Projekt Golem. Paul Baldauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Baldauf
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347132726
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in die Weite. Dann sah er sich im Raum um. Sein Gastgeber deutete auf einen schweren Ledersessel.

      „Komm, nimm erst einmal Platz.“

      Professor Lewis konnte es immer noch nicht ganz glauben. Nun saß er hier, mitten in der Nacht einem alten Bekannten, zu dem der Kontakt abgerissen war, in einem relativ dunklen Büroraum gegenüber, weil angeblich eine «Sensation» auf ihn wartete. Er sah sich nochmals um. Eine Weltpremiere? Erlaubte John sich einen üblen Scherz?

      „Warte auf mich, bin gleich wieder da.“ Professor Lewis sah ihm nach. In Gedanken überflog er einen Kalender. Nein, John hat irgendwann im Winter Geburtstag, wenn ich mich recht erinnere, das kann nicht der Grund sein. Er hörte, wie sich dessen Schritte entfernten und wie er in einem unweit gelegenen Raum hantierte. Da kehrte er schon wieder zurück. John hielt eine Flasche Sekt und zwei Gläser in der Hand, kam näher und stellte sie in Reichweite auf einen kleinen Tisch. Dann entkorkte er und goss zielsicher in beide Gläser. Frank warf einen Blick auf das Etikett – Krimsekt? – dann auf John, der ihm noch eine Erklärung schuldig war.

      „Ich habe vergessen zu fragen, ob du um diese Uhrzeit Sekt trinkst.“

      „Selten, John…Nun rück schon heraus mit der Sprache. Was ist los, was gibt es zu feiern?“

      „Lass uns erst einmal anstoßen. Du wirst ein Glas brauchen. Nachher gehen wir nach unten, das Rätsel wird sich lösen. Du wirst sehen, ich habe nicht übertrieben.“

      Nun verriet schon John’s Stimme, dass er sich in Ausnahmestimmung befand. Franks Spannung und Gefühl der Irritation wuchs. „Auf dich, Frank, auf unser Wiedersehen, auf die freie Forschung!“

      Sie stießen an und nahmen einen ersten Schluck.

      „Auf die «freie Forschung» sagtest du?“ John schien es, als habe er aus Franks Stimme Argwohn herausgehört. Er führte sein Sektglas erneut an den Mund und trank es zügig fast leer. Frank bemerkte dies. Was war mit John los?

      „Freie Forschung: Ganz frei ist sie ja nicht, zum Glück nicht. Der Gesetzgeber zieht ihr Grenzen. Meiner Ansicht nach sollten sie manchmal deutlich enger gezogen werden.“ John winkte ab.

      „Ich weiß – darin kam ich mit dir ja nie auf eine Linie. Ich will dir wahrlich nicht zu nahetreten, aber das hat natürlich auch mit deiner, hm, wie soll ich sagen? «Weltanschauung» zu tun.“

      John biss sich auf die Lippen. Er wusste, dass Frank zu den selten gewordenen Wissenschaftlern zählte, die noch christlich orientiert waren. Zumindest war dies vor einem Jahrzehnt so. Vermutlich war es besser, das Thema gar nicht erst zur Sprache zu bringen. Der Einstieg war etwas missglückt.

      „Noch einen Schluck?“

      Er wartete die Antwort nicht ab und füllte Franks Glas bis an den Rand.

      „Arbeitest du hier oben, in diesem Stockwerk?“

      „Ja, das heißt, auch. Nachher wirst du es sehen und verstehen. Du bist der Einzige, Frank,“ – er trank sein Glas hastig zu Ende – „zumindest zunächst, dem ich alles anvertraue.“

      Frank verhielt den Atem und betrachtete möglichst unauffällig die Gesichtszüge seines Gegenübers. Bisher sprach John noch in Rätseln oder wie jemand, der unter Schlafentzug leidet.

      „Du sagtest, wir gehen nach unten?“

      „Ja, in einen Raum im Untergeschoss. Dort hat – seit einiger Zeit – kein Mensch mehr Zutritt.“

      „Also fasse ich es erst einmal als Ehre auf. Du machst es spannend.“

      Frank betrachtete erneut Johns Gesicht. Es wirkte auf ihn überspannt. Vielleicht war er einfach nur überarbeitet? Auch seine Stimme fiel ihm auf. Zuweilen hörte sie sich an, als sei sie aus dem Lot geraten. Professor Moore überprüfte den Pegelstand der Sektflasche. War es leichtfertig, Frank hierher zu bestellen? Ich habe doch die ganzen Jahre über den Mund gehalten. Andererseits, irgendwann muss es ja doch heraus. Ich werde es sowieso nicht lange geheim halten können, das würde ja auch gar keinen Sinn machen. Ob Frank noch einen Ton herausbringen wird? Und wenn er nicht Wort hält, sein Schweigen bricht?

      „John? Geht es dir gut? Woran denkst du?“ Professor Moore stand auf.

      „Möchtest du noch etwas essen, bevor wir nach unten gehen?“

      „Du meinst, ich sollte mich vorher noch stärken? Ein Sandwich wäre nicht schlecht.“

      Professor Moore entfernte sich. Sein Besucher hörte seine Schritte. Kurze Zeit später kam er mit einem großen Käsesandwich zurück.

      „Danke, John. Ganz schön groß das Gebäude.“

      Professor Lewis begann zu essen.

      „Einige Stockwerke stehen momentan weitgehend leer. Ein Pharmazieunternehmen war früher einmal an dem Haus interessiert, aber dann zerschlugen sich die Verhandlungen, angeblich wegen zu alter Bausubstanz.“

      Für einige Zeit trat Stille ein. Professor Lewis verdrückte sein vorzeitiges Frühstück. Dann gab Professor Moore das Signal und blickte seinen alten Bekannten bedeutungsschwer an. Seine Stimme klang monoton und angespannt:

      „Bist du soweit? Komm, lass uns hinunterfahren.“

      Ein Aufzug fuhr lautlos nach oben und hielt an. Eine Klangwelle breitete sich aus. Die beiden stiegen ein. Sekunden später waren sie am Ziel, die Tür öffnete sich, Professor Moore ging voran.

      „Ganz schön dunkel hier unten.“

      Professor Lewis sah sich nach beiden Seiten um.

      „Warte, bin gleich wieder da.“

      Professor Moore tastete sich an der Wand entlang und verschwand in einem kleinen Nebenraum.

      Warum macht er kein Licht? Es dauerte eine Weile und Professor Lewis hörte Schritte. Als er in den Händen von John zwei brennende Fackeln sah, war er mehr als erstaunt.

      „Ich dachte, ihr seid hier an die moderne Zivilisation angeschlossen. Funktioniert das Licht nicht? Was willst du mit FACKELN?“

      Nun, da John sie in die Höhe hielt, konnte Frank sein von vielen Falten durchzogenes Gesicht besser erkennen.

      „Alles klärt sich gleich auf.“

      Er kam näher, blieb unmittelbar vor Frank stehen und blickte ihn durchdringend an. Auf einmal sprach er leiser, so als wolle er vermeiden, dass jemand zuhöre.

      „Ich habe festgestellt, dass sie weder Neonnoch Laserlicht mögen. So kam ich auf die Idee mit den Fackeln.“

      Frank trat einen Schritt zurück. Er betrachtete Johns längliches und hageres Gesicht, sein zurückgekämmtes, etwas streng wirkendes Haar.

      „SIE? Wen meinst du mit SIE?“

      Nun spürte Frank, wie ihn zusehends eine starke Unruhe erfasste.

      „Hier entlang, wir sind gleich da.“

      Vor der Eingangstür zum Labor im Untergeschoss angekommen, schob John einen Chip in ein Abtastgerät. Seine Finger bewegten sich, als tippe er etwas ein. Sekunden später öffnete sich die Tür einen Spalt und schob sich langsam und nahezu lautlos zurück. Im Inneren war es dunkel. Frank verhielt den Atem. John ging langsam voraus und hielt die Fackeln nunmehr etwas tiefer. Frank versuchte vergeblich, etwas zu erkennen. Doch langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und die ungewohnte Lichtquelle. Auf einmal hörte er Laute und erschrak.

      „Ich habe etwas gehört, du auch? Was ist das? Es hörte sich seltsam an! Sag doch etwas!“

      John drehte sich um und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

      „Wir sind gleich da. Sie haben bemerkt, dass jemand kommt.“

      „SIE? Wer ist SIE, John?!“

      John schien seine Frage zu überhören und ging schneller. Nun waren, noch in einiger Entfernung, Geräusche zu hören, die nach