichs aber Vergangenheit.
Der Römerschatz im Spargelbeet
Im Oktober 1979 legte ein Weißenburger Lehrer in seinem Garten am Stadtrand ein Spargelbeet an. Beim Ausheben stieß er in rund 30 cm Tiefe auf Metallgefäße und andere Kleinteile, die er als römisch einschätzte. Weiteres Graben brachte immer neue Gefäße, Statuetten und Kunstwerke zutage. Insgesamt wurden 20 Bronzefiguren geborgen, in der Mehrzahl Götterdarstellungen, dazu Bronzegefäße, Bronzebeschläge und silberne Votivplättchen. Besonders eindrucksvoll sind die drei Gesichtshelme aus Bronze als Teil von Paraderüstungen. Unter den eisernen Objekten fanden sich ein Klappstuhl und eine Waage.
Trotz der unfachgemäßen Bergung des Fundes ließen sich die Umstände einigermaßen genau abklären: Die Gegenstände wurden wohl in einer Holzkiste in einer Grube unter Bauschutt verborgen, was auf einen Rettungsversuch während eines feindlichen Angriffs (Verwahrfund) schließen lässt. Ein solcher Angriff auf das Grenzkastell Biriciana und seine Zivilsiedlung ist für das Jahr 233 n. Chr. überliefert; die finale Eroberung und Zerstörung erfolgte während des Limessturms 253/54. Die Zusammensetzung des Hortes lässt auf einen Tempelschatz schließen; mehrere Gegenstände sind der keltisch-römischen Fruchtbarkeitsgöttin Epona geweiht. Seit der Restaurierung sind die Fundstücke Ausstellungs-Mittelpunkt des Römermuseums Weißenburg (www.museum-weissenburg.de).
Wenige Kilometer nördlich von Biriciana/Weißenburg und näher am Limes wurde bei Ellingen ein kleineres Kastell (Castra Sabionetum) entdeckt und vollständig freigelegt. Seine Besatzung bestand aus Soldaten der III. Italischen Legion.
Ein weiteres bedeutendes Kastell befand sich bei Ruffenhofen an der Wörnitz. Es war Stützpunkt der 9. Kohorte der Bataver, Kundschafter. Der westgermanische Volksstamm der Bataver lebte am Niederrhein; aus Ruffenhofener Fundstücken lässt sich aber ablesen, dass es in dieser Kohorte auch Berufssoldaten aus anderen Teilen des Imperiums gab. Das Kastell von Ruffenhofen ist von besonderem archäologischem Interesse, da es nie überbaut wurde. Die Strukturen werden heute durch unterschiedliche Bepflanzung sichtbar gemacht und sind Teil des dortigen Römerparks und Limeseums (www.limeseum.de).
Zuwanderer und Gauburgen
Das entstandene Machtvakuum füllten ab dem 4. Jh. Neusiedler von eindeutig germanischer Zugehörigkeit. Diese Zuwanderung war offensichtlich organisiert und von einer Adelsschicht geleitet. Nur so ist die Anlage von „Gauburgen“ zu erklären – befestigte Höhensiedlungen auf Bergplateaus, in die sich die Bewohner der umliegenden Dörfer flüchten konnten. In Mittelfranken finden sich dafür Beispiele auf der Gelben Bürg bei Dittenheim (Kr. Weißenburg-Gunzenhausen) und auf der Houbirg