Projekt Golem. Paul Baldauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Baldauf
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347132726
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angebracht waren. Nun trat er näher und sah Frank eindringlich an.

      „Ich will dir nicht zu nahtreten. Ich achte jede Überzeugung oder Religion als Ausdruck freier Selbstbestimmung, aber, wie heißt es noch gleich in der Bibel:

      «Er schuf ein jegliches nach seiner Art»?

      Du wirst die Stelle besser kennen als ich, aber diese hier“, er deutete zu den Käfigen, „habe ICH geschaffen: Eine Art, die es vorher nie gab! Selbst wenn ich diese BIBEL für eine HEILIGE SCHRIFT halten würde: Was bedeutet uns heute noch der Glaube an einen «Schöpfer»? ICH BIN jedenfalls ein Schöpfer! Ich muss nur noch einen passenden Namen für sie finden: «Sie bei ihrem Namen nennen». So heißt es doch in diesem Buch, das manche immer noch für «das Buch der Bücher» halten, nicht wahr?“

      Frank hatte seinem alten Bekannten mit steigerndem Entsetzen zugehört.

      „Wie lange schläfst du nicht mehr richtig, John?“

      Professor Lewis hörte Geräusche aus einem der Käfige. Er drehte sich um, doch von erneutem Grauen befallen, wandte er seinen Blick wieder ab.

      „Und dann, wenn du für diese monströse «Art» einen Namen gefunden hast, was willst du als Nächstes tun? Sie dir vielleicht patentieren lassen?“

      Der höhnische Unterton war nicht zu überhören. Doch Professor Moore schien er entgangen zu sein. Er sah vor sich hin.

      „Patentieren…, eine gute Idee. Aber noch ist es nicht so weit. Es darf ja niemand davon wissen. Was soll ich tun, Frank, was würdest du tun? Irgendwann muss die Wahrheit ans Licht.“

      „Alles kommt irgendwann ans Licht.“

      Sein Gegenüber verzog das Gesicht.

      „Sei mir nicht böse, Frank, aber das klang eben nach einem Spruch aus einem verstaubten Andachtsbuch.“

      Für einen Moment schwieg Frank pikiert, dann nahm er seinen Faden wieder auf.

      „Wenn du jetzt damit an die Öffentlichkeit gehst, wanderst du ins Gefängnis. Vielleicht leben sie ja nicht mehr lange, und das Problem löst sich von selbst.“

      „Glaube ich nicht. Sie sind erstaunlich robust. Natürlich habe ich auch alles durch Fotos, 3-D-Videos dokumentiert. Am Anfang habe ich viel experimentiert, auch mit ihrer Nahrung. Mittlerweile weiß ich, dass sie fast alles essen: Nahrung, wie wir sie zu uns nehmen, aber auch Tierfutter, interessant, nicht wahr?“

      „Du kannst sie nicht in Käfigen halten, das ist“

      Professor Moore unterbrach ihn.

      „Meintest du «menschenunwürdig»? Es sind aber keine Menschen, vergiss das nicht.“

      „Aber auch keine Tiere.“

      „Wir neigen ja dazu, immer eine Möglichkeit auszuschließen. Wenn A gleich A ist, dann ist A nicht gleich B, «Aristoteles» lässt grüßen: Aber sie sind beides, auf einmal! Früher hieß es einmal, der Mensch sei die «Krone der Schöpfung». Wer sagt, dass du in diesem Moment nicht vor der neuen Krone der Schöpfung stehst? Vielleicht vereinen sie die Vorteile menschlicher Art und tierischer Arten, wer weiß? Tiere waren und sind uns in mancher Beziehung schon immer um einiges voraus, zum Bespiel: Instinkte, Witterung. Vergleiche das Verhalten von Tieren und Menschen und du wirst überdies sehen, dass Tiere, im Schnitt, nicht annähernd so boshaft sind.“

      „John, lass uns nach oben gehen, ich halte es hier nicht mehr aus.“

      Frank sah noch einmal zu den grauenerregenden Kreaturen. Eine von ihnen stemmte sich auf ihre vorderen Gliedmaßen und fixierte ihn aus kalt wirkenden grau-blauen Augen. „Hörst du ihr Knurren, diese seltsamen Laute? Was hörst du heraus: Trauer, Wut, Klage oder alles zusammen? Sieh mal, wie straff ihre Sehnen gespannt sind. Und dann wieder dieser Ausdruck im Gesicht, wenn ich das mal so nennen darf. «Schnauze» würde irgendwie unfein klingen. Die da drüben, im Käfig ganz links, hast du noch gar nicht gesehen.“

      John zog ihn mit sich. Frank spürte einen geradezu heftigen Widerwillen in sich aufsteigen. Zugleich fühlte er, wie diese entsetzlichen Mischwesen eine Faszination auf ihn ausübten.

      „Sieh nur, hier in der Ecke, sie sind noch recht klein.“

      John nahm eine der Fackeln wieder an sich und näherte sie den Gitterstäben an. Der Schein ihres Lichtes erhellte den eng umgrenzten Raum. Die Kreaturen blickten auf. Ihre Blicke wanderten von einem zum anderen. Es war deutlich zu erkennen, dass etwas in ihnen vorging. Auf einmal machte die größere der beiden einen Satz, umklammerte mit ihren starken vorderen Gliedmaßen einen Gitterstab und stieß einen Zischlaut aus. Ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen und erstmals kam nun auch ihre grässlich gefärbte Zunge zum Vorschein.

      „John, ich will hier raus, lass uns nach oben gehen, schnell!“

      Frank zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche, presste es gegen seinen Mund, atmete tief durch und versuchte, aufkommender, starker Übelkeit Herr zu werden. John ging ihm zum Ausgang voraus.

       Kapitel 6

      Während der Fahrt nach oben sprach keiner von ihnen ein Wort. Als sie wieder im Büro Platz nahmen, fragte John:

      „Möchtest du noch etwas essen?“

      „Danke, mir ist der Appetit vergangen.“

      John betrachtete seinen Besucher, dessen in den letzten Jahren veränderte Gestalt den Ledersessel fast ausfüllte.

      „Ich kann mich auf dich verlassen, nicht wahr, Frank?“

      „Von mir erfährt niemand etwas, ich stehe natürlich zu meinem Wort.“

      Während die Eindrücke von vorhin an seinem Geist vorüberzogen, fühlte Professor Lewis sich auf merkwürdige Weise benommen. Was tun? Nun nach Hause fahren, so als sei gar nichts vorgefallen, einfach zur Tagesordnung übergehen? Professor Moore riss ihn aus seinen Gedanken.

      „Seltsam, nicht wahr: Solange man für etwas keinen Namen hat, kommt es einem irgendwie fremd vor.“

      „Meinst du im Ernst, mit einem passenden Namen wäre das Problem gelöst? Was du getan hast, ist so ungeheuerlich, dass mir dafür die Worte fehlen!“

      Professor Moore sah ihn argwöhnisch an.

      „Was ich getan habe? Ich habe die Erschaffung dieser Kreaturen in die Wege geleitet, die Natur – oder wie immer du es nennen magst – führte die Programmierung zu Ende. Ohne die Gene geht gar nichts und wenn ein Organismus eine Regieanweisung ausführt…“

      „Du sagtest selbst, dass du dich wie ihr Schöpfer fühlst.“

      „Ich fühle mich nicht nur so. Die Natur hat mitgeholfen, sehen wir es einmal so. Sie hätte sich ja auch weigern und eine unüberwindliche Barriere aufrichten können. Spätestens mit diesen Kreaturen ist der Glaube an einen Schöpfer aller Arten als Mythos widerlegt. Die Bibel müsste jetzt umgeschrieben werden, wenn man ihr überhaupt noch eine andere Bedeutung als die einer kulturhistorischen Quelle einräumt. Wir leben schließlich nicht mehr im Zeitalter von Mythen, sondern von Wissenschaft und Technik. Und ich sage dir: Das ist erst der Anfang, wir werden noch ganz andere Wunder sehen.“

      „Beinahe hätte ich gesagt, ich muss erst einmal darüber schlafen. Aber ich frage mich, wie ich nach den Anblicken, die du mir zugemutet hast, noch schlafen kann.“

      „Ich wollte dich nicht schockieren, aber ich konnte es nicht länger für mich behalten. Jetzt stellt sich die Frage, wie ich weiter vorgehe: Ich kann sie nicht ewig geheim halten. Und wenn ich es publik mache.“

      „Willst du vielleicht eine Pressekonferenz einberufen: «Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, dass es mir gelungen ist, Monster zu züchten. Die Pressefotografen bitte ich, sich für Exklusivaufnahmen eigens zu akkreditieren.»“

      „Monster? Das solltest du nicht sagen, ich finde, das ist nicht fair. Schließlich