Projekt Golem. Paul Baldauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Baldauf
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347132726
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verschlüsselt hat. Statt 2 hoch 3, 2 hoch 4? Das wären 16 Zahlen. Aber, wie sollte er sich die merken? Ich glaube nicht, dass er jedes Mal einen Zettel mitnimmt, um nachzulesen. Außerdem kommt ja kaum jemand nach unten, und die Leute vom Sicherheitsdienst hat er bestimmt nicht eingeweiht. «Projekt Golem», Projekt G, das wären auch 8. Und wenn ich es mit den acht Zahlen versuche? Du bist wahnsinnig. Wenn er dich erwischt, bist du dran! Außerdem müsste ich erst einmal diese Chipkarte in die Hände bekommen. Und dann? Selbst wenn mir das gelingt, der Code tatsächlich die Tür öffnet: Was würde ich unten antreffen? Und wie geht die Tür wieder zu: Automatisch? Hoffentlich nicht, wenn ich noch drin bin… Oder muss man zum Schließen der Tür auch wieder einen Code eingeben? Wenn ja, denselben?

      Sie wurde langsam mutlos. Ich kann ihm ja nicht nachschleichen und beobachten, ob er irgendwelche Zahlen eingibt. Professor Moore taucht manchmal unerwartet auf. Nach seinem Terminkalender kann ich auch nicht gehen. Es kommt vor, dass er Termine einfach absagt, plötzlich verschiebt. Wann ist er länger außer Haus? Es kam schon vor, dass ich dachte, er ist nicht da, und auf einmal kommt er aus seinem Büro gekrochen. Ich muss herausfinden, wann er mit Sicherheit außer Haus ist. Wenn ich mich beeile, kann eigentlich nichts schiefgehen, oder doch? Vielleicht sollte ich besser die Finger davonlassen. Aber es lässt mir keine Ruhe…

      Sarah Manson, eine Aushilfssekretärin, setzte sich mit ihrem Chef in Verbindung.

      „Herr Professor Moore, hier spricht Sarah, der Chef unserer Wartungsfirma rief vorhin an. Er fragte, welchen Termin Sie für die Generalinspektion unserer technischen Anlagen vorschlagen. Er meinte noch, man sollte auch im Untergeschoss alles inspizieren, da wurde schon lange nichts mehr“

      Professor Moore schnitt ihr das Wort ab, seine Stimme klang eisig.

      „Er soll nächste Woche nochmals anrufen. Und was das Untergeschoss betrifft: Hier hat er überhaupt nichts zu suchen! Sagen Sie ihm, dass das unsere hauseigenen Techniker erledigen.“

      Sarah stutzte. Hauseigene Techniker? Nie gehört. Hat Professor Moore mich darüber nicht informiert? Oder habe ich damals nicht richtig zugehört? Vielleicht sage ich besser nichts.

      „Soll ich dann dafür sorgen, dass unsere hauseigenen Techniker die Anlagen im Untergeschoss überprüfen?“

      „Vergessen Sie es, Sarah: Es ist schon alles erledigt, haken Sie es ab!“

      Er unterbrach die Verbindung. Na, nu. Sie drückte auf eine Taste und die sonore Stimme des Chefs der Wartungsfirma war zu hören.

      „Hier Sarah Manson, Sie haben doch vorhin wegen der Wartungsarbeiten angerufen. Also, ich habe mit Professor Moore gesprochen. Sie sollen sich bitte nächste Woche nochmals melden. Ach ja, wegen dem Untergeschoss: Er sagte noch, Sie können das abhaken, das erledigen bereits unsere hauseigenen Techniker. Hatte ich leider vergessen, Ihnen zu sagen.“

      „Höre ich zum ersten Mal, dass in Ihrem Haus eigene Techniker beschäftigt werden! Nun denn, alles klar, bis nächste Woche, schönen Tag noch.“

      Er legte auf, schüttelte verwundert den Kopf und murmelte:

      „Das macht wirtschaftlich keinen Sinn. Ich sag’s ja, Professoren!“

       Kapitel 8

      Professor Moore klopfte an und betrat den Raum. Madeeha blickte auf.

      „Gut, dass sie vielseitig einsetzbar sind. Sarah scheint länger auszufallen. Kommen Sie bitte nachher in mein Büro. Ich habe ein paar Schreiben vorbereitet. Heute fahre ich früher nach Hause, kleine Familienfeier, kommt man manchmal nicht drum herum.“

      „Und der Sicherheitsdienst?“

      „Ich denke, mittlerweile ist es ausreichend, wenn wir das sporadisch machen. In letzter Zeit ist es ruhiger geworden. Die Zugangskontrolle am Haupteingang funktioniert. Wenn Sie die Schreiben fertig haben, können Sie früher nach Hause. Wenn meine Formulierungen etwas knapp und spröde klingen, können Sie das ruhig wieder etwas glätten. Sie machen das gut.“

      „Danke, ich komme gleich rüber.“

      Nach einer Stunde verließ Professor Moore das Haus. Madeeha ging zu den Fenstern des größeren der Büros. Von hier aus konnte sie bis auf den Parkplatz hinabsehen. Sie sah, wie ein Fahrer die Wagentür öffnete und Professor Moore einstieg. Der kommt heute bestimmt nicht mehr.

      Mit Genugtuung stellte sie fest, dass ihr Chef mit ihr zufrieden war. Auch scheint er mir über den Weg zu trauen, sonst hätte er mir nicht angeboten, dass ich die Arbeit in seinem Büro erledigen kann. Wundert mich, dass er hierfür nicht einfach entsprechende Software einsetzt. Dafür bräuchte er mich gar nicht. Sie überflog die Texte – schaffe ich in einer Stunde – und dachte nach. Dann setzte sie sich und blickte in Richtung Schreibtisch. Die Schublade hat er bestimmt abgeschlossen. Sie schlich zur Tür, öffnete sie vorsichtig und lauschte. Kein Laut weit und breit. Sie ging auf leisen Sohlen zurück und warf einen Blick auf die Video-Anlage, über die sich Besucher, die unten am Haupteingang standen, mühelos heran zoomen ließen. Professor Moore hatte sie in die Bedienung eingeweiht und ihr dringend empfohlen, im Zweifelsfall nicht zu öffnen. Über eine Taste ließ sich die Akustik hinzu- oder abschalten. Sie blickte auf das Display: Kein Mensch in Sicht.

      Nun wurde sie zunehmend von einer Unruhe erfasst, die sie kaum einzudämmen vermochte. Sie rückte den Chefsessel zurecht, setzte sich und streifte sich ein paar dünne, seidene Handschuhe über. Dann überflog sie noch einmal die Titel von Büchern auf dem Regal und ließ ihren Blick schließlich über die Schreibtischunterlage wandern.

      Wo bewahrt er seine Notizzettel auf? Langsam näherte sie ihre Hände der obersten linken Schreibtischschublade an. Sie blickte nochmals zur Tür, lauschte, zog vorsichtig am Griff. Nicht abgeschlossen…Sie zog die Schublade langsam auf und blickte hinein. Leere Notizblöcke, Bürokram, Farbstifte, alte Ansichtskarten, Radiergummi. Fehlanzeige, dachte ich mir schon, bloß nichts durcheinanderbringen, sonst merkt er vielleicht, dass ich an seiner Schublade war. Sie schob einen Stapel Briefcouverts vorsichtig zur Seite. Eine kleine Metalldose kam zum Vorschein. Sie bemerkte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Vielleicht sammelt er alte Briefmarken?

      Sie nahm die Dose, öffnete sie, eine Chipkarte geriet in ihr Blickfeld. 71 512 513…Was mache ich jetzt? Sie schlich nochmals zur Tür zurück, öffnete sie und schaute hinaus. Die Putzfrauen kommen erst am Freitag, die Buchhalterin nächste Woche, kein Mensch weit und breit. Sie ging zurück, zögerte. Dann ergriff sie die Chipkarte, schloss die Schublade, steckte die Karte in eine Innentasche ihrer Jacke und eilte auf leisen Sohlen zum Aufzug. Unten angekommen, stieg ihre Anspannung stark an.

      Wie konnte ich nur auf diese Idee kommen? Du bist wahnsinnig, soll ich wieder zurückgehen? Sie versuchte vergeblich ruhiger zu atmen, sah sich um, schritt zur Treppe und stieg langsam hinab. Noch kann ich zurück. Gar nicht auszudenken, wenn Professor Moore etwas vergessen hat, zurückkommt und…Ganz ruhig! Ich bin überhaupt nicht ruhig, ich habe…Licht, vielleicht sollte ich Licht anmachen. Nein, bloß nicht, wenn es jemand sieht. Wer sollte es sehen? Bloß kein zusätzliches Risiko, möchte nicht wissen, was er mit mir machen würde. Wer weiß, wozu er fähig ist.

      Am Ende der Treppe angekommen, holte sie eine Taschenlampe hervor und schaltete sie ein. Die Leuchtdiode verbreitete orangefarbenes Licht. Sie blieb stehen und hielt eine Hand an die Brust. Noch kann ich zurück, was soll ich tun? Sie zögerte, wich einen Schritt zurück, dann wieder nach vorn. Sie atmete schwer und ging voran. Noch ein paar Schritte und ich bin an der Tür…Wie dunkel es hier unten ist. An der Wand ist ein Schalter. Traue mich nicht, wer weiß, ob der Widerschein nicht doch jemand auffallen würde. Sie hob die Taschenlampe etwas in die Höhe und richtete sie auf die Mitte der Tür. Zur Sicherheit hatte sie einen Zettel und Stift eingesteckt und sich die Zahl verschlüsselt notiert. Nun holte sie die Chipkarte hervor, führte sie ein und atmete noch einmal tief durch. Dann gab sie die Zahlen ein, wobei sie mit der Taschenlampe das Display beleuchtete: ACCESS DENIED.

      «Zugang verweigert»?! Oh, nein! Was mache ich, wenn die Meldung nicht mehr weggeht? Das darf nicht wahr sein, dann merkt er, dass jemand versucht hat, in die Räume einzudringen. Sie blickte noch einmal auf das Display und las: CODE ERROR.