Noch nie hatte ich ein sinnlicheres Erlebnis! Fabiano bekam einen völlig anderen Blick, wenn er malte. Mit Hingabe betrachtete er sehr genau und war dabei doch absolut neutral, aber auch ernst. Ich war völlig beeindruckt, wenn er malte. Stundenlang könnte ich ihn betrachten und dabei gemalt werden. Für mich war das total spannend!
»Wenn ich male«, erzählt er, »gehe ich eine tiefe Liebesbeziehung zu meinem „Malobjekt“ ein.« Das konnte man spüren!
Mein Gott, wie schön hatte er mich skizziert! Verblüfft schaute ich ihn an. Und abwechselnd wieder auf die Skizze, die ich in Händen hielt: »Unglaublich, du hast mich gesehen, wie mich kaum einer jemals gesehen hat. Wie konntest du das sehen? Du hast einen ganz versteckten Aspekt an mir wahrgenommen, den eigentlich ich selbst von mir kaum kannte. Dennoch hast du es gesehen, gespürt, gefühlt und konntest diese innerste Facette von mir tatsächlich auf Papier bringen.« Ich war überrascht und wirklich tief beeindruckt. Er schmunzelte bescheiden.
Es war schon spät geworden, ich war müde und wollte schlafen gehen. Morgen war für uns der vorletzte Tag. Wir wollten früh raus, denn Fabiano wollte mit mir nach Graciosa, einer kleinen vorgelagerten Insel, fahren. Ich ging in mein Zimmer und war gerade dabei, mich auszuziehen, als Fabiano an die Tür klopfte. »Du hast etwas vergessen!«
Rasch zog ich mir wieder etwas über und rief: »Komm doch rein.«
Er hatte meine Kissen in der Hand. Verlegen lächelnd nahm ich die Kissen entgegen. Er blickte mich mit seinen dunklen Augen voll seltsamer Neugierde an. Plötzlich küsste er mich.
Sein Kuss überrumpelte mich. Ich blieb zurückhaltend. Sollte ich seinen Kuss erwidern? Oh, er küsste gar nicht schlecht. Sehr gut sogar! Und er roch verführerisch gut. Nach Sandelholz und Patchouli. Sein 5-Tage-Bart kratzte ein wenig, und er küsste mir ziemlich weiche Knie. Wir landeten beide auf dem Bett. Oh Gott, was tue ich hier? Ich kam mir ganz jungfräulich vor. Was geschieht mit mir? Es war aufregend und verführerisch. Und irgendwie auch fremd.
Es ist ziemlich fesselnd, von einem Maler betrachtet zu werden. Und Fabiano konnte sehr genau betrachten, und das, was er sah, noch schöner beschreiben. Ich ließ mich von seinen Küssen und erregenden Komplimenten hinwegtragen. Ich fühlte mich wie in einem Rausch.
Doch dann bremste ich ihn und zierte mich: »Fabiano, nein, bitte nicht«, ich schob ihn sanft weg. »Du bist verheiratet und ich im Übrigen auch.«
Am nächsten Morgen – irgendwie fühlte ich mich leicht verlegen – frühstückten wir. Fabiano wollte mich auf der Insel Graziosa noch einmal skizzieren. Ein wenig Scheu hatte ich durch den gestrigen Abend verloren. Und im Tageslicht fühlte ich mich sicher. Irgendwie war ich erleichtert, dass gestern Abend nichts passiert war.
Gott sei Dank war es heute etwas diesig und deshalb nicht so heiß. Auf der Insel gab es kaum schattige Plätze. Hier wuchsen keine Bäume oder Palmen, die Schatten hätten spenden können. Fabiano war der Hitze gegenüber wesentlich unempfindlicher als ich. Aber war es ein Wunder? – Er ist Perúaner!
Wir waren ein bisschen zu spät losgekommen und mussten doch bis ans andere Ende der Insel, um das Boot nach Graciosa noch zu erreichen. Wir beeilten uns. Fabiano fuhr schnell und etwas hektisch los. »Wer langsamer macht, kommt schneller ans Ziel«, versuchte ich lächelnd, sein Tempo zu drosseln. In letzter Sekunde erwischten wir das Boot, kurz bevor es ablegen wollte.
GRACIOSA
Die Überfahrt war rau und windig. Auf die Insel durfte man nicht mit seinem eigenen Auto fahren. Also suchte Fabiano für uns einen Fahrer, der uns in die Nähe der Bucht, zu der Fabiano mit mir hinwollte, bringen sollte.
Es war eine abenteuerliche Fahrt, denn es gab überhaupt keine Straße. Wir fuhren einfach mitten durch die Sanddünen und der Jeep schaukelte so mächtig, dass ich schon fürchtete, er würde gleich umkippen. Es war fast ein Wunder, dass wir irgendwo ankamen.
Als wir ausstiegen, hatte ich ganz wackelige Knie von der Fahrt. Das letzte Stück bis zur Bucht wollten wir zu Fuß zurücklegen. Etwa eine halbe Stunde Fußmarsch lag vor uns. Ich folgte Fabiano, der sich anscheinend auskannte. Es war ziemlich anstrengend, durch den tiefen Sand zu laufen. Doch die Bucht entlohnte uns für die Strapazen. Sie war wirklich ein Traum – eine Bilderbuch-Bucht – menschenleer – nur ein einziges Pärchen und wir. Durch den heftigen Wind war das Meer wild und aufgewühlt. Die Wellen rollten mit einem gewaltigen Getöse an den kleinen Strand.
Wir setzten uns etwas abseits auf einen Felsen in die gleißende Sonne. Die Farben dieser Insel waren überwältigend. Wir redeten über unsere Vergangenheit, über ehemalige Liebhaber, Freunde und Freundschaften und ich erfuhr noch sehr viel mehr Interessantes über diesen einzigartigen Mann.
Dann suchten wir uns ein Plätzchen am Strand und Fabiano zückte sein Skizzenbuch. Die Wellen waren zu hoch, um schwimmen gehen zu können. So gingen wir nur ein bisschen am Strand ins Wasser. Von der Sonne ließen wir uns wieder trocknen und lagen noch lange im heißen Sand. Aus seinen dunklen Augen beobachtete er mich genau, während er das, was er sah, in sein Skizzenbuch zeichnete.
Glücklich und erfüllt von unserem kühnen Ausflug und der beeindruckenden Landschaft machten wir uns nach einigen Stunden wieder auf den Rückweg. Der Wind wirbelte launisch unsere Haare durcheinander. Die Sonne brannte noch immer gleißend heiß vom Himmel. Fabiano machte viele Fotos. Überall versuchte er, die Wildheit der Landschaft, die Atmosphäre des stürmischen Meeres und mich einzufangen. Wir waren wieder mit dem Fahrer verabredet, der uns abholen sollte, und fuhren zurück zum Hafen. Dort aßen wir eine Kleinigkeit, bis das Boot kam, uns wieder einsammelte und zu unserem Hotel zurückbrachte.
Am Abend waren wir mit Diana, einer Freundin von Fabiano, zum Essen verabredet. Vorher wollte ich mich noch ein bisschen hinlegen, um mich ein wenig auszuruhen. Dabei musste ich wohl eingenickt sein.
Auf einmal fühlte ich, wie mich jemand zart auf meine Schulter küsste. Fabiano küsste mich wach. Ich bekam eine Gänsehaut und seufzte. Eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr, mit Diana zum Essen zu gehen, doch leider waren wir verabredet. Fabiano und Diana suchten eine urige kleine Tapaskneipe aus. Das Essen war typisch spanisch. Es war mein letzter Abend auf Lanzarote. Sehr spät kamen wir zurück ins Hotel.
Mir wurde ein klein wenig übel, als hätte ich etwas Falsches gegessen. Zufälligerweise hatte ich für solche Notfälle immer einen peruanischen Tee dabei und legte mich gleich ins Bett. Fabiano war sehr besorgt. Rührend kümmerte er sich um mich.
TAG DER ABREISE
Am Tag meiner Abreise gingen wir noch ein letztes Mal zum Strand. Fabiano machte eine gute Figur in der Badehose. Wir badeten im Meer und danach suchten wir noch eine versteckte Stelle, wo er mich ungestört malen konnte. Es war gar nicht so einfach, aber schließlich fanden wir ein kleines Plateau oberhalb des Strandes, welches vom Strand aus nicht einsehbar war. Meine Scheu hatte ich bereits etwas verloren und Fabiano durfte mich in Natura malen. Ich fragte ihn: »Sag mal, musst du deine Modelle immer erst verführen, bevor du sie malen darfst?« Er verneinte schmunzelnd und zückte sein Skizzenbuch.
Nach ein paar Stunden machten wir uns auf den Rückweg und stellten erschrocken fest, dass wir nicht mehr zurückkamen. In der Zwischenzeit hatte die Flut eingesetzt und uns den Weg abgeschnitten. Das Wasser war zu tief, um durchwaten zu können. Zurückschwimmen konnte man auch nicht. Was nun? Wir schauten uns ratlos an: »Was machen wir jetzt?« Fabiano entschied: »Wir haben keine Wahl und müssen den Weg über den Berg zurück nehmen.« Das war natürlich keine Abkürzung, im Gegenteil – es ging ziemlich steil und mühsam nach oben. Nach einem längeren Fußmarsch konnte ich nicht mehr. Ich setzte mich erschöpft auf eine Bank. Besorgt blickte mich Fabiano an: »Bleibe am besten hier sitzen und ruhe dich aus. Ich werde das Auto holen.« Ich nickte erleichtert. Es dauerte ewig, bis er wieder zurück bei der Bank war, wo ich auf ihn wartete. Wir fuhren ins Hotel, holten meinen Koffer, der schon fertig gepackt war. Dann brachte mich Fabiano zum Flughafen.
12. März
Ich sitze im Flugzeug. Eine Woche,