Aldarúun. Valeria Kardos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Valeria Kardos
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783948397173
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wird feiner Staub aufgewirbelt. Zum ersten Mal sehe ich mir diese Abscheulichkeit genauer an und mir fällt auf, dass sie keine Ohren hat, nur kleine Löcher an den Stellen, wo die Ohrmuscheln eigentlich sitzen sollten. Sie hat zwar menschliche Züge, aber sie ähnelt eher einem großen, nackten Gorilla. Und sie spricht wieder. Diese zischenden Laute hallen in meinem Kopf wider. Kündigt sie etwa meinen baldigen Tod an? Warum?

      Mir wird schlagartig bewusst, dass sie nicht einfach blind töten. Es ist eine Hinrichtung und sie wollen diesen Akt genießen.

      Doch plötzlich reißen alle drei ihre hässlichen Köpfe hoch und schnüffeln. In diesem Augenblick ist wieder dieses geheimnisvolle Brüllen zu hören, wie wir es beim Angriff vor ein paar Tagen vernommen haben. Die Bestien weichen fauchend zurück. Mein Angreifer lässt meinen Hals los, das gibt mir Gelegenheit, mich schnell wegzurollen.

      Ab da geht alles sehr schnell.

      Ein riesiger schwarzer Körper springt geschmeidig aus der Dunkelheit und stößt meinen Angreifer gegen die Hollywoodschaukel, die sofort in ihre Einzelteile zerbricht.

      Es ist eine Raubkatze mit glänzendem schwarzem Fell und sie ist riesig. Größer als ein Königstiger. Ihre wallende silberfarbene Mähne schimmert im Mondlicht. Und obwohl sie einen muskulösen Körper hat, wirkt sie schlank und geschmeidig. Sie hebt ihren Kopf und zwei funkelnde, bernsteinfarbene Augen blicken mir unmittelbar entgegen. Trotz der Angst, die mich in diesem Augenblick regelrecht lähmt, bin ich fasziniert von der Schönheit und der Eleganz dieses majestätischen Geschöpfes. Es öffnet sein Maul und lässt eine Reihe messerscharfer Zähne aufblitzen, wobei die Eckzähne wesentlich länger sind als bei normalen Raubkatzen; eher wie bei einem Säbelzahntiger. Außerdem hat es lange Ohren, die nach oben zu kleinen Büscheln zusammenlaufen – wie bei Luchsen.

      Die Bestie rappelt sich auf und attackiert das schöne Geschöpf, doch dieses haut mit seiner riesigen Pranke nach seinem Gegner, der sich wiederum flink wegduckt. Die Bestie fackelt nicht lange und schlägt nun ihrerseits mit ihrer Klaue zu, trifft aber nur die Mähne. Beide Kontrahenten stellen sich auf ihre Hinterläufe und sind in dieser Position weit über zwei Meter hoch. Unser Haus im Hintergrund wirkt winzig, beinahe wie ein Puppenhaus.

      Ich suche Liliana. Sie liegt auf dem Boden und beobachtet angsterfüllt die anderen zwei Bestien, die ihr bedrohlich nahe kommen. Sie sind nur noch einen Schritt entfernt, als eine zweite Raubkatze aus der Dunkelheit ins Kampfgeschehen springt und sich zähnefletschend über Liliana stellt.

      Beschützend!, stelle ich erstaunt fest.

      Die beiden grauen Wesen beginnen, das schöne Tier zu umkreisen – mit meiner vor Angst erstarrten Mutter darunter. Ihre gelben Augen glühen vor Hass, während sie auf eine Angriffsgelegenheit warten. Das Fell der Raubkatze hat sich aufgestellt und es wirkt dadurch noch bedrohlicher, während ihr langer Schwanz wild um sich peitscht. Liliana wirkt unter diesem riesigen Raubtier wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe.

      Ein weiteres Brüllen ertönt und ein mit messerscharfen Zähnen gespickter Kiefer schießt hervor und gräbt sich tief in das Bein einer der Bestien. Sie kreischt laut und versucht, ihre Klauen in den Hals der Raubkatze zu hauen, doch diese weicht immer wieder geschickt aus, ohne ihren Biss auch nur für eine Sekunde zu lockern. Stattdessen legt sie ihre riesige Pranke auf den wild um sich schlagenden Leib und reißt mit einem kurzen Ruck das Bein heraus. Blut spritzt in alle Richtungen und ich bedecke mein Gesicht, aber mein Shirt bekommt das meiste ab. Die Bestie schreit wie am Spieß und schlägt mit ihren restlichen Gliedmaßen wild um sich, bis sie endlich langsam verstummt und reglos liegen bleibt. Erstarrt vor Angst schaue ich zur Raubkatze hoch. Blut tropft aus ihrem Maul, da hebt sie plötzlich den Kopf und gibt ein lautes Brüllen von sich, dass ich denke, die Blätter fallen vor Schreck von den Bäumen.

      Ich drehe mich zu Liliana um, sie ist mittlerweile zur Hauswand gekrabbelt und beobachtet das ganze schaurige Szenario mit panikerfüllten Augen. Ihre Bluse ist zerrissen und sie blutet am Arm. Da auch ich im Augenblick unbeobachtet bin, krieche ich auf allen Vieren zu ihr rüber, und wir nehmen uns in die Arme. Mein Angreifer liegt ebenfalls zerlegt auf dem Boden und wir beobachten, wie die drei Raubkatzen langsam die letzte Bestie umkreisen. Sie scheinen sich ihrer Sache sehr sicher zu sein, denn sie nehmen sich viel Zeit. Man hört nur ein leises Knurren, das aus den tiefsten Winkeln ihrer Eingeweide zu kommen scheint. Die graue Bestie dreht sich panisch um die eigene Achse und sucht nach einer Fluchtmöglichkeit, aber sie weiß, dass sie hier nicht mehr lebend herauskommt. Mit einem letzten verzweifelten Aufschrei erhebt sie sich auf ihre Hinterläufe und stürmt auf ihre Gegner zu.

      Ich höre nur noch das Reißen von Fleisch und das Krachen von Knochen, dann tritt Stille ein.

      Die drei Raubkatzen stehen im Kreis vor den Überresten ihres letzten Gegners und ihr seidiges Fell glänzt wie Silber. Sie erheben gleichzeitig ihre Köpfe gen Himmel und ein Siegesgebrüll, laut und wild, erfüllt die Nacht.

      12

      Es ist so still, dass ich sogar das Klopfen meines Herzens als laut empfinde. Ich greife vorsichtig neben mich und taste nach Lilianas Hand, die wiederum zitternd ihre Nägel in meine Handfläche gräbt.

      „Bist du okay?“, frage ich flüsternd.

      „Ja … denke ich“, antwortet sie zaghaft. Ich sehe sie nicht, da ich gebannt auf die drei kalbgroßen Raubtiere vor uns starre. Sie haben ihre Köpfe gedreht und schauen uns mit großen bernsteinfarbenen Augen an, dann setzen sie sich langsam in unsere Richtung in Bewegung.

      „Oh Gott“, murmelt Liliana neben mir und ich halte vor Schreck die Luft an. Sie haben uns zwar gerettet, aber vielleicht nur, weil wir ihre Beute sind? Habe ich das Beschützen von vorhin vielleicht missinterpretiert?

      Sie scheinen nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen und ich vermute, dass ein Prankenhieb ausreicht, um meinen kleinen Fiat Panda wie einen Ball durch die Luft zu schleudern. Außerdem sind wir wohl kaum schnell genug. Weglaufen würde nicht viel bringen. Panisch schiele ich nach der Schrotflinte, die nur einen Meter vor mir im Boden steckt, als etwas sehr, sehr Merkwürdiges passiert.

      Die Luft um die drei Raubkatzen beginnt zu flimmern wie an sehr heißen Tagen und ein leichter Wind kommt auf. Ich traue meinen Augen nicht, als sie plötzlich zu schrumpfen beginnen. Die großen Luchsohren werden kleiner und auch die Mähne zieht sich langsam in die Haut zurück. Selbst die langen Fangzähne fahren wie bei Vampiren zurück in den Kiefer.

      Als die drei vor uns zum Stehen kommen, hört das Flimmern auf und sie sind auf die Größe von normalen Hauskatzen geschrumpft.

      Großer, Dicker und Kleiner!

      Völlig ungläubig schaue ich in sechs kleine vertraute Bernsteinaugen und merke, wie mein Unterkiefer herunterklappt. Während sich Großer gleichmütig das Fell zu putzen beginnt, lässt sich Dicker mit einem geräuschvollen Gähnen neben Lilianas Beinen nieder. Kleiner tapst direkt auf meinen Schoß und kringelt sich dort laut schnurrend zusammen.

      Ich weiß nicht mehr, wie lange wir auf dem Boden hocken, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

      „Was ist hier gerade passiert?“, frage ich völlig benommen. Liliana atmet geräuschvoll aus und erhebt sich schwerfällig. „Komm rein, wir müssen reden“, sagt sie tonlos und tritt durch die Verandatür, die nur noch in Fetzen hängt.

      Vorsichtig schiebe ich Kleiner von meinem Schoß, der mich überrascht anschaut und nicht ganz zu verstehen scheint, warum er jetzt seine bequeme Position aufgeben soll.

      Ich stehe ebenfalls auf und folge Liliana ins Wohnzimmer, das wieder einem Schlachtfeld gleicht. Wir drehen das Sofa um und setzen uns. Ein bedrückendes Schweigen liegt eine Zeitlang in der Luft. Die drei Pelzköpfe betreten das Wohnzimmer und beobachten uns neugierig.

      „Hast du eine Ahnung, was sie sind?“, frage ich.

      „Nein, aber ich denke, dass Alvar uns das beantworten kann“, murmelt Liliana nachdenklich.

      „Glaubst du, sie sind unseretwegen hier? Ich meine, zu unserem Schutz?“, frage ich stirnrunzelnd.

      „Wir sind –