Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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      »Das wär’ auch ganz schlecht, Frau Hofer, wenn man die Hoffnung aufgeben wollt«, sagte er zum Abschied.

      »Nur warten S’ net zu lang mit Ihrer Emanzipation, eines Tag’s – das könnt’ schon bald zu spät sein.«

      Nachdenklich fuhr der Geistliche nach St. Johann zurück. Der Scheck knisterte in seiner Tasche. Sebastian bezweifelte, das die Summe, die darauf stand, ausreichen würde, um Christel Enzinger aus ihrer wirtschaftlichen Not zu befreien. Aber vielleicht konnte sie damit fürs erste die Kosten für einen weiteren Knecht decken.

      Vorausgesetzt, es fand sich überhaupt einer.

      Aber dann blieb immer noch das Problem mit der Hypothek. Und mit säumigen Rückzahlern kannten die Banken meistens kein Pardon.

      Pfarrer Trenker ahnte, daß die dunklen Wolken, die über dem Enzingerhof schwebten, noch lange nicht bereit waren, sich zu verziehen. Trotzdem war er gewillt, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sie zu verscheuchen.

      Sebastian Trenker würde nicht seinem guten Ruf genießen, ließe er sich von solchen Problemen abschrecken.

      *

      »Guten Morgen, Christel.«

      Die junge Bäuerin war im Garten und hielt die Hacke in der Hand. Das Unkraut stand meterhoch, wie sie meinte. Nachdem Resl in den vergangenen Wochen sich wegen eines Rückenleidens nicht darum hatte kümmern können, wucherte es zwischen den Gemüsebeeten. Christel war erst heute dazu gekommen, hier endlich einmal Ordnung zu schaffen.

      Als sie die Stimme hörte, drehte sie sich um und starrte den Sprecher entgeistert an.

      »Du?« sagte sie fassungslos und hielt sich am Stiel der Hacke fest, weil sie glaubte, jeden Moment umfallen zu müssen.

      Jeden anderen hätte sie erwartet, aber diesen Mann ganz bestimmt nicht!

      Thomas Brenner lächelte verlegen. Er hatte seinen schweren Rucksack vor dem Haus abgeschnallt und dort stehen gelassen. Die alte Magd, die draußen in der Sonne saß, antwortete auf seine Frage, daß die Bäuerin hinten im Garten sei.

      »Ja, ich bin’s«, nickte er und spielte mit einem Jackenknopf. »Wie ich gehört hab’, ist hier die Stelle eines Knechts frei. Ich wollt mich dafür anbieten.«

      Christel Enzinger hatte einigermaßen ihre Fassung wiedergewonnen. Das plötzliche Auftauchen des Mannes, der einmal ihre große Liebe gewesen war und der dann für lange Jahre verschwand, hatte sie durcheinander gebracht. Als er jetzt so unversehens vor ihr stand, da fühlte sie ihr Herz heftig klopfen, und wie im Zeitraffer schien ein Film vor ihr abzulaufen, in dem sie all die Bilder von früher wiedersah.

      Sie räusperte sich.

      »Ich weiß net«, antwortete die Witwe. »Es stimmt schon, einen Knecht könnt ich gebrauchen. Ich kann ihn bloß net zahlen.«

      Thomas zuckte die Schultern.

      Mein Gott, dachte er, wie schön sie immer noch ist. Nein sie war noch viel schöner geworden in all den Jahren!

      Er schaute sie an. Das Gesicht einer reifen Frau. Fein geschnitten, von blonden Locken umrahmt, mit vollen roten Lippen. Lippen, die er so oft geküßt hatte…

      Aber er sah auch den dunklen Zug, der darum lag, und Thomas ahnte, was Christel in den zwei Jahren, seit ihr Mann tot war, durchgemacht haben mußte.

      »Ich hab’ vom Kärner-Xaver gehört, was gescheh’n ist«, sagte er. »Das mit deinem Mann tut mir leid. Der Xaver hat mir auch erzählt, daß es net so gut steht, um den Hof. Wenn ich helfen kann? Auf die Bezahlung kommt es mir net so an…«

      Stolz hatte sie den Kopf erhoben und erwiderte seinen Blick.

      Warum war er gekommen? Aus Mitleid?

      Darauf konnte sie verzichten. Almosen wollte sie nicht. Wenn die Enzingerbäuerin einen Knecht einstellte, dann zahlte sie ihn auch!

      »Vielen Dank, für dein Angebot«, schüttelte die den Kopf. »Aber ich kanns net annehmen. Versuchs doch woanders.«

      Mit zwei Schritten war er bei ihr und packte sie bei der Schulter.

      »Madel, sei doch vernünftig«, sagte er eindringlich. »Ich seh’ doch, daß es hier an allen Ecken und Enden fehlt.«

      Er deutete mit dem Kopf zum Haus.

      »Es ist ja wirklich edel von dir, daß du die beiden Alten mit durchschleppst, aber davon stellst den Hof net wieder auf die Beine. Die Arbeit ist zuviel, als daß du sie allein schaffen könnt’st. Ich will dir doch nur helfen!«

      Sein Gesicht war ganz nahe an ihrem. Christel spürte seinen Atem auf ihren Wangen, fühlte seinen Griff, mit dem er sie festhielt.

      Wie sehr wünschte sie sich, er würde sie jetzt in seine Arme nehmen und küssen. Seit Wolfgangs Tod hatte sie nicht mehr die Nähe eines Manne verspürt, und jetzt war Thomas zurückgekommen…

      Doch dieses Gefühl überwältigte sie nur für Sekunden, dann hatte sie es abgeschüttelt, wie ein lästiges Insekt. Ihre Liebe zu Thomas Brenner war an jenem Tag gestorben, als er sie verließ. Nur zu gut erinnerte sie sich der Auseinandersetzung, die sie darüber geführt hatten, ob sie gemeinsam fortgehen sollten. Christel hatte Zweifel, ob sie es zusammen in der Fremde schaffen könnten. Sie waren beide noch viel zu jung. Außerdem hing sie an der Heimat. An dem Abend, als es endgültig zum Bruch kam, da hatte Thomas sie genauso festgehalten wie jetzt, und genauso auf sie eingeredet.

      Die Tage und Wochen, die dann folgten, schienen unerträglich zu sein. Besonders ihr Vater erging sich in hämischen Bemerkungen darüber. Daß seine Tochter fürchterlich litt, sah er überhaupt nicht.

      Eher aus Trotz, als aus echter Zuneigung hatte sie ein Jahr später Wolfgang Enzinger geheiratet, als der ihr einen Antrag machte.

      Die Liebe wird sich schon noch einstellen, glaubte Christel.

      Natürlich tat es weh, daß die Eltern nicht zur Hochzeit kamen. Daß sie Jahre später selbst auf den Tod des Schwiegersohnes nicht reagierten, berührte die junge Witwe schon nicht mehr. Sie hatte sich damit abgefunden, daß der Riß zwischen ihr und den Eltern nicht mehr zu kitten war.

      Dafür konnte sie sich aber sagen, daß sie Wolfgang immer eine gute Ehefrau gewesen war, auch wenn die wahre große Liebe sich doch nicht einstellte, wie sie es sich erhofft hatte.

      Wolfgang war ein liebevoller und treusorgender Ehemann, der fleißig arbeitete, um für sich und Christel ein gesichertes Heim zu schaffen. Leider war sein größter Wunsch, Vater zu werden, nie in Erfüllung gegangen, und das war das einzige, was Christel an dieser Ehe bedauerte. Unwillig befreite sie sich aus seinem Grifff.

      »Nein, Thomas«, sagte sie

      energisch, »ich kann dich net einstellen. Und jetzt laß mich meine Arbeit machen.«

      Enttäuscht gab er sie frei und wandte sich nach einem letzten Blick um. Während er durch den Garten schritt, hatte Christel sich gebückt und zupfte das Unkraut mit der Hand heraus.

      Den Kopf hielt sie gesenkt, damit er ihre Tränen nicht sah.

      *

      Dieser unerwartete Besucher brachte die hübsche Witwe mehr aus der Fassung, als sie sich eingestehen wollte.

      Nachdem Thomas Brenner den Hof verlassen hatte, war sie nach vorne gegangen und hatte sich zu Resl auf die Bank gesetzt.

      »Was hat er denn gewollt, der junge Mann«, erkundigte sich die Magd.

      »Eine Stelle als Knecht hat er gesucht«, antwortete die Bäuerin, während sie mit ihren Gedanken ganz woanders war.

      »Und?« wollte Resl wissen. »Hast ihn eingestellt?«

      Christel nahm die Frage nur am Rande wahr.

      »Was hast g’sagt?« fragte sie und sah die Magd an, als wäre sie erstaunt, daß sie überhaupt da sei.

      »Ob du ihn eingestellt hast,