„Was sagen Sie nun?“, erkundigte sich Katharina. „Sind Sie immer noch der Ansicht, dass ich mich irre?“
Simon Struck antwortete nicht.
„Ich hatte Sie schon seit einiger Zeit in Verdacht. Allein ihre gekonnte Flucht aus meiner Wohnung hätte mich darauf bringen sollen, dass ich es mit einem durchtrainierten Mann zu tun haben könnte. Natürlich wäre es ein Leichtes gewesen, Sie sofort verhaften zu lassen, aber ich dachte an Eckard Joswig und daran, dass er seinen Film endlich zu Ende drehen wollte. Nur deshalb konnte ich den Commissario auch davon abbringen, Sophie festzunehmen.“
„Sie spinnen“, sagte Simon aufgebracht. „Wo bleiben die Beweise?“
„Die können Sie haben. Ihr Komplize hat bereits ein umfangreiches Geständnis abgelegt.“
„Mein Komplize? Wer soll denn das sein?“
„Sie wissen schon, der dunkelhaarige Kerl, mit dem Sie sich im Restaurant getroffen haben. Die Polizei hat ihn heute Nachmittag am Flughafen festgenommen. Er hat bereits gestanden. Den Einbruch in das Kopierwerk, die Erpressung, den Überfall auf Rudolf Thielke und ... den Mord an Jannick Wolfe.“
Während sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf Simon konzentrierte, hatte niemand auf Sophie Rosenbruck geachtet. Sie sprang hoch und stürmte auf Katharina zu.
„Lassen Sie ihn in Ruhe!“
Die Detektivin packte sie am Arm und wirbelte die Frau herum. Sophie landete auf dem Boden. Dennoch gab sie nicht auf. Sofort schnellte sie hoch, sprang Katharina an und versuchte, ihr mit ihren langen Fingernägeln das Gesicht zu zerkratzen. Aber die Detektivin fing Sophies Hände ab und hielt sie fest.
„Hören Sie auf!“, rief Katharina. „Sind Sie wahnsinnig?
Sophie gebärdete sich wie eine Psychopathin. Sie hatte Kraft, kannte Tricks. Beinahe schaffte sie es, einen Arm freizubekommen, doch Katharina hatte während ihrer Polizei-Ausbildung einen Kurs in Selbstverteidigung absolviert. Sie versetzte Sophie ein paar heftige Schläge. Die junge Frau wurde gegen eine Wand geschleudert, sank daran zu Boden und blieb reglos sitzen. Sie war nicht tot, sondern nur bewusstlos.
Niemand hatte in diesem Augenblick auf Simon Struck geachtet, der langsam Richtung Ausgang schlich. Und als sie es bemerkten, war es bereits zu spät, um einzugreifen. Blitzschnell war der Stuntman nach draußen gerannt. Bremsen quietschten. Ein dumpfer, berstender Laut war zu hören und vermischte sich mit einem infernalischen Schrei. Sekunden später krachte ein Körper auf den Asphalt. Katharina und die anderen liefen nach draußen.
Zögernd ging die Detektivin zu der reglosen Gestalt. Simon lag in einer seltsam verkrümmten Haltung auf dem Boden. Seine Glieder wirkten, als hätten sie zu viele Gelenke, und der Asphalt unter ihm färbte sich langsam dunkelrot. Man musste nicht unbedingt Medizin studiert haben, um zu erkennen, dass der Mann tot war. Der Lastwagen hatte ihn fast zwanzig Meter durch die Luft geschleudert. Kein Mensch konnte diesen Aufprall überleben. Hinter Katharina erklangen hastige Schritte. Der Lkw-Fahrer hatte seinen Sattelzug zum Stehen gebracht und kam mit wachsbleichem Gesicht angerannt.
„Ich – ich habe versuchte, zu bremsen“, stammelte er in akzentfreiem Hochdeutsch. Dem Kennzeichen zufolge kam der Wagen aus Hamburg. „Aber es ging nicht. Er – er ist mir direkt vor den Wagen gelaufen. Ich konnte nichts machen.“ Seine Stimme zitterte, und auf seiner Stirn perlte kalter, glänzender Schweiß. „Ich konnte überhaupt nichts machen. Er ist einfach ...“
Er verstummte. Sein Blick fiel auf den Toten und auf das Blut. Er wurde noch blasser, als er ohnehin gewesen war.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Katharina. „Es ist nicht Ihre Schuld.“
26
Katharina schloss die Wohnungstür auf, trat ein und stellte die Reisetasche ab. Gerade als sie ihren Mantel auszog, klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab, bevor der Anrufbeantworter ansprang.
„Ledermacher.“
„Hallo. Guten Tag. Hier ist Petrowski von der Vital-Sauna.“
„Aha.“
„Sie erinnern sich doch bestimmt noch daran, dass man Ihnen Bargeld und Ihre Armbanduhr gestohlen hat.“
„Ja.“
„Nun, ich kann Ihnen die gute Nachricht mitteilen, dass wir den Dieb gefasst haben.“
„Das ist ja toll.“
„Nicht wahr?“
„Konnte das Bargeld sichergestellt werden?“
„Äh ... leider nicht.“
„Und was ist mit meiner Uhr?“
„Tja, also, die ist leider auch verschwunden. Aber die Polizei sucht noch danach.“
„Gut, ich verstehe.“
„Vielleicht sollten Sie mal dort nachfragen“, schlug er vor.
„Mache ich.“
Eine kurze Pause entstand.
„Ja, dann Wiederhören“, sagte er schließlich. „Ich wollte Sie nur informieren.“
„Vielen Dank.“
Katharina legte den Hörer auf den Apparat, nahm ihre Reisetasche und ging ins Schlafzimmer, um ihre Sachen auszupacken. Der Verlust der Armbanduhr ging ihr sehr nahe. Normalerweise machte sie sich nicht viel aus derartigen Gegenständen, aber diese Uhr war ein Geschenk von Robert gewesen. Sie konnte nur hoffen, dass sie eines Tages wieder auftauchte. Ihr Blick fiel auf das Kopfkissen. Dort lag eine Schachtel Pralinen mit einem kleinen Zettel. „In Liebe Robert“, stand dort. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
ENDE
Die Waffe
Kriminalroman von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 126 Taschenbuchseiten.
Gangs bekriegen sich im erbarmungslosen Kampf um Anteile im Drogengeschäft. Aber die Hintermänner sitzen ganz woanders... Eine Waffe spielt die Schlüsselrolle, denn die Ermittler wissen genau: Nur über diese Waffe führt die Spur zum Killer...
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar