München fotografieren. Thorsten Naeser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thorsten Naeser
Издательство: Bookwire
Серия: Fotoscout – Der Reiseführer für Fotografen
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783960882695
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Winzererstraße hütet. Inzwischen sind fast zwei Millionen Negative und Papierabzüge zusammengekommen, die München, seine Häuser, Straßen, Menschen und Feste seit etwa 1850 zeigen. Rund 20.000 der schönsten Fotos kann man sich online anschauen unter https://stadtarchiv.muenchen.de. Im Interview gibt die Leiterin der Fotosammlung, Elisabeth Angermair, Auskunft darüber, woher die Bilder kommen, wie man das vielfach analoge Material am besten lagert und welche Bilder sie am meisten beeindrucken.

       Frau Angermair, Sie leiten die Fotosammlung der Stadt München. Wie weit reicht die Sammlung zurück und was ist die älteste Fotografie im Bestand?

      Angermair: Die ältesten Fotos liegen unter den Beilagen zur Stadtchronik, die seit 1845 auf Wunsch von König Ludwig I. geführt wurde. Der Stadtchronist Ulrich von Destouches hat schon bald angefangen, weiteres Material zu den täglichen Eintragungen zu sammeln, wie beispielsweise Einladungskarten, Theaterzettel, Speisekarten, Flugblätter, Plakate und vieles mehr. Seit ca. 1850 befinden sich zahlreiche Fotos unter den Beilagen. Ab 1870/1871 bis 1916/1917 wurden eigene Chronikbildbände angelegt. Noch später dann die eigenständige Fotosammlung.

       Wie erhalten Sie die Bilder für das Archiv?

      Angermair: Eine Quelle sind die Einzelankäufe oder Schenkungen von Einzelbildern, wie schon bei den Chronikbildbänden. Seit dem Ende der 1930er Jahre sind kontinuierlich zuerst ein Fotograf, später mehrere Fotografen/-innen angestellt, die für die Sammlung arbeiten und Dokumentationen anlegen. Ebenso übernimmt oder erwirbt das Stadtarchiv Sammlungen, die von Privatpersonen zusammengetragen wurden, sowie Vor- und Nachlässe von Fotografen, z. B. von Pressefotografen. Dazu entstehen in Ämtern und Referaten der Stadtverwaltung im Lauf der Jahre fotografische Dokumentationen und Sammlungen, die – wenn sie für den aktuellen laufenden Dienstbetrieb nicht mehr benötigt werden – an das Stadtarchiv zur dauernden Aufbewahrung abgegeben werden. Große Abgaben gab es beispielsweise schon aus dem Baureferat oder von den Münchner Kammerspielen.

       Nach welchen Kriterien wählen Sie das Bildmaterial aus?

      Angermair: Bei der Auswahl der zu übernehmenden Fotos steht an der Spitze der Kriterien der München-Bezug, also die weitgehende Beschränkung auf das Stadtgebiet und die Stadtgeschichte. Ebenso versuchen wir dokumentarische Fotografien von der stetigen Veränderung des Stadtbildes und den Bereichen städtischen Lebens zu sammeln. Die beste Beschreibung dafür liefert das Sammlungsprofil des Stadtarchivs, das Sie auf unserer Internetseite www.muenchen.de/stadtarchiv, unter »Bestände-Übersicht«/ »Kurzbeschreibung der Bestände und Sammlungen« in der allgemeinen Einführung zu »Sammlungen und Deposita« finden. Selbstverständlich bemühen wir uns auch darum, Beispiele von möglichst vielen unterschiedlichen fotografischen Techniken und von den verschiedenen Anwendungsgebieten der Fotografie zu überliefern.

       Gibt es Fotos in der Sammlung, die Sie besonders beeindrucken?

      Angermair: Mich beeindrucken die ältesten Fotos im Hinblick auf das Wissen, unter welch schwierigen Bedingungen diese oft entstanden sind. In den 1850er-Jahren musste jeder Fotograf viel experimentieren, um zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Negative wurden häufig mit dem sogenannten nassen Kollodiumverfahren hergestellt. Dabei wurden Glasplatten als Trägermaterial für die Negative unmittelbar vor der Aufnahme mit einer Kollodiumschicht überzogen. Und gleich nach der Belichtung musste das Negativ entwickelt werden. Die Fotografen waren also mit einem Zelt, das als Dunkelkammer diente, unterwegs. Ein hoher Aufwand! Welch fantastische Ergebnisse sie erzielten, lässt sich beispielsweise an dem »Böttger-Panorama« aus dem Jahr 1858 ersehen. Der Fotograf Georg Böttger fotografierte einen Rundblick über München in elf Einzelbildern vom Turm der Peterskirche, die er zu einem wundervollen Panorama zusammensetzte. Immer wieder faszinieren mich die Detailgenauigkeit und die Tiefenschärfe dieses Panoramas, das auch für die Baugeschichte Münchens ein wichtiges Dokument darstellt.

       Wie lagert man Original-Fotografien auf Papierabzügen oder Dias am besten?

      Angermair: Wichtig sind eine möglichst gleichbleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit zwischen 30 und 40 Prozent. Häufige Schwankungen im Raumklima schaden. Bei Farbdias gilt: je kühler, desto besser. Gerade die Farben halten sich dann besser. Natürlich spielen auch die ursprüngliche Auswahl der Diafilme und die Verarbeitung bei der Entwicklung eine Rolle, die sich durch die spätere Lagerung alleine nicht ausgleichen lassen. Bei Papierabzügen und Negativen sollten die Schachteln und Umschläge, in denen sie aufbewahrt werden, aus säurefreiem Material bestehen. Materialien, die mit »P.A.T. getestet« gekennzeichnet sind, können problemlos verwendet werden. Sie wurden dem Photographic Activity Test unterzogen. Schränke und Regale, in denen die Fotografien verwahrt werden, sollten idealerweise aus einbrennlackiertem Metall bestehen. Holz- und Kunststoffmöbel sondern Schadstoffe ab, die die Haltbarkeit der Fotos einschränken.

       ARCHITEKTUR

      TOUR 2

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      Architektur

      Münchens Architekturgeschichte reicht bis ins Mittelalter zurück. Das älteste »Bauwerk«, eine Latrine, stammt aus dem Jahr 1260 und ist damit nur 102 Jahre jünger als das Datum der offiziellen Gründung der Stadt. Sie wurde von Archäologen im Jahr 2011 hinter dem Marienplatz ausgegraben. Leider musste der Fund der Baustelle der zweiten S-Bahn-Stammstrecke weichen und existiert nicht mehr.

      Obwohl in München Bauplatz absolute Mangelware ist, hat sich das Stadtbild in den letzten zwei Jahrzehnten enorm verändert. Die Allianz Arena oder das Jüdische Gemeindezentrum am Jakobsplatz, dessen Synagoge ein wenig an die berühmte Klagemauer erinnert, sind nur zwei fotogene Beispiele für den Wandel. Dazu kommen, etwas weiter außerhalb des Zentrums gelegen, die Hochhäuser des ADAC, das Uptown Munich (146 Meter) und die Highlight Towers (126 und 113 Meter).

      WIE SIE ARCHITEKTUR FOTOGRAFIEREN

      Ganz egal, für welche Architektur Sie sich fotografisch begeistern, die Architekturfotografie bietet viele künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten. Gebäude erscheinen tagsüber vollkommen anders als zur Blauen Stunde oder nachts, wenn sie angestrahlt werden und gleichzeitig von innen leuchten.

      Lassen Sie Ihren subjektiven Eindruck zur Geltung kommen. Alles ist möglich, ob stürzende Linien, mangelhafte Auflösung oder Bewegungsunschärfe. Architekturfotografie funktioniert mit einer Sofortbildkamera genauso gut wie mit einer analogen Fachkamera.

      Eine der wichtigsten Faustformeln für den Bildaufbau in der Fotografie ist der Goldene Schnitt, der insbesondere in der Architekturfotografie eine große Rolle spielt. Der Goldene Schnitt ist ein Gestaltungsprinzip. Es geht davon aus, dass asymmetrisch aufgebaute Bilder spannender wirken als zentral aufgebaute. Das Prinzip besagt, dass man die Bildfläche sowohl horizontal als auch vertikal dritteln sollte. Dadurch ergeben sich neun gleich große Rechtecke. Gemäß der Regel des Goldenen Schnitts wird das bildwichtige Element an einem der Linienschnittpunkte platziert. Bildwichtige Elemente in der Architekturfotografie können ein Hauseingang, ein Fenster, ein beleuchtetes Detail etc. sein. In diesem Beispiel ist es der Uhrenmast am nach den Olympischen Spielen 1972 aufgegebenen S-Bahnhof »Olympiazentrum«.

      Aber bedenken Sie: Regeln sind da, um sie zu brechen – halten Sie sich nicht sklavisch daran!

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      Achten Sie bei Architekturfoto-Ausflügen ebenso auf die Linienführung. Halten Sie Ausschau nach markanten Linien, an denen Sie das Auge des Betrachters entlangführen. Das bringt Ruhe ins Bild. Sie erzeugen mit Linien, die sich in die Tiefe erstrecken, eine Räumlichkeit. Zudem können Sie das Auge des Betrachters auf wichtige Details lenken. Das geht zum Beispiel hervorragend