Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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»Das Ergebnis der Laboruntersuchung hab’ ich heut’ morgen bekommen. Hubert leidet an einer Art Grippe. Ich hab’ gleich auf dem Hof angerufen und angeordnet, daß er von den and’ren Tieren getrennt untergebracht wird, damit er sie net ansteckt. Außerdem müssen wir jeden zweiten Tag hinauf und dem Bullen eine Spritze geben.«

      »Was ist das für ein Wirkstoff? Ein Antibiotikum?« erkundigte sich der junge Tierarzt.

      »Nein«, schüttelte Elena den Kopf, »man könnt’ fast sagen, es ist ein homöopathisches Mittel. Deshalb muß es auch so oft verabreicht werden, dreimal jeden zweiten Tag. Erst wenn dann keine Besserung eingetreten ist, werden wir zu härteren Mitteln greifen müssen. Doch vorerst möchte ich davon absehen. Ich arbeite net gern mit Medikamenten, die zwar die Krankheit bekämpfen, aber net die Ursache. Das, was der Hubert jetzt bekommt, habe ich selbst mitentwickelt, als ich noch in München gearbeitet hab’.«

      Sie erzählte von der großen Münchener Tierklinik, die ein eigenes Forschungslabor unterhielt, in dem sie als Assistentin des Laborchefs gearbeitet und geforscht hatte. Daß dieser Laborchef um ein Haar ihr Ehemann geworden wäre, erwähnte sie allerdings nicht. Rechtzeitig hatte Elena bemerkt, daß es zwischen ihnen zu große Unterschiede gab, als daß es für eine dauerhafte Beziehung gereicht hätte.

      Inzischen war sie glücklich verheiratet und dachte nur noch selten an ihr früheres Leben.

      Jörg kannte natürlich diese namhafte Tierklinik und hatte selbst erwogen, sich nach dem Studium dort zu bewerben. Die Gründe, die er nannte, warum er es letztendlich doch nicht getan hatte, waren Elena sehr sympathisch, ähnelten sie doch ihren eigenen, die sie schließlich ihre Arbeit dort hatte aufgeben lassen.

      »Wissen S’, ich stand kurz davor den Arbeitsvertrag zu unterschreiben«, erklärte der Tierarzt. »Doch dann kamen mir Zweifel, ob’s wirklich der Weg ist, den ich gehen wollte. Ich liebe Tiere und den Kontakt mit ihnen, außerdem hat man in einer eigenen Praxis auch das Gespräch mit dem Besitzer, kann Ratschläge erteilen und so dem Hund, der Katze oder dem Kaninchen oft noch besser helfen, als wenn sie in einem Käfig stecken, behandelt werden, aber doch nur irgendein Tier sind.«

      »Genau das waren auch meine Beweggründe«, nickte Elena Wiesinger. »Deshalb hab’ ich mich damals auch schnell entschlossen, auf die Anzeige zu schreiben, als der alte Dr. Hardlinger einen Nachfolger suchte.«

      Sie deutete nach vorne.

      »Wir sind gleich da. Das ist der Wendlerhof.«

      Franz Raudinger winkte ihnen zu, als er mit dem Traktor gerade den Hof verließ. Xaver Wendler stand vor dem Stall. Es schien, als habe er schon auf die Tierärztin gewartet.

      »Grüß Sie, Frau Doktor, schön, daß Sie da sind«, begrüßte er Elena.

      Sie machte die beiden Männer miteinander bekannt.

      Der Bauer drückte Jörg kräftig die Hand.

      »Das freut mich, daß Sie jetzt Unterstützung haben«, sagte er und deutete auf den Stall. »Wir haben den Hubert hinten im Anbau untergebracht, so, wie Sie’s angeordnet haben.«

      »Sehr schön, Herr Wendler«, nickte Elena zufrieden.

      »Dann woll’n wir mal seh’n, ob wir ihn net bald wieder auf die Beine bekommen.«

      Zu dritt gingen sie um den Stall herum. Vor einiger Zeit war dort, auf Elenas Anraten, ein Anbau errichtet worden, um bei etwaigen Erkrankungen die betroffenen Tiere gesondert unterbringen zu können. Jetzt erwies es sich, wie gut dieser Ratschlag gewesen war.

      »Wie viele Tiere haben S’ eigentlich?« erkundigte sich Jörg.

      »Hier unten sind’s vierzig Stück Milchküh«, antwortete Xaver Wendler. »Aber oben, auf der Alm, steh’n noch einmal zwanzig Stück. Außerdem gibt’s noch ein paar Schweine, aber die sind mehr zum eigenen Gebrauch, als zum Verkauf.«

      Er öffnete die Tür zum Anbau und drehte an einem Lichtschalter. Hubert lag in einer breiten Box. Die beiden Tierärzte knieten sich neben ihn. Sie erkundigten sich, ob der Zuchtbulle gefressen und getrunken habe. Das Futter hatte er verweigert, berichtete der Bauer, doch Wasser trank er, sobald man es ihm vorsetzte. Die Antwort befriedigte Elena und Jörg. Sie gaben Anweisung, mehrmals am Tag das Trinkgefäß zu füllen. Auf Futter konnte Hubert gut noch einen Tag verzichten. Er würde schon wieder mit dem Fressen anfangen, wenn er Appetit bekam.

      »Das Fieber ist gefallen«, sagte Elena nach einer kurzen Untersuchung. »Es ist zwar noch net ganz fort, aber deutlich unter dem, wie’s gestern war.«

      Sie sah Jörg Urban an.

      »Dann geben S’ ihm mal die Spritze.«

      Während der Tierarzt alles dafür vorbereitete, erklärte Elena dem Bauern, was es mit dem Medikament auf sich hatte, und warum es so oft verabreicht werden mußte.

      »Wenn’s ihm hilft, soll’s mir recht sein«, meinte Xaver.

      Jörg hatte die Spritze gesetzt und richtete sich wieder auf.

      »Kann ich mir hier irgendwo die Hände waschen?«

      »Geh’n S’ nur hinüber, ins Haus. Die Christine ist in der Küche, sie wird Ihnen alles zeigen.«

      Jörg ging über den Hof. Dabei bewunderte er das schindelgedeckte Haus, das zwar alt war, aber in einem schmucken Zustand. Offenbar hatten schon Generationen von Bauern darin gewohnt.

      Er öffnete die Haustür und betrat die große Diele. Rechts zweigte eine Tür ab, hinter der es rumorte. Das mußte die Küche sein. Er klopfte an und öffnete.

      Christine Brunner war damit beschäftigt, das Küchenbüfett auszuräumen und auszuwischen. Sie sah den fremden Mann mit großen Augen an.

      »Ja, bitte…?«

      Jörg lächelte.

      »Ich würd’ mir gern’ die Hände waschen«, sagte er.

      Die junge Magd verstand gar nicht, wieso ein Fremder daherkam und sich im Haus die Hände waschen wollte.

      »Entschuldigen S’«, stellte er sich schnell vor. »Ich bin Dr. Urban, der Assistent von Frau Dr. Wiesinger. Wir haben eben den Hubert verarztet.«

      In Christines Augen funkelte es, und Lachfalten bildeten sich um sie herum.

      »Ach so. Kommen S’ nur, ich zeig’ Ihnen das Bad«, schmunzelte sie.

      Sie durchquerten die Diele, und sie hielt ihm die Tür auf.

      Jörg trat ein, wusch sich die Hände und trocknete sie an einem Handtuch ab.

      So beginnt also dein erster Arbeitstag, dachte er dabei. Er schaute in den Spiegel und nickte zufrieden. St. Johann gefiel ihm, die Wiesinger noch mehr – es konnte eine schöne Zeit werden, die er im Wachnertal verbrachte. Und vor allem würde er noch eine ganze Menge dazulernen können.

      Und wenn die Madln hier alle so gut gewachsen waren, wie diese Christine…

      Er verließ das Badezimmer und rief beim Hinausgehen einen Gruß in die Küche. Christine stand am Fenster und schaute ihm hinterher. Hinter ihr stapelten sich Mehl- und Zuckertüten, Gläser und Dosen, alles, was sie aus dem Schrank geräumt hatte. Doch im Moment hatte sie nur Augen für Dr. Urban, und ihr Herz klopfte rasend schnell, wenn sie an den Blick dachte, den er ihr zugeworfen hatte.

      *

      Sebastian Trenker war auf dem Rückweg von Waldeck nach St. Johann. Es war ein schöner Nachmittag gewesen, den er mit den Menschen dort im Heim verbracht hatte. Frau Raindel, die Leiterin, hatte eine junge Autorin eingeladen, die aus ihrem Erstlingswerk, einem Roman der in den Bergen spielt, vorlas. Umrahmt wurde das Ganze von einer musikalischen Darbietung, die Schülerinnen und Schüler der Musikschule in der Kreisstadt zu Gehör brachten.

      Der Bergpfarrer wollte gerade von der Landstraße auf die Bundesstraße einbiegen, als ein merkwürdiges Geräusch ihn anhalten ließ. Kurz zuvor war es ihm zum ersten Mal aufgefallen, jetzt war das Schleifen lauter geworden. Er hatte seinen Wagen an