Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
Скачать книгу
die Küche hinein. »Ich bin der Thomas, euer neuer Knecht.«

      *

      Christel Enzinger sah dem Traktor hinterher, mit dem Thomas auf das Feld hinaus fuhr. Es war schon der zweite Tag, und von morgens bis abends war der Knecht unterwegs, bestellte die Äcker, hatte Baumstümpfe gerodet und sogar schon, zusammen mit Leopold, das erste Heu eingefahren. Unermüdlich schien er zu sein.

      Beim ersten gemeinsamen Abendessen hatte die Bäuerin ihn mit den anderen Hausgenossen offiziell bekannt gemacht. Resl und Leopold waren sichtlich froh, endlich Hilfe bekommen zu haben, und Christel selbst konnte eine Atempause einlegen. Zum ersten Mal seit dem Tod ihres Mannes saß sie abends vor dem Haus und hatte die Hände in den Schoß gelegt.

      Die alte Magd hatte die Kammer unter dem Dach für Thomas saubergemacht, und das Bett bezogen. Sie und der alte Knecht wohnten ebenfalls hier oben. Das Badezimmer befand sich im ersten Stock darunter.

      Der Neue auf dem Enzingerhof hatte sich zufrieden umgesehen, seine Sachen ausgepackt und war in die Arbeitshose und Jacke geschlüpft. Ohne viel Federlesen hatte er sich dann an die Arbeit gemacht. Was es zu tun gab, sah er ja mit eigenen Augen.

      Beim Abendbrot saßen sie nun wieder zu viert in der Küche. Thomas hatte auf der Eckbank Platz genommen. Er wußte natürlich nicht, daß es genau der Platz war, auf dem Wolfgang Enzinger immer gesessen hatte. Aber für Christel war es ein eigenartiges Gefühl, ihn dort zu sehen. Sie saß ihm direkt gegenüber, und während des Essens fühlte sie immer wieder seinen Blick auf sich ruhen.

      Später, als sie in ihrer Kammer lag und auf das leere Bett neben sich schaute, da füllten sich ihre Augen mit Tränen. So viel war an diesem Tag auf sie eingestürmt, daß es seine Zeit brauchte, bis sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle hatte.

      Erst das plötzliche Auftauchen des Mannes, dem einst ihre ganze Liebe gegolten hatte, und der sie verließ.

      Dann erschien der Bürgermeister auf dem Hof und bot ihr viel Geld dafür an, wenn sie an ihn verkaufte.

      Schließlich kam Thomas zurück, obwohl sie ihm gesagt hatte sie würde ihn nicht einstellen, und jetzt lag er, nur durch ein paar Zimmerdecken von ihr getrennt in dem Haus, das sie seit fünf Jahren bewohnte.

      Ihr Herz klopfte wild, wenn sie daran dachte, und all die Sehnsucht und Leidenschaft einer einsamen Frau brach sich in ihrem Inneren Bahn.

      Ruhelos stand sie auf, ging ans Fenster und schaute hinaus in die Nacht. Christel war bewußt geworden, daß sie Thomas Brenner immer noch liebte. Vielleicht mehr, als sie es vor Jahren fähig gewesen war. Und dennoch würde sie es ihm gegenüber niemals eingestehen.

      Einmal hatte er sie bitter enttäuscht und niemand konnte sagen, ob es nicht wieder geschehen würde.

      An die Eltern dachte sie, von denen sie, seit sie von zu Hause fortgegangen war und Wolfgang geheiratet hatte, nie wieder etwas hörte oder sah.

      An die Mutter, die zu schwach war, sich gegen ihren willensstarken Mann durchzusetzen. Und an den Vater, der wie ein Despot über seine Familie regierte. Imperator – Eroberer – so wurde er heimlich genannt, und dieser Spitzname traf voll und genau auf ihn zu. Rücksichtslos hatte er kleine Brauereien aufgekauft, nur um sie später aufzulösen, damit die Marke Hoferbräu keine Konkurrenz mehr zu fürchten hatte.

      Es war bezeichnend für das Verhältnis zwischen ihren Eltern, daß die Mutter heimlich einen Scheck von ihrem Konto ausstellte und ihn der Tochter zukommen ließ.

      Dennoch – wenn Ernst Hofer davon etwas erfuhr, und das würde er unweigerlich, wenn er die Konten kontrollierte, dann mochte Christel nicht in der Haut der Mutter stecken…

      »Was mach’ ich nur? Was mach’ ich nur?« murmelte die junge Witwe, während sie die heiße Stirn an das kühle Glas der Fensterschreibe preßte.

      Das verlockende Angebot des Bürgermeisters ließ ihr ebenso keine Ruhe, wie die Tatsache, daß Thomas Brenner im selben Haus schlief, wie sie.

      Sorgenfrei könnte sie leben, wenn sie dem Bruckner-Markus zusagte. Im Grunde konnte es ihr gleichgültig sein, was aus dem Enzingerhof wurde. Sie würde dafür sorgen, daß Resl und Leopold in einem guten Altenheim unterkamen, und dann irgendwo hingehen und ein neues Leben anfangen.

      So eine Perspektive hatte es noch nie in ihrem Leben gegeben.

      Christel wandte sich vom Fenster ab und ging zum Bett zurück. Es hatte keinen Sinn, wenn sie die halbe Nacht am Fenster stand und hinausschaute. Morgen früh würde der Wecker unerbittlich klingeln.

      Ihr Blick fiel auf die Fotografie auf dem Nachtkästchen, neben ihrem Bett. Wolfgang, kurz nach ihrer Hochzeit. Stolz und glücklich war er gewesen, als die schöne Tochter des reichen Bierbrauers seinen Antrag annahm, und dieses Glück konnte man deutlich auf dem Foto erkennen. Wolfgang strahlte es förmlich aus.

      Die junge Witwe setzte sich auf die Bettkante, nahm den Bilderrahmen in die Hand und sah lange und nachdenklich das Foto an.

      »Was mach’ ich, Wolferl?« fragte sie wieder verzweifelt.

      »Kannst mir net einen Rat geben?«

      *

      »Hast schon Nachricht von der Enzingerbäuerin?«

      Josef Ramsauer stieß eine dicke Wolke Zigarrenrauch in das Büro des Bürgermeisters, während er die Frage stellte.

      Markus Bruckner sah ihn unwillkürlich an. Sein Unmut hatte zweierlei Gründe: Zum einen mochte er es nicht, wenn in seinem Dienstzimmer geraucht wurde, zum anderen löcherte der Bauunternehmer ihn seit gestern ständig mit dieser Frage. Selbst als er zu Hause seinen wohlverdienten Feierabend genießen wollte, klingelte das Telefon und der Ramsauer wollte wissen, ob es bereits Neuigkeiten gebe.

      »Kannst net mal dieses Stinkzeugs da ausmachen?« fragte Markus Bruckner ärgerlich. »Damit verpestes’ mir ja die ganze Luft herinnen!«

      Der Bauunternehmer starrte erst ihn, dann seine Zigarre an.

      »Stinkszeug?« echote er empört. »Das ist eine echte Havanna! Weißt überhaupt, was die kostet?«

      »Nein, und es interessiert mich auch net«, gab der Bürgermeister zurück. »Und was deine Frage angeht – ich hab’ noch keine Nachricht von der Christel erhalten. Ich denk, es ist auch net gut, wenn ich dort dauernd anfrage. Also wappne dich mit Geduld.«

      Josef Ramsauer war mit einer Aktenmappe unter dem Arm hereingekommen. Während er sich auf den Stuhl gesetzt hatte, stand sie zu seinen Füßen. Jetzt nahm er sie in die Hand und ging damit zu einem Tisch am Fenster. Er legte einen Stapel Papiere und Propekte beiseite, die darauf lagen, und öffnete die Mappe.

      »Schau her«, winkte er Markus Bruckner heran.

      Dabei wedelte er den Rauch seiner Zigarre fort. Sie auszumachen, fiel ihm natürlich nicht ein.

      Der Bürgermeister trat näher. Josef Ramsauer hatte ein Papier herausgeholt und auseinander gefaltet. Es war eine Bauzeichnung.

      Neubau eines Seminar- und Sporthotels, stand drüber.

      »Schau dir das an«, lächelte der Bauunternehmer. »So wird’s einmal aussehn, unser Baby.«

      Interessiert beugte sich Markus Bruckner über den Plan. Ein großes Gebäude war eingezeichnet, dazu mehrere kleinere, unter denen Bezeichnungen wie Sporthalle, Schwimmbad und Sauna standen. Ringsherum waren Plätze geplant, dort wo jetzt noch die Felder waren. Tennis, Golf und Mehrzwecksportplatz.

      »Na, ist das was?« fragte der Besucher mit einem gewinnenden Lächeln. »Du mußt zugeben – das übersteigt deine Erwartungen.«

      »In der Tat«, nickte der Bürgermeister. »Respekt. Eins muß man dir lassen – wenn du was planst, dann wird geklotzt und net gekleckert.«

      »Das will ich meinen!«, grinste der Ramsauer zufrieden über seinen Erfolg. »Und genau deshalb müssen wir am Ball bleiben. Diese Frau Enzinger muß an uns verkaufen!«

      Markus Bruckner rieb sich nachdenklich über das