Projekt Golem. Paul Baldauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Baldauf
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347132726
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Lewis schauderte es. Langsam war es an der Zeit, hier einen Schlussstrich zu ziehen.

      „Wenn du eines Tages damit an die Öffentlichkeit gehst, weißt du nicht, wie die Regierung damit umgehen wird. Wenn sie in diesen «Kreaturen» eine Gefahr für die Öffentlichkeit sieht…“

      Professor Moore lehnte sich nach vorn.

      „Kreaturen: Jetzt hast du es selbst gesagt! Siehst du, wie verräterisch die Sprache ist? ICH bin ihr SCHÖPFER. In Zukunft wird es viele Schöpfer geben. Die Zeit des Monotheismus ist abgelaufen.

      Aber zurück zu deiner Frage: Sie können sie auf keinen Fall zum Abschuss freigeben! Und in den Zoo sperren wohl auch nicht. Vergiss nicht, es sind halbe Menschen. Das wäre eine partielle Menschenrechtsverletzung. Ich denke, sie werden erst einmal ratlos sein. Schließlich darf diese neue Art nicht «diskriminiert» werden. Du weißt selbst, wie sehr dieses Wort oder damit verbundene moderne Glaubenssätze längst zu einem Dogma geworden sind.“

      Professor Lewis stand auf. Er sah seinen alten Bekannten an und erkannte ihn nicht mehr wieder. Wie sehr hatte er sich verändert.

      „Jetzt war deine Ausdrucksweise verräterisch: Zu einem Dogma! Das ist ein Ausdruck, der aus der Religionsgeschichte stammt. Erstaunlich, dass Leute, die wie du, Glaube und religiöse Dogmen ablehnen, am Ende doch von irgendeinem Glauben erfüllt sind und anderen Dogmen anhängen. John, ich muss gehen. Wir sprechen nicht dieselbe Sprache.“

      Er zögerte, nahm seinen Mut zusammen und fügte hinzu:

      „Lies in der BIBEL nach, die Geschichte vom Sündenfall: IHR WERDET SEIN WIE GOTT!“

      Nun war auch Professor Moore aufgestanden. Seine Augen bewegten sich unruhig hin und her.

      „Ja, ich erinnere mich dumpf, die Stelle kenne ich“, rief er euphorisch aus, „vielleicht hat man sie bisher einfach falsch interpretiert? Vielleicht war es gar keine Warnung, sondern eine Prophezeiung!“

      „Das ist ein Frevel! Lies nach, und dir werden die Augen aufgehen. Was sagt dir der Ausdruck: «Verlorenes Paradies»? Ich sage nur: John Milton, unser großer englischer Dichter. Vertiefe dich in sein Werk «Paradise Lost», vielleicht kommst du dann zur Besinnung.“

      „Ich glaube, du bringst da etwas durcheinander: Milton, das ist Dichtung. Ich stehe für Wissenschaft und Forschung, für Fortschritt! Ich danke dir für deinen Besuch und deine Verschwiegenheit. Aber wir beide merken, dass wir uns auf diesem Gebiet nicht verstehen. Lassen wir es einfach so stehen, einverstanden?“

      Professor Lewis blickte ihn besorgt an.

      „Bring mich noch bis zum Ausgang.“

       Kapitel 7

      Madeeha saß in ihrer Wohnung und ließ ihren Blick über das Bücherregal wandern, bis sie einen Band einer Enzyklopädie entdeckte. Sie griff das Buch heraus und begab sich in eine Ecke des Zimmers, in der ein Tisch und zwei Stühle standen. Dort setzte sie sich, blätterte, bis sie unter dem Buchstaben G auf einen Eintrag stieß und las leise:

      „Golem: Aus dem Hebräischen, formlose Masse, künstlicher, stummer Mensch…, durch Zauber zum Leben erwacht, siehe ebenso Homunkulus…, jüdische Sage, kann durch… Buchstabenkombination…, Buch der Schöpfung (siehe Stichwort: Sefer Jetzira) belebt, wieder leblos gemacht werden. Über… Alchemisten kursierte ein Gerücht, sie hätten einen Golem erschaffen, so der berühmte Rabbi Löw…; in der Literatu…diese Legende oft dargestellt, u.a. von…“

      Sie klappte das Buch zu: «Golem, Rabbi Löw, Buch der Schöpfung, Sefer Jetzira?» Was hat das zu bedeuten? Ist Professor Moore etwa Jude? Gibt es da einen Zusammenhang? Warum schrieb er «Projekt Golem» auf diesen Zettel? Kritzelte er es in Gedanken hin, ohne tiefere Bedeutung? Glaube ich auch nicht. Er strich es wieder durch. Wollte er, dass es niemand sieht? Wenn ja, warum?

      «Golem, Rabbi Löw, Homunkulus», wer kennt sich damit aus: Jüdische Mystik? Es wird Leute geben, die sich dafür interessieren, aber: Professor Moore? Kann ich mir nicht vorstellen.

      Sie überflog den Abschnitt aus der Enzyklopädie noch einmal. Halt mal, was steht da? Zahlenkombination, künstlicher Mensch, aus Lehm? Lässt sich wiederbeleben und zum Stillstand bringen? Auf welches Projekt soll sich das beziehen? Auf die Bakterienstämme? Macht keinen Sinn. Auf den neuartigen Virus, über den er neulich mit Besuchern sprach?

      Sie ergriff noch einmal das Buch: «Menschliches Wesen, künstlich erzeugt» …Was bedeutet diese Buchstabenkombination? In ihrer Erinnerung tauchte das 3-D-Modell einer DNA auf, das in einer Ecke eines Forschungsraumes stand. Sie erinnerte sich, dass hierzu verschiedenen DNA-Bausteinen Buchstaben zugeordnet waren. Sie ging zurück zum Bücherregal, suchte den «Band S» der Enzyklopädie und blätterte, bis sie auf den Eintrag zu «Sefer Jetzira» stieß. Sie bewegte einen Finger den Zeilen entlang und hielt den Atem an:

      «…der älteste und geheimnisvollste der kabbalistischen Texte. Die meisten Kabbalisten, Talmudisten sehen im «Sefer Jetzira» den Urtext der Kabbala…Darin wird die die Bedeutung der 32 Pfade der Weisheit, der «Pfade am Baum des Lebens», der 10 Sephiroth oder Urzahlen und 22 Konsonanten des hebräischen Alphabets erklärt.»

      Sie seufzte auf, legte das Buch zur Seite und schloss die Augen. Ich komme nicht weiter und fürchte, das führt zu nichts. Vielleicht sollte ich mir dieses Buch «Sefer Jetzira» kaufen? Etwas lustlos und unschlüssig ergriff sie einen Stift und notierte sich den Namen. Am besten, ich hake das erst einmal ab. Wie wäre es, wenn ich meine Eltern anrufe und sie besuche? Sie wollte sich gerade erheben, als ihre Gedanken zu einer vorhin gelesenen Passage zurückkehrten: «geheimnisvoller Text…Darin wird die Bedeutung der 10 Sephiroth oder Urzahlen und der 22 Konsonanten erklärt…»

      Sie schlug das Buch zu, während der Satz, wie in Wellen in ihr Bewusstsein zurückkehrte: Der Zahlen und Buchstaben?! Sie rief sich wieder eine Szene in Erinnerung, in der sie in Professor Moores Büro ein Diktat entgegennahm. Daraufhin war sie zur Tür gegangen – «erledige ich sofort» – und er ließ eine Chipkarte in der obersten Schublade links verschwinden. Sie bemühte ihr Gedächtnis und überflog die Titel verschiedener Bücher, die über seinem Schreibtisch auf dem Regal standen.

      Einmal, in ihrer Anfangszeit, trug er ihr auf, sie abzustauben. Sie erinnerte sich an Biografien großer Wissenschaftler aus mehreren Jahrhunderten, an naturwissenschaftliche Standardwerke. An irgendein Buch mit Bezug zur Kabbala, anderen Geheimlehren oder zur Legende vom Golem konnte sie sich jedoch nicht erinnern. Während sie nachdachte, tauchte aus ihrem Gedächtnis ein anderes Bild auf. Sie sah sich selbst in Nähe des Aufzugs und wie Professor Moore – ohne sie zu bemerken – in Gedanken zu der Treppe gegangen war, die ins Untergeschoss führte. Sie bemühte sich, die zunächst etwas verschwommene Szene deutlicher werden zu lassen und erinnerte sich an die typische Haltung von Professor Moore, seinen nach vorn geneigten Kopf und dann, wie er etwas in der Hand hielt, es unruhig hin und her bewegte:

      Diese Chipkarte braucht er bestimmt, damit sich unten die Tür öffnet. Aber welchen Code hat er darauf gespeichert, welche Zahlenkombination? Aus wie vielen Zahlen besteht er? Ich wüsste zu gerne, was er in den Räumen im Untergeschoss treibt. Sie seufzte. Ich glaube kaum, dass er sie auf die Schreibtischunterlage geschrieben hat.

      Projekt Golem, GOLEM. Und wenn er einfach den Namen verwendet? Nein, der Zugangscode besteht bestimmt aus Zahlen. Auf einmal wurde sie von heller Aufregung erfasst. Sie eilte zu ihrem Bücherregal, entnahm ihm ein Nachschlagewerk, blätterte, blätterte, bis sie das englische Alphabet vor sich sah. Ihr Finger fuhr hastig an den Buchstaben entlang:

      G 7, O 15, L 12, E 5, M 13:

      7 15 12 5 13, das sind 8 Stellen, kann das hinkommen? Sicher verwendet er einen Zahlencode, den er sich gut merken kann. Aber was ist, wenn er den Geburtstag seiner Frau nimmt, falls er denn eine hat. Ich muss herausfinden, ob der Zugang die Eingabe von 8 Zahlen erfordert.

      Moment, ich habe doch auch eine Chipkarte für den Aufzug. Vielleicht ist die Anzahl nötiger Zahlen im Haus einheitlich? Ich muss zwar keine Zahlen eingeben, es sind aber welche hinterlegt. Wie war