Magisch geheimnisvoll wie Staub. Caroline Opatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Caroline Opatz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783940877338
Скачать книгу
ich glaube schon. Wieso ist das so wichtig?«, fragte er mich.

      »Als ich zurückgegangen bin, bin ich doch hingefallen und davor wurde mein Arm nach hinten gezogen! In der Hand hatte ich aber noch den Kakao und als ich dann auf den Boden gefallen bin, hatte ich keinen Becher mehr in der Hand -«

      »Okay ganz ruhig.« Hätte der Mann mich nicht unterbrochen, hätte ich wohl noch ewig weiter geredet. »Du bist dir also sicher, dass du ihn auf dem Rückweg in der Hand hattest?« Er schaute mich nachdenklich an. »Ich meine, das ist doch nicht so schlimm -«, fing er an, aber da unterbrach ich ihn.

      »Mein Problem ist nicht der Kakao. Der ist mir völlig egal. Ich frag mich nur, wo er hingekommen ist«, erwiderte ich aufgebracht und war noch längst nicht in der Lage zu verstehen, dass der Verkäufer mich möglicherweise nicht so ernst nahm wie es zunächst den Anschein hatte.

      »Also als ich zu dir kam, war da kein Becher und auch kein ausgelaufener Kakao. Tut mir leid, da kann ich dir leider nicht weiterhelfen.«

      Ich seufzte, verabschiedete mich wieder von dem freundlichen Verkäufer und ging zwischen den beiden Buden hindurch, durch die ich gekommen war. Extra langsam, um nicht wieder auszurutschen. Und da passierte es wieder.

      Als würde jemand wie wild an mir zerren, wurde mein Arm nach hinten gezogen und kurz darauf wieder losgelassen. Ich stolperte und stützte mich an einem Stehtisch, der am nächsten stand, ab. Mein Herz raste. Was zur Hölle war das? Ich sah mich nach hinten um, kam mir dabei aber endgültig dumm vor.

      »Du gehst jetzt besser nach Hause. Es ist schon fast ganz dunkel. Und geh langsam, wenn du dir nicht noch alle Knochen brechen willst.«

      Der Verkäufer wirkte ebenfalls etwas verwirrt, war jedoch besser darin, seine Verwunderung zu überspielen als ich. Er zwinkerte mir zu, als wäre das alles nur ein Spaß, und ging.

      2.

      »Er ist weg«, sagte der Weihnachtsengel leise. Er tauchte neben dem Weihnachtsmann auf, der nachdenklich vor dem Fenster stand und in das Schneetreiben starrte, und berührte mit zitternden Fingern seine Schulter. Der Weihnachtsmann fuhr herum und schaute seinen Engel fragend an.

      »Was meinst du?«, fragte er.

      Der Weihnachtsengel machte eine lange Pause und sein Gesicht begann einen immer traurigeren Ausdruck zu bekommen.

      »Der Staub«, stammelte der Weihnachtsengel schließlich mit Tränen in den Augen.

      »Nein«, erwiderte der Weihnachtsmann, ebenso leise, beinahe so als hätte er es gewusst. »Nein, Amaliel. Sag, dass das nicht wahr ist!« Er fasste sich an die Stirn und sein Blick fuhr zerstreut durch den Raum, ehe er sich auf einen Stuhl fallen ließ. Es waren noch weniger als zwei Wochen bis Heiligabend und wie es bis jetzt aussah, galt es bis dahin ein weiteres, riesiges Problem zu beseitigen.

      ~

      »Es tut mir leid! Mir ist noch eingefallen, dass ich das Weihnachtsgeschenk für Finn beim Getränkestand liegengelassen hatte«, rief ich, noch während ich mir die Schuhe auszog. Das war natürlich nicht wahr, aber es war das Einzige, was mir auf die Schnelle einfiel. Ich setzte mich zu meinen Eltern und meinem kleinen Bruder an den Tisch. Meine Mutter tat mir ein Stück Lasagne auf und wandte sich dann meinem Bruder zu.

      »Was hast du ihm denn gekauft?«, fragte meine Mutter, während sie Gabel für Gabel in den stets sperrangelweit geöffneten Mund von Finn schaufelte.

      »Ein Kuscheltier«, antwortete ich ausweichend und fühlte mich unglaublich schlecht. Dass ich wegen dieser Merkwürdigkeiten auch noch anfangen musste so unnötig zu lügen! Finn spielte mit seinem Essen herum und lenkte dadurch erfolgreich von meinem Herumgestammel ab.

      Ich beobachtete Finn und meine Mutter nachdenklich, dann schwenkte mein Blick nach draußen. Alles war dunkel und die Straßenlaternen warfen nur ein kaltes, hässliches Licht auf die Straßen. Was für ein gruseliger Tag.

      Nach dem Abendessen räumte ich mit meinen Eltern den Tisch ab, um dann meinem Bruder noch etwas vorzulesen. Möglicherweise verstand er nicht viel, mir machte es aber Spaß und brachte mich vor allem heute auf andere Gedanken, der wichtigste Aspekt an der Sache.

      Als ich schließlich auch in meinem Bett lag, kam ich nicht umhin, erneut an die Ereignisse von heute zu denken. Vielleicht war an der Stelle, an der ich ausgerutscht war, ja ein Loch.

      So was wie ein Schwarzes Loch im Weltall. Und in dem verschwanden andauernd Sachen.

      Aber gleich darauf schob ich den Gedanken wieder weg. Das war ja Blödsinn, viel zu absurd, aber die Idee packte mich dennoch mit eigenartiger Hartnäckigkeit. Möglicherweise sollte ich morgen einfach noch einmal auf den Weihnachtsmarkt gehen und etwas durch das unsichtbare Portal werfen. Dann verschwand es vielleicht. Ich musste selbst ein bisschen grinsen bei dem Gedanken. Ich zog mir meine Decke bis ans Kinn, knipste das Licht aus und kuschelte mich in mein Kissen. Schluss mit dem Schwachsinn.

      Aufgrund eines enormen Schneesturms setzte mich mein Vater heute direkt vor der Schule ab und fuhr dann weiter zur Arbeit. Es war kälter als in den letzten Tagen. Eine dicke Schneeschicht inklusive unberechenbarer Schneewehen, denen der Hausmeister, mit seiner Schneeschippe bewaffnet, längst nicht mehr Herr werden konnte, lag vor der Schule und es drohte mehr zu werden. Es gongte bereits, als ich die Treppen zu meinem Klassenraum erklomm. Gerade rechtzeitig vor meiner Lehrerin huschte ich in den Klassenraum und setzte mich neben Mette ans Fenster. Als ich meine beste Freundin sah, kam mir der Gedanke, sie in die Geschehnisse des gestrigen Tages einzuweihen, immerhin nutzte ich sie als Ausrede für meine Eltern.

      Ich hatte meinen Eltern nämlich heute morgen gesagt, dass ich nach der Schule mit zu Mette gehen und dort essen wollte. Stattdessen hatte ich allerdings vor noch einmal zum Weihnachtsmarkt zu gehen.

      ~

      Mein Herz schlug ziemlich schnell. Schneller als erwartet. Ich war nervös, aber warum genau konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich hatte Mette nichts erzählt, aber jetzt wünschte ich mir, ich wäre nicht allein.

      Da war ich also an meinem »Schwarzen Loch«. Wie lächerlich das klang. Dennoch musste ich mich überwinden, um durch den schmalen Gang zwischen den zwei Buden hindurchzugehen.

      Etwas hektisch kramte ich einen Bleistift aus meiner Schultasche und warf ihn probeweise ein Stück weit nach vorne. Nichts passierte. Ich wagte mich einige Schritte weiter vor, drehte mich und ging wieder zurück, ohne jedoch einen Stoß oder Schubser zu spüren.

      Ich sah mich noch einmal um. Eigentlich sah diese Stelle ganz normal aus. Ich war es, die hier wie bescheuert Stifte auf den Boden schmiss. Hatte ich vielleicht gehofft, dass der Stift verschwand? Das wäre auf jeden Fall aufregend gewesen. Allerdings befand sich vor mir offensichtlich doch kein unsichtbares Loch, welches Sachen verschluckte. Mir blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen.

      Es war immer noch eiskalt, aber der gestrige Sturm war vorüber und ein blauer, wolkenloser Himmel erstreckte sich über der Stadt. Wieder einmal stand ich vor dem Getränkestand und trat unschlüssig in die Gasse. Offenbar war ich den Gedanken von einem schwarzen Loch immer noch nicht losgeworden.

      Im selben Moment kam wieder mehr Wind auf und ein schrecklich lautes Rauschen ertönte. Erschrocken wirbelte ich herum, aber keinen schien der plötzliche Sturm hier zu interessieren. Niemand von den Marktbesuchern sah so aus, als würde ihn der heftige Wind und das enorme Rauschen stören oder als würden sie es auch nur mitbekommen.

      Etwas überfordert schüttelte ich den Kopf, als könnte ich die Geräusche auf diesem Weg loswerden, und wandte mich dem Markt zu, da packte es mich. Es war wie eine Anziehungskraft, von der ich mich nicht losreißen konnte. Ich wurde nach vorn, dann zur Seite gezerrt. Meine Versuche, mich irgendwo festzuhalten, scheiterten. Es war, als entglitten mir alle Gegenstände, noch bevor ich sie berührt hatte. Panisch schloss ich die Augen und merkte, wie ich herumgewirbelt wurde. Immer wilder wurde ich geschüttelt und ich spürte, dass ich den Boden unter den Füßen verlor.

      Ich fiel unsanft auf den Boden, wobei mein Gesicht im Schnee landete. Sofort fing die Haut unangenehm an zu brennen. Langsam hob