Wyatt nickte. »Das ist anständig von dir, Flanagan. Aber ich habe doch eine Bitte, die die Stadt mir erfüllen muss. Wenn ich sterbe, möchte ich nicht hier in der Erde liegen, in der Stadt, die einen Mörder geschützt hat. Vielleicht können mich die Boys der Looney-Ranch ein Stück mit hinausnehmen und dann irgendwo im Sand verscharren. Das wäre mir eine Beruhigung.«
Totenstille.
»Du siehst also auch keine Chance für dich, Earp?«, rief Flanagan heiser.
»Hauptsache, du siehst gut!«, rief der Missourier zurück.
Niemand sagte ein Wort.
»Noch eins!«, rief Wyatt. »Ich will es noch einmal sagen, was auch geschieht: Du hast oben bei Lamar die Frau ermordet und drüben in Lodge den Barbier Villerton. Du bist ein Mörder und gehörst an den Galgen! Fangen wir an!«
Flanagan hob seine Hände und rieb sie langsam an der Weste ab. Dann wandte er den Kopf. »Sheriff!«, brüllte er.
Der Hüter des Gesetzes kam auf den Vorbau. Er war also über alles instruiert.
»Was willst du, Flanagan?«, fragte er.
»Dieser Bursche da hat mich beleidigt. Wir werden das ausschießen. Damit es ein fairer Kampf ist, gib du den Startschuss!«
Dublin machte noch einen schwachen Versuch, die höllische Geschichte abzubiegen.
»Du weißt, dass ich für Ordnung in der Stadt zu …«
»Halt’s Maul!«, zischte der Schießer ihn an. »Nimm deinen Colt aus dem Halfter und zähle laut bis drei, dann gibst du einen Schuss in den Himmel ab!«
Der Sheriff bewegte sich nicht.
»Vorwärts!«, donnerte ihn Flanagan an. Da hob der Mann den Revolver. Seine Hand zitterte.
Die Stille in der Mainstreet war atembeklemmend.
Die Menschen starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die beiden Männer. Und da brüllte der Schuss auf.
Was dann geschah, sollte die Texasstadt Panhandle nie wieder vergessen.
In der Linken des fremden Marshals lag der Colt. Wie er dahingekommen war, hatte niemand gesehen. Jedenfalls steckte er vor dem Schuss noch im Halfter. Eine so gedankenschnelle Handbewegung hatten die Männer, die an schnelle Schützen gewohnt waren, noch nicht erlebt.
Auch Hal Flanagan war rasend schnell gewesen. Seine Rechte hatte den Colt fast bis zum Korn aus dem Halfter gehabt. Und da verharrte die Hand mit der Waffe wie erstarrt.
Das Gipsgesicht des Revolvermannes war grau geworden. Seine Lippen sprangen auf.
»Nein!«, stieß er tonlos hervor. »Nein – das ist nicht wahr!«
Kalt sah ihm der Mann drüben in die Augen.
Und alle wussten es: Das Duell war entschieden, noch ehe es richtig begonnen hatte. Der Missourier hatte ihren Mann geschlagen!
Da brach es von den Stepwalks und Vorbauten nieder, überschwemmte vielfüßig und brüllend die Straße.
Die Menschen bildeten eine dichte Mauer aus ihren Leibern zwischen den beiden Schützen.
Es wogte hin und her auf der Straße, Schreien, Brüllen, Johlen und Kreischen mischte sich mit Schüssen, die in den unschuldigen Abendhimmel krachten.
Und als Wyatt Earp Luft bekam, als sich die Menschen langsam verzogen, sah er, dass der Mann mit dem weißen Hut verschwunden war.
Hal Flanagan hatte durch den unfairen Run seiner Landsleute Gelegenheit zur Flucht gefunden.
Wyatt zwängte sich durch die Leute zum Sheriff-Office.
»Wo ist er?«, fragte er nur und senkte den Kopf.
»Ich weiß es nicht, Marshal«, gab der Sheriff düster zurück.
»Ich konnte ihn in diesem Durcheinander nicht mehr sehen.«
»Sheriff!«, sagte Wyatt hart. »Sie haben heute zweimal das Gesetz verletzt! Ich warne Sie. Sagen Sie mir, wo Flanagan geblieben ist!«
Dublin blickte die Straße hinunter.
*
Der Missourier ritt aus der Stadt, nur eine halbe Stunde später.
Niemand hatte ihm den Eintritt in den »Dusty Saloon« verwehrt, wo er ein Glas Wasser getrunken hatte. Im Store hatte er seinen Munitionsvorrat aufgefüllt und einen neuen Beutel für seinen Proviant gekauft.
Dann hatte er das weiße, grelle und doch so düstere Panhandle verlassen.
An der südlichen Grenze der Looney-Weide traf er einen Tag später auf den kleinen Jim Brennan. Der Cowboy saß auf einem Weidepfahl und kaute auf einem Priem herum.
Wyatt hielt auf ihn zu.
»Hallo, Mr Earp.«
»Wo ist Hal Flanagan?«
»Ich weiß es nicht!« Der Cowboy wies hinter sich. »Ich bin doch kein Verräter. Aber der große Sand fängt schon drüben hinter den Hügeln an.«
Sieben Tage hetzte der Constabler den Mörder noch durch den glühenden Sand. Dann kam das Ende.
Wyatt hatte seit zwei Tagen keinen Tropfen Wasser mehr. Er war längst aus dem Sattel gerutscht und trottete vor seinem Gaul durch den glühenden Sand.
Als die Nacht kam, legte sich Wyatt auf seine Decke. Erst gegen ein Uhr wurde es kühler. Da erhob er sich wieder und trottete weiter. Der Spur folgend, die er seit Tagen vor sich hatte.
Und als der Morgen graute, sah er ihn.
Er lag noch drei Yards vor seinem Pferd, das erschöpft im Sand hockte.
Wyatt beugte sich über ihn und sah ihm ins Gesicht.
Er war noch nicht tot.
»Wasser …«, lallte er.
Wyatt sah ihm in die glasharten Augen. Dann nahm er ihm die Revolver ab und blickte sich um.
Kaum eine halbe Meile entfernt erkannte er die strichdünne Silhouette einer Stabkaktee, die in den grauschwarzen Himmel ragte.
Er trottete darauf zu.
Der Apfelschimmel folgte ihm.
Als die Sonne über den Horizont kroch, sah er die Häuser.
Und dann richtete er sich auf und rannte, bis er kurz vor dem ersten Haus zusammenbrach. Der Aufprall auf den sandigen Boden brachte ihn wieder zu sich. Er taumelte in den Hof an die Pferdetränke.
Ein hartgesichtiger Mann schleppte ihn zu einer rohgezimmerten Bank und brachte ihm Wasser.
Es war schon Mittag, als Wyatt wieder bei dem Revolvermann ankam.
Es war zu spät.
Wyatt hatte die Wasserflasche in der Hand und starrte auf den toten Mörder, der Mary Calligan nieder …
Dann warf er den glühenden Sand über den Körper und stieg in den Sattel.
Als er durch Panhandle ritt, sahen die Menschen an den Fenstern und Türen, dass er einen weißen Hut vorn neben dem Lasso hängen hatte. – Den Hut des Revolvermannes Hal Flanagan.
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