Aus Wut? Nein! Aus Angst, weil der Mann ihn erkannt hatte.
Da war dem ersten Mord also der zweite gefolgt.
Völlig sinnloser Weise!
Aber diese Gedanken waren nur in der Nacht da. Tagsüber war der harte Mann frei von allen Skrupeln. Er verfolgte weiter sein Ziel, hielt auf die Stadt Panhandle zu und deckte sich unterwegs mit Munition und Proviant ein.
Geld genug hatte er ja.
*
Es war an einem glühend heißen Vormittag, als der Constabler Wyatt Earp in die Stadt Panhandle einritt.
Der große Sand hatte seine langen Fangarme schon bis hierher ausgestreckt. Die breite sonnenüberstrahlte Mainstreet war gelb von mehlfeinem Flugsand. Die weiß gekalkten Häusergiebel reflektierten das Licht und blendeten das Auge des Reiters.
Es war keine sehr große Stadt – eine Hauptstraße und ein paar Nebengassen. Die Häuser standen nicht eng nebeneinander wie oben in den Zigarrenkistenstädten des Nordens.
Wyatt hielt vor Red Vaughams Store an.
Der dickleibige Händler musterte den staubbedeckten Reiter, der bei ihm eintrat, neugierig.
»Ich möchte ein weißes Hemd kaufen.«
»Yeah«, knurrte Vaugham.
Wyatt suchte sich ein Hemd aus kräftigem Stoff aus.
»Weshalb muss es weiß sein, Mister?«, meinte der Händler. »Ein buntes Hemd bleibt länger sauber.«
»Das scheint nur so.« Wyatt zog das neue Hemd gleich an und zahlte. »Haben Sie auch fünfundvierziger Patronen?«, fragte er.
Der Händler riss die Augen auf, kniff sie dann wieder zu und musterte den Mann genauer. Seine Freundlichkeit war mit einem Schlage verschwunden.
»Nein, ich habe keine Munition.«
»Well, dann leben Sie wohl.«
Wyatt trat auf den Vorbau, der nicht überdacht war.
Die Sonne schleuderte eine bestialische Hitze auf die Straße. Am Ende der Mainstreet schien alles zu flimmern und zu schwimmen vor Glut.
Das also ist Panhandle, dachte der Missourier. Ungefähr so habe ich es mir vorgestellt.
Er nahm seinen Apfelschimmel und führte ihn über die Straße.
Vor Jim Dycosters Farewell-Hotel fiel ein schmaler Schatten, in den der Constabler sein Pferd bugsierte.
Dann klopfte er seinen staubbedeckten schwarzen Hut an einem Vorbaupfosten aus, sah sich noch einmal um und betrat das Hotel.
Der alte Abeathy musterte ihn über die Ränder seiner Brille hinweg.
»Kann ich ein Zimmer haben?«
Der Alte nickte. »Natürlich, Mister …«
Da wurde im Hintergrund der Halle eine mit Buntpapier beklebte Tür geöffnet.
Jim Dycoster, der Hoteleigner, stand da und sah den Gast aufmerksam an. Dann sagte er: »Nein, Jeffries! Sie irren, er kann kein Zimmer bei uns bekommen!«
Der Alte schluckte. »Wie Sie meinen, Boss.«
Wyatt blickte forschend durch den Halbdämmer in das Gesicht Dycosters. Schließlich nickte er, wandte sich um und ging hinaus.
Das Pferd ließ er in dem Schattenstreifen stehen.
Drüben in der Tür seines kleinen engen Barbershops stand der dürre Wynn Hotter.
Wyatt trat auf ihn zu.
Der Barbier sah ihm mit zusammengezogenen Brauen entgegen.
»Kann ich rasiert werden, Mister?« Hotter schüttelte den Kopf.
Wyatt wischte sich durchs Gesicht und sah sich auf der menschenleeren Straße um.
Gleich hinter der Bank war das Sheriff-Office. Und dahinter lag ein Saloon, der ein gewaltiges Schild ausgehängt hatte: Dusty Saloon.
Wyatt hielt auf die Schenke zu.
Vorn am Eingang hing ein Perlschnürenvorhang, der sich leise bewegte. Da aber nicht der geringste Windhauch ging, kam Wyatt diese Bewegung merkwürdig vor.
Trotzdem ging er auf den Saloon zu, teilte die Perlschnüre und blickte in den überfüllten Schenkraum.
Sonderbar, dass er keinen Laut auf der Straße gehört hatte, wo doch der Saloon zum Bersten gefüllt war.
Auch jetzt war es reichlich still hier.
Wyatt zwängte sich durch die Männer an die Theke.
Der Wirt, ein aufgeschwemmter Riese mit Froschaugen, blickte nicht einmal auf, als Wyatt ein Getränk bestellte. Er sagte nur: »Hier ist jetzt Schluss. Ich schenke nichts mehr aus.«
Der Missourier hatte natürlich längst gemerkt, dass man ihn hier auflaufen ließ. Hal Flanagan war hier gewesen und hatte die Stadt gegen ihn aufgehetzt. Langsam verließ der Constabler den Saloon und ging auf das Sheriff-Office zu. Es war verschlossen.
Wyatt hämmerte gegen die dünne Holztür. Es dauerte Minuten, bis er schlurfende Schritte hörte. Dann wurde die Tür geöffnet, und das gelbe Gesicht des Sheriffs blickte durch einen Spalt.
»Was wollen Sie, es ist Mittagsruhe, Mann!«
»Mein Name ist Wyatt Earp …«
Mit einem Krach flog die Tür ins Schloss. Wyatt stieß sie sofort wieder auf.
Der Sheriff wich zurück. Er hatte ein offenes Hemd, war unrasiert und stank entsetzlich nach billigem Branntwein.
»Was wollen Sie?«, krächzte er mit belegter Stimme.
»Sie sind der Sheriff?«
»Ja.«
»Und Sie schämen sich nicht, das zuzugeben?« Wyatt ließ sich auf einen Hocker fallen. »Ich suche Hal Flanagan.«
»Ich weiß …«, entfuhr es dem Sheriff. Dann sagte er hastig: »Ich kann es mir denken. Jeder, der nach Panhandle kommt, sucht Hal Flanagan. Das ist schon seit Jahren so. Er ist ein bekannter Mann und jeder will ihn einmal gesehen haben, hihihihi!«
Wyatt starrte den Sheriff entgeistert an.
War der Mann etwa verrückt? Trocken versetzte er: »Ich suche Flanagan wegen Mordes an einer Frau!«
Jeff Dublin fuhr zurück. Er war auf einmal kreidebleich.
»Yeah, ich weiß«, sagte er ernüchtert. »Ich weiß, Mister Earp.«
Er rutschte hinter seinen mit allerlei Papieren und Gerätschaften überladenen kleinen Schreibtisch in den knarrenden Korbstuhl und sank regelrecht in sich zusammen.
»Ich weiß es. Aber ich habe nichts damit zu tun.«
»Sie sind der Sheriff!«
»Yeah – aber nur, wenn Hal Flanagan es will!«
Wyatt stand auf. »Er ist in der Stadt?«
»Das weiß ich nicht.«
Wyatt ging hinaus.
Er stand mitten auf der Straße und blickte sich um.
Nichts rührte sich.
Kein Laut war zu hören.
Die Hitze flimmerte über den Dächern der Häuser und waberte über dem gelben Sand.
Neben dem Farewell-Hotel war noch ein Saloon.
»Texas-Bar« stand auf einem großen weißen Schild mit riesigen roten Lettern geschrieben.
Texas-Bar! Oben im Norden schrieben es die Salooner gern auf ihre Schenken, um ihnen einen Geruch von dem fernen weiten Land zu geben.
Wie kläglich aber machte sich