Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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Volkes, welches Sie vertreten, Geltung zu verschaffen: so sprechen Sie doch im Namen des Volkes, was Ihre Ansicht über Schleswig-Holsteins Zukunft ist!“

      „Interessiert Sie diese Frage gar nicht? Sie interpellieren uns darüber, Sie legen uns bei jeder Gelegenheit, bei jedem Schritte, den wir thun, Schwierigkeiten in den Weg; aber Sie verheimlichen Ihre eigene Meinung über die Frage sorgfältig.

      „Nun, meine Herren, wenn Sie auch in diesem Jahre darüber schweigen, dann beklagen Sie sich auch nachher nicht, wenn wir auf die von Ihnen verschwiegene Meinung keine Rücksicht nehmen können.“

      Diese Aufforderung hatte keinen Erfolg; der Kommissionsantrag aber wurde mit 251 gegen 44 Stimmen angenommen. Ebenso später zwei Resolutionen, betreffend eine Entscheidung des Obertribunals und einen polizeilichen Vorgang.

      Diese drei Resolutionen wurden durch den Präsidenten dem Staatsministerium übersandt, von diesem aber wegen der darin enthaltenen Ueberschreitungen der Kompetenz des Hauses wieder zurückgeschickt. Von ferneren Beratungen der Abgeordneten war nach diesen Vorgängen Ersprießliches nicht zu erwarten; der Landtag wurde daher am 22. Februar geschlossen.

      Bald darauf (am 28.) trat in Gegenwart des Königs und des Kronprinzen ein Ministerrat zusammen, welchem auch Graf Goltz sowie die Generale Moltke, Manteuffel und Gustav Alvensleben beiwohnten. Nur der Kronprinz und Bodelschwingh empfahlen wie im vorigen Jahre, Verständigung mit Oesterreich zu suchen. Alle anderen Anwesenden stimmten darin überein, daß in Schleswig-Holstein nicht nachzugeben und eine kriegerische Lösung als wahrscheinlich ins Auge zu fassen sei. Moltke entwickelte dabei die Ansicht, daß auf einen günstigen Erfolg mit einiger Sicherheit nur dann zu rechnen wäre, wenn Italien in den Krieg einträte. In diesem Falle würde Oesterreich nicht mehr als 240.000 Mann in Böhmen aufzustellen vermögen.

      * * *

      Schon im Januar hatte Bismarck an Usedom geschrieben, daß der Zeitpunkt der Krise voraussichtlich näher heranrücke; der Grad der Sicherheit und der Umfang dessen, was wir von Italien zu erwarten hätten, würde von wesentlichem Einfluß auf unsere Entschließungen sein, ob wir nämlich es zur Krise kommen ließen oder uns mit geringeren Vorteilen begnügten. Die deutsche Frage ruhe einstweilen; bei weiterer Entwickelung der Beziehungen Oesterreichs zu den Mittelstaaten mit aggressiver Tendenz gegen Preußen könne jedoch leicht eine Wendung eintreten, welche den Bestand des Bundes in Frage stellte. Wenn z. B. die holsteinischen Stände gegen unseren Willen zu antipreußischen Zwecken zusammenberufen werden sollten, so würden wir auf diese Regungen des Partikularismus mit Anrufung der nationalen Gesamtinteressen antworten und die Basen wieder betreten, welche s. Zt. dem Frankfurter Fürstentage entgegengesetzt wurden. Wir hätten keinen Grund, anzunehmen, daß bei Regelung der deutschen Angelegenheiten die Haltung Frankreichs uns feindselig sein würde; sollte sie aber auch bedenklich werden, so wäre das nur ein Anlaß mehr, uns auf die tiefere nationale Basis zurückzuziehen und die dort vorhandenen Kräfte uns zu verbünden.

      Nach längerem Schwanken La Marmoras konnte Usedom am 24. Februar telegraphieren, König Victor Emanuel sei zum Kriege gegen Oesterreich bereit, wenn man sich vorher über die Ziele des Krieges verständigt haben würde.

      Es kam nun hierbei wesentlich auf die Haltung des Kaisers Napoleon an. Auf Befehl des Königs entwickelte Goltz vor demselben Anfang März das Programm einer engeren Verbindung der norddeutschen Staaten, betonte, daß die Führung der Südstaaten Bayern zu überlassen sei, und versuchte, den Kaiser zu einer Aeußerung darüber zu bewegen, welche Schritte er zu thun gedächte, um das französische Nationalgefühl mit einer wesentlichen Verstärkung der preußischen Machtstellung auszusöhnen.

      Der Kaiser gab seiner vollen Sympathie mit diesem nationalen Programm Ausdruck, lehnte jedoch ab, jetzt schon ein Kompensationsobjekt zu bezeichnen. In Belgien herrsche vollkommene Ruhe; die Schweiz anzugreifen, sei schwierig, in den deutschen Grenzlanden sollten mit Ausnahme Rheinbayerns keine französischen Sympathien vorhanden sein. Marschall Niel wünsche die Grenzen von 1814 (Landau und Saarbrücken); aber die Abneigung des Königs gegen Abtretung deutschen Gebiets erschwere die Wahl.

      Goltz schloß den bezüglichen Bericht mit der Vermutung, der Kaiser werde für Erwerbung der Herzogtümer keine Kompensation, bei größerem Machtzuwachs Preußens aber die Grenzen von 1814 verlangen.

      Umgehend antwortete Bismarck, der Kaiser sei falsch berichtet, wenn er an französische Sympathien in Rheinbayern glaube; von Abtretung deutschen Landes könne unter keinen Umständen die Rede sein. Goltz möge die Frage ruhen lassen, bei Anregung von französischer Seite aber entschieden alles ablehnen, was das deutsche Nationalgefühl verletzen könnte.

      Die erwähnte Audienz des Grafen Goltz bei Napoleon hatte jedoch die Folge, daß der Kaiser dem italienischen Ministerpräsidenten empfahl, ein Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen zu schließen. Zu diesem Zwecke traf General Govone am 14. März in Berlin ein mit der Instruktion, das Bündnis so zu gestalten, daß Preußen im Falle eines italienischen Angriffs auf Venetien zu sofortiger Kriegserklärung verpflichtet wäre. Aber weder Bismarck noch der König waren gesonnen, die Entscheidung über den Kriegsfall aus der Hand zu geben. Die Verhandlung stockte, da La Marmora argwöhnte, Bismarck wolle einen Vertrag mit Italien nur zu dem Zwecke schließen, um von Oesterreich neue Konzessionen zu erpressen. Ein Scherz Bismarcks mit einer liebenswürdigen Dame hatte aber so ernste Folgen, daß Govone seinen Minister um neue Instruktionen bat.

      Nach dem erwähnten Ministerrat vom 28. Februar hatten Unberufene erzählt, es sei in demselben baldiger Angriff auf Sachsen und Oesterreich beschlossen worden. Die Gemahlin des sächsischen Gesandten, Gräfin Hohenthal, richtete nun an Bismarck die Frage, ob es denn wahr sei, daß er so böse Absichten hege. „Natürlich,“ sagte er, „seit dem ersten Tage meines Ministeriums habe ich keinen andern Gedanken gehabt; Sie werden bald sehen, daß wir besser schießen als unsre Gegner.“ Da erbat die Gräfin einen freundschaftlichen Rat, wohin sie flüchten solle, auf ihre Besitzung in Böhmen oder auf ihr Gut bei Leipzig.

      „Ich kann nur empfehlen,“ sagte Bismarck, „nicht nach Böhmen zu gehen, denn gerade in der Nähe Ihres dortigen Besitzes werden wir die Oesterreicher schlagen; und da wird es mehr Verwundete geben, als Ihre Leute pflegen können. Aber auf Ihrem sächsischen Schlosse werden Sie nicht einmal durch Einquartierung belästigt werden, da Knautheim nicht an einer Etappenstraße liegt.“

      Am folgenden Tage erwiderte Bismarck auf Anfragen einiger Diplomaten, die Verspottung einer naiven Frage dürfe man doch nicht ernst nehmen.

      Beust aber, dem Hohenthal das Tischgespräch berichtet hatte, rief Oesterreichs Schutz an und versicherte, daß alle Mittelstaaten zu ihm stehen würden.

      In Wien war gerade ein Marschallsrat (vom 7. bis 13. März) versammelt, um über die Opportunität des Beginnes von Rüstungen zu entscheiden. Mensdorff und Esterhazy sprachen dagegen; die Depesche Beusts aber verschaffte den Generalen das Uebergewicht, und man beschloß, die Garnisonen in Böhmen bis auf ungefähr 80.000 Mann zu verstärken.

      Am 16. März stellte Graf Karolyi amtlich an Bismarck die Frage, ob Preußen beabsichtige, die Gasteiner Konvention zu brechen und den Bundesfrieden zu stören. Bismarck antwortete:

      „Nein! Wir wünschen im Gegenteil, daß Oesterreich die Verträge von Wien und Gastein genauer beobachte.“

      Auf Erkundigung über unsere Rüstungen erhielt Karolyi die sachgemäße Antwort, daß dazu in keiner Weise irgendein Anfang gemacht worden sei. Der Gesandte versicherte darauf, daß, wenn, was er nicht wisse, in Oesterreich einige Rüstungen stattfänden, sie nur defensiven Zweck haben könnten, da man nicht im Entferntesten daran denke, Preußen anzugreifen. „Solche defensive Vorbereitungen,“ sagte Bismarck, „sind für uns immer eine Gefahr; hat Oesterreich einmal 150.000 Mann an den Grenzen zusammen, so ist ein Grund zum Bruche leicht gefunden. Das haben wir 1850 erlebt.“

      Ohne Karolyis Bericht über diese Unterredung abzuwarten, hatte Mensdorff am 16. März ein Rundschreiben an die deutschen Regierungen abgesandt, worin er ankündigte, was geschehen werde, wenn Bismarck auf die zu stellende Frage ungenügende Antwort gäbe. Dann wolle Oesterreich beim Bunde beantragen, über Schleswig-Holstein zu entscheiden, und, falls Preußen sich dieser Entscheidung widersetze, das Bundesheer mobilzumachen.