Der Königspalast markiert den Übergang vom europäischen Viertel zur Medina (Altstadt). Rechts daneben führt das kleine Tor Bab er Rouah in die Souks, die Geschäfts- und Handwerkerviertel der Stadt. Südöstlich des Platzes liegt die Mellah – das historische Judenviertel befindet sich in den marokkanischen Städten traditionell in unmittelbarer Nähe des Sultanspalastes.
Die Medina (Altstadt)
Die Medina von Tétouan steht seit 1997 auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO. Der andalusische Einfluss auf Architektur und Kultur der Stadt begann bereits im 15. Jh., als Tausende Andalusier nach Nordmarokko flüchteten und Tétouan wiederaufbauten.
Die Medina von Tétouan ist zwar eine der kleinsten Marokkos, dafür aber – mit nur wenigen baulichen Veränderungen in den letzten Jahrhunderten – eine der authentischsten und intaktesten Altstädte des Landes. Sie ist umgeben von einer 5 km langen Stadtmauer mit sieben Stadttoren (Bab) und mehreren Wachtürmen (Borj).
Einige Hauptgassen führen als Querverbindungen von Bab zu Bab durch die Altstadt und bieten Zugang zu öffentlichen Plätzen sowie zu Medersas (islamischen Hochschulen), Moscheen, Hammams, Funduqs (Karawansereien) und Zaouias (islamischen Heiligtümern). Entlang der größeren Gassen spielen sich auch das Handwerk und der Handel ab. Die Souks gliedern sich dabei traditionell nach Handwerkszünften und Handelssparten. Nebengassen führen in die Wohnviertel, kleine Sackgassen zu den Eingängen der Häuser.
Die typischen arabischen Hofhäuser mit fensterlosen, kahlen Außenmauern öffnen sich nach innen zum Hof, in dessen Mitte häufig ein Brunnen plätschert. In Tétouan gab es schon im 15. Jh. eine Kanalisation aus unterirdischen Rohrleitungen, die das Wasser von den Quellen am Höhenzug Djebel Dersa zu den öffentlichen Brunnen, Dampfbädern, Moscheen und Fontänen in den Hofhäusern leiteten. Noch heute werden einige Brunnen von diesen antiken Kanälen bewässert.
Ein Rundgang durch die Medina beginnt man am besten am kleinen Tor Bab er Rouah („Tor der Winde“) südlich des Königspalastes, also am östlichen Ende des großen Paradeplatzes Place Hassan II.
Die Mellah
Biegt man noch vor dem Bab er Rouah rechts in die Gasse el Quds (später Rue Haifa) Richtung Süden ab, so erreicht man die Mellah, das alte Judenviertel, das sich in allen marokkanischen Städten in der Nähe des Sultanspalastes befindet.
Hier siedelten sich ab 1492 die aus Andalusien vertriebenen Juden an. Die Mellah in ihrer jetzigen Form ließ Sultan Moulay Slimane (um 1760–1822) ab 1807 errichten. Im Gegensatz zu den Hofhäusern in den arabisch-islamischen Vierteln besitzen die Wohngebäude hier Balkone, Erker und Außenfenster.
In der Gasse el Quds verkaufen Händler jede Menge leckere Datteln und Nüsse – ein idealer Snack und eine optimale Stärkung für den Citybummel. Am Ende der Gasse, die nun Rue Haifa heißt, ragt das weiße Minarett der erst 1980 erbauten Moschee Al-Andalus in den Himmel.
In dem ruhigen Wohnviertel erinnern heutzutage nur noch wenige Straßennamen wie Gaza und Haifa sowie die Bauweise der Häuser an die Zeit, als noch vorwiegend Juden das Viertel besiedelten. Heute leben kaum noch Juden in der Mellah. Interessierte können sich die 1889 errichtete Synagoge Isaac Bengualid (7, Rue Isaac Bengualid) zeigen lassen. Am besten, man fragt sich in der Umgebung der Synagoge nach einer Person durch, die einem die Tür öffnen kann.
Die Souks
Die Souks sind das geschäftige Handels- und Handwerkszentrum Tétouans. Das kleine Tor Bab er Rouah mit seinem hübschen Backsteinbogen links neben dem Königspalast führt ins Viertel der Goldjuweliere. Direkt hinter dem Tor sollte man einen Blick in den schönen Innenhof der Gewerkschaft Union Marocaine du Travail auf der rechten Seite werfen. Hinter dem Bab er Rouah reihen sich unter dem schattigen Arkadendach der Gasse Ahmed Torres die Läden der Goldhändler aneinander.
An der nächsten Kreuzung geht es links in die Gasse el Kazdarin, auf der man nach wenigen Schritten einen kleinen Platz mit Bäumen erreicht, den Souk el Hout al Kedim mit dem Fisch- und Fleischmarkt. Hier verkaufen Händler neben Lebensmitteln auch die typischen rot-weiß und manchmal blau gestreiften Wolltücher der Rifbauern (mendil).
Vom Platz führt die kleine Gasse Jamaa el Kasbah durch einen Torbogen unter der mächtigen Mauer in die alte Kasbah von Tétouan. Dieses Festungsviertel, ursprünglich 1286 von der Berberdynastie der Meriniden errichtet, wurde im späten 15. Jh. von Sidi Ali al Mandri, der als Begründer Tétouans gilt und die Stadt lange regierte, umgebaut. Damals erhielt die Kasbah ihre heutige Form.
Folgt man der Gasse Yamaa el Kasbah einmal um die Ecke links, so läuft man direkt an der Kasbah-Moschee vorbei. Ihr Eingang befindet sich am Souk el Hout; Nicht-Muslime haben jedoch keinen Zutritt. Die Moschee wurde ebenfalls im 15. Jh. unter Sidi Ali al Mandri erbaut.
Einmal um die Moschee herumspaziert, durch einen Backsteinbogen, findet man in der nächsten Gasse auf der linken Seite den Backofen Horno el Kasbah. Er stammt aus dem 15. Jh. und war der erste der Stadt. Solch ein Backofen und die zugehörige Bäckerei sind Teil der typischen Quartierausstattung einer islamischen Altstadt. Denn jedes Wohnviertel verfügt über eine eigene Infrastruktur mit einer kleinen Moschee, einem Souk, einer Bäckerei, einem Trinkbrunnen und einem Hammam.
Durch einen überdachten Gang geht es links auf den Place Ghersa Kebira; hier befindet sich der große Textiliensouk. In den vielen Läden werden hauptsächlich westliche Shirts, Hosen und industriell gefertigte Teppiche angeboten. Auf der Westseite des Platzes befindet sich das auffällige Eingangsportal zur Medersa Loukach (s.u.).
Von dort geht es rechts weiter entlang der Gasse el Kazdarin nordwärts. Hier reihen sich Läden mit Babuschen (Lederpantoffeln), Ledertaschen und -gürteln aneinander. Es empfiehlt sich, einen Blick in die Sackgasse Derb Chorfa Ouazan auf der linken Seite zu werfen: Dort stehen mehrere historische Hofhäuser dicht nebeneinander, in denen im 18. Jh. wichtige Persönlichkeiten der Stadt lebten. Schilder an den Türen informieren über ihre Geschichte. Wer anklopft, darf vielleicht einen Blick ins Innere werfen.
Weiter entlang der Hauptgasse (die Fortsetzung der el Kazdarin heißt Rue el Mkadem) Richtung Norden erreicht man den Souk el Foqui – hier hängt der Duft von Gewürzen und traditionellen Heilmitteln in der Luft.
Rechts weiter gehend, passiert man das Eingangsportal des islamischen Heiligtums Zaouia Sidi Ali Baraka von 1708 und gelangt durch das Tischlerviertel schließlich zum nördlichen Stadttor Bab Mkabar. Gegenüber dem Tor fallen sofort die prachtvollen Steinmetzarbeiten am Eingangsportal der Zaouia al Harrakia auf. Das Heiligtum wurde 1828/29 von Sidi Mohamed el Harrak gegründet. Der Sufist und Poet starb 1845 in Tétouan und liegt in dieser Zaouia begraben.
Ein kleiner Durchgang gegenüber der Zaouia und rechts vom Bab Mkabar führt in einen Gerberhof. Hier gerben und färben die Männer seit dem 15. Jh. in fast unveränderter Technik Ziegen- und Schafsleder in großen Bottichen. Dieser mittelalterlich anmutende Anblick, verbunden mit Schmutz und Gestank, ist nichts für empfindliche Naturen.
Mit dem Bab Mkabar hat man das nördliche Ende der Medina errreicht. Jenseits des Stadttors, außerhalb der Stadtmauer, erstreckt sich ein riesiger islamischer Friedhof mit von Pflanzen überwucherten Grabsteinen den Hang hinauf.