Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747807
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Vorderrad ist ein großer, blauer, viereckiger Klotz, und in diesem Moment kommen Oli und Mattias von alleine nach hinten, obwohl wir da gar nicht verabredet sind – haben Schlafsäcke auf dem Rücken –

      – ich bin bei Leuten auf einem Hof, eine Familie, und eine Gruppe aus Bochum kommt und will mit mir reden; ich sitze mit ihnen im Hof, aber das Essen ist inzwischen fertig und ich will an sich nicht, dass sie mitessen, aber sie bleiben einfach sitzen, gehen wohl davon aus, dass sie eingeladen sind, was ich unverschämt finde, sage aber nichts, sondern hole den Hausvater, der sie ziemlich grob rausschmeißt; so hatte ich es auch nicht gemeint, und jetzt finden sie mich blöd, aber ich habe es ja auch nicht selbst freundlicher versucht – am nächsten Morgen aber beim Frühstück haben wir es schon eilig, ich sitze mit Gerts Vater, einem schmächtigen, stillen Mann im beigen Mantel, in einem Nebenraum; er ist nervös und will weg, ich frage: »warum?«, und wir machen aus, gleich abzuhauen, aber dann dauert doch alles länger, Gert und ich packen endlos irgend welchen Fusselkram zusammen und müssen noch zum Frühstück, wo man auf uns wartet, aber nicht meckert, dass wir dann erst so spät kommen, einer trinkt aus ihrer großen Tasse weiter Kaffee, der andere liest Zeitung, schließlich frühstücke ich noch alleine fertig, noch ein halbes Brötchen, da sehe ich draußen übers Feld vier spielende Kinder ankommen, die fröhlich sind, die Sonne scheint, weites, flaches Land hinter ihnen, und als ich um die Ecke schaue, die sie gehen, sind da noch tausende anderer Kinder, unzählbar viele, sich über die Felder, zwischen denen nur ein alleeartiger Weg führt, verteilend, lärmend, spielend, nur wenige hilflos das Chaos zu arrangieren versuchende Erwachsene dazwischen, und die Tochter des Hauses steht neben mir und findet das auch schön, will sich noch verabschieden, mich küssen, was ausführlicher wird, ich fasse unter den Pulli, aber noch über ihr Hemd und löse den Kuss auch bald, worauf sie sagt: »das hast du gut verstanden, ich will nämlich nichts von dir – nur den Genuss«, was mich leicht trifft, andererseits kann ich dann eher noch mit der Mutter, mit der wir eben noch am Fenster standen und die erzählte, dass ein langgesuchter Neu-RAFler verhaftet sei, was anfangen, denn wir waren uns einig, dass diese RAF-Nachfolger nichts taugen – wobei ich betonte, wie froh ich bin, nichts mit denen zu tun zu haben, aber weiter ging es dann doch leider nicht, erstmal –

      – beim Geburtstag von Erika herrscht gespannte Atmosphäre, weil jeder es weiß, aber alle so tun, als wäre nichts, keiner redet darüber, und ich bin eh schon viel länger da, als ich wollte, bereite dauernd meinen Abgang vor und meine, ich müsste mich vor Renate rechtfertigen, dass ich sie gestern den ganzen Tag nicht angerufen habe, weil einfach ununterbrochen was los gewesen sei, auch schon Geburtstag und Lützenkirchenstraßenstress, was natürlich Quatsch ist, eine Ausrede, denn ich hatte es einfach vergessen, aber Renate will gar keine Erklärung, und ich muss weitere Gäste begrüßen, die ich jetzt erst sehe, und Käthe Ebner ist auch da, und muss geküsst werden mit Getue, und ihre Tochter und deren Freunde und Freundinnen, und ich sage zu Käthe, dass wir uns doch mal sehen könnten, so nah, wie wir beieinander wohnen, und im Spiegel des Flurs unten in der Lützenkirchenstraße zwischen den Treppen sehe ich, dass ich enorm viel Psoriasis im Gesicht habe, dicke, rote Flecken, erschreckend, aber dann gehören sie doch zum Gesicht eines anderen Mannes, eines jungen, und ich bin einigermaßen erleichtert, muss aber noch was aus dem Keller holen, wo Nata und ich alte Rundfunktonbandmaschinen entdecken, während sie erzählt, dass sie eben noch Schnaps ausschenken musste und alle sich plötzlich gemeldet hatten, wie in der Schule, und auch einen wollten, als sie merkten, was für eine Qualität er habe, »sind ja alles Kenner«, sagt sie angewidert, und da entdecken wir hinten in der Nähe der Tiefkühltruhe eine Standmaschine mit 4,75 und sogar 2,95 Geschwindigkeit, die ich natürlich gut brauchen könnte, die wir aber beschließen, erst das nächste Mal mitzunehmen und oben im Wohnzimmer versucht Erika, mir heimlich vor Heiner etwas Schmuck mitzugeben, den sie in einem Korb vor dem Fenster stehen hat, das die ganze Wohnzimmerfront groß ist, aber ich kriege ihn schlecht heimlich in die Tasche, eines ist eine goldene Brosche, deren Nadel pieckst, und da kommt in den Nachrichten, dass Kinkel und zwei weitere Regierungsmitglieder tot sind, Unglück dräut, draußen ziehen dunkle schnell fliegende Wolken auf und rasen hinüber; beim Abschied frage ich Erika, ob wir das nächste Mal das Tonband mitnehmen können, worauf sie kokett meint: »ja, und fünf andere zurück«, währenddessen eilt eine Frau unter dem Schatten der dunklen Wolke mit einer gelben Rose in der Hand zu den Nachbarn und als wir dann ins Auto steigen, steht Erika verloren im Schattenhalbdunkel mit einem Funktelefon in der Hand –

      – ich soll bei einem Arsch in einem Kurort am Meer mit einem arroganten Kollegen in einem Doppelzimmer wohnen, beschwere mich bei dem Kellner-Portier, der genauso arrogant reagiert, auch meine Drohung, das Hotel zu wechseln, ignoriert, und im Frühstücksraum mit Blick auf das Meer, das man aber nicht sieht, ist auch Barbara, aus einer anderen Produktion, die mitfühlend zu mir hält, da kommt eine Band an meinen Tisch, die einen Hund dabei hat, den sie auf den Tisch stellen und mit dem und dessen Exkrementen einzelne Sachen verdrecken, z. B. das Salzfass, bis ich platze und aufspringe, dem einen an die Gurgel gehe und ihn mit dem verdreckten Salzfass beschmiere und schreie: »ihr zerstört Gebrauchswerte, ihr Schweine, ihr Idioten«, etc., woraufhin einer aus der Band mit einem Messer auf mich losgeht, vor dem Aufzug, ich trete auf ihn ein und kann fliehen –

      – ein großes Fest auf einem Bauernhof mit allen alten und neuen Freunden, zum Teil in Scheunen, zum Teil im Freien, z. B. ein riesiger Tisch für mindestens zwölf Personen, an dem der Reihe nach gegessen wird; als ich hingehe, will Sabine sich auch gerade auf den Platz setzen und wir lachen beide, weil noch genug andere Plätze frei werden, ich fürchte nur, dass die leckersten Sachen schon weggefressen sind, in einer der Scheunen sitzen junge Typen an einem Tisch und kiffen, haben die schwarzen Stücke nur so rumliegen, und einer schenkt mir was, außerdem hebe ich noch welche vom Boden auf, wo sie es achtlos liegen lassen, so viel haben sie, und einer nimmt noch ein Stück in den Mund, bevor er es mir gibt, da will ich ihm erzählen, wie gut ich es auf diesem Fest finde, auf dem auch meine Freunde aus der Zeit sind, in der ich so alt war wie er und wir zusammen kifften wie er mit seinen Freunden, weswegen ich frage wie alt er sei: »zehn« antwortet er lakonisch, und er sei eben ein Frühentwickler; eine Frau möchte zu mir auf die Schultern wie auf Christopherus, was ich auch gut finde, aber sie will in dem Dorf vom Dach der Apotheke auf mich, weswegen wir dorthin gehen, aber dann will sie doch nicht und neckt mich vom Dach; und auf den Feldern vor dem Dorf haben die anderen ein riesiges Spiel aufgebaut, das über viele Quadratkilometer geht und bei dem Seile aus Telegrafenmast-hohen Stangen befestigt werden und verbunden, und dann schlägt man dran und lacht sich über das Schlackern der Seile kaputt, aber dann kommt ein Zug und muss halten, weswegen das Spiel abgebaut wird und ins Flugzeug verfrachtet, das extra dafür bereitsteht – inzwischen fährt der Zug dicht an mir vorbei, es sind aber nur drei Waggons, dahinter und daneben noch einige Lastwagen, und ich frage mich, wer das Spiel wohl bezahlt, das muss ja Unsummen kosten, hoffentlich kriegen nicht einfach die Leute vom Hof hinterher die Rechnung, und so will ich mit Nata hoch in das Haus auf dem Berg, aber wir finden den Weg nicht, Ebby weiß ihn, aber Ebby ist irgendwo seitlich, wir hören ihn, nur tut sich davor ein Abgrund auf, eine Schlucht, über der die Grasnarbe, auf der wir stehen, schon überhängt und abzubrechen droht; allerdings hängen, auf den mindestens hundert Metern bis unten einige morsche Äste und Reste einer Holzhütte und ich lasse mich fallen, bis zum nächsten Ast, der zwar dann bricht, aber den Fall bremst, so dass ich mich auch an der Hütte festhalten kann und an einem nächsten Ast, bis ich schließlich wohlbehalten unten ankomme und Ebby lacht; Nata versucht es auch, flutscht leicht runter von Ast zu Ast und landet schließlich mit einer eleganten Drehung, bei der sie ein wenig trippelt, und ich denke noch bewundernd: »wie raffiniert«, da sie sich gerade in der Drehung etwas hätte brechen können –

      – ich warte in einem alternativen Laden, einer ehemaligen Fabrik, auf eine Frau, mit der ich irgendetwas vorhabe, und inzwischen wird im abgetrennten hinteren Teil diskutiert, man sitzt im Halbkreis, und es geht um Politisches; es ist langweilig, deshalb gehe ich durch eine Ausstellung, Installation«, im Hintergebäude, wo, niedrig und eng, blaue Räume zu Kunst gemacht wurden, es ist leider dilettanisch, auch wenn Grohmann mitgemacht hat – danach kommt endlich die Frau, die ihre Eltern mitgebracht hat; ich stelle sie Nata vor, alle, aber inzwischen ist der Raum leer und abgeschlossen, und von draußen will die Feuerwehr rein, die an der Decke was machen soll; zum Glück haben sie einen Generalschlüssel, denn sonst ist keiner da, und zufällig fahren wir mit der Frau und ihrer