Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Conrad Shepherd
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745202267
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einem von Energiezäunen abgesperrten Areal der dortigen Garnison eine Art Feldlazarett errichtet worden sei.«

      Das würde passen, dachte Conroy und sah einige seine Befürchtungen bestätigt. In der Station schien einiges außer Kontrolle geraten zu sein. Die Sache nahm ungeahnte Dimensionen an, denn im Gegensatz zum Spion des Eurasischen Commonwealth glaubte er zu wissen, was sich in Basis Alpha ereignet hatte. Offenbar hatte sich bei den Experimenten Professor Auborns in der Station ein Schwarzes Loch geöffnet. Conroy fror unwillkürlich, als er sich der Konsequenzen bewusst wurde, die ein derartiges Ereignis für die Basis, möglicherweise sogar für die ganze Menschheit bedeutete.

      Seine Befürchtungen hatten sich um kein Jota verringert, als sie nur wenig später durch das Haupttor rollten und ihre Reise antraten.

      Tsamcho schlug einen Bogen um die Klostermauern und jagte in voller Fahrt aus dem flachen Tal hinaus. Er folgte zwei Stunden lang einem gewundenen Karawanenweg, dessen Spuren für Conroy kaum zu erkennen waren. Der adelige Dolpo-Pa am Steuer des Buggys, auf dessen Ladefläche Mortons Ausrüstung und das umfangreiche Bündel des zerlegten Drachens unter Jakfellen verborgen lag, schien keine Schwierigkeiten damit zu haben. Es war eine raue, einförmige Landschaft, durch die sie sich bewegten. Sie erstreckte sich in großen Wellen bis an den Horizont, gelegentlich unterbrochen von unordentlich aufgeschichteten Steinhaufen und hochragenden, weiß gekalkten Pfosten, an denen bunte Gebetsfahnen laut im harten Wind knatterten. An diesem Fleck der Erde schien die Zeit stillzustehen. Conroy hatte das Gefühl, durch einen unerklärlichen Vorgang um mehr als hundert Jahren in die Vergangenheit zurückgekehrt zu sein.

      Wiederholt kamen sie an kleinen Herden bei; ein andermal mussten sie einer langen Karawane schwerbeladener Jaks und Mulis ausweichen.

      Conroy wandte sich an den Tibetaner. »Wie weit werden wir heute kommen?«

      Der Dolpo-Pa durchfuhr eine flache Furt, ehe er mit einem raschen Seitenblick antwortete: »Bis zu einem Dorf am Fuß des Berges. Dort werden wir die Nacht verbringen und am nächsten Tag aufsteigen.«

      »Dieser Berg, zu dem Sie mich bringen, wie hoch liegt er?«, fragte Conroy.

      »Sechstausend Meter«, erklärte Tsamcho ungerührt, »und er ist die meiste Zeit des Jahres unbesteigbar.«

      »Ja, aber...?«

      »Wir müssen ja nicht zum Gipfel«, versicherte ihm der Dolpo-Pa.

      »Das beruhigt mich dann schon...« murmelte Conroy und suchte sich eine bequemere Sitzposition in dem harten Schalensitz; seine Stirn war leicht gefurcht.

      Kilometer um Kilometer rollte der Buggy mit relativ hoher Geschwindigkeit über den unbefestigten Weg.

      Rund drei Stunden nach ihrem Aufbruch von Lhapka hielt Tsamcho neben einem kleinen Tümpel aus Schmelzwasser am Fuß hoher Felsen. Dahinter senkte sich der Weg in ein Tal.

      »Gefahr?«, erkundigte sich Conroy, während ihm die plötzliche Stille in den Ohren dröhnte.

      Tsamcho war auf den Sitz gestiegen und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Überrollbügel mit seinem jetzt leeren Drehkranz; Tsamchos Leute hatten die Maschinenkanone abgebaut, um sie einem anderen Verwendungszweck zuzuführen. Wortlos starrte er durch das wuchtige Sichtgerät, das nicht nur als Fernglas fungierte. Es war gleichzeitig auch ein starkes Aufzeichnungsgerät; ein Nano-Chip speicherte alle Bildinformationen, die bei Bedarf nachträglich jederzeit über den kleinen Schirm abgerufen werden konnten.

      »Stört Sie etwas?«, bohrte Conroy weiter.

      Der Dolpo-Pa setzte das Glas ab und schüttelte langsam den Kopf.

      »Nein. Hab' mich getäuscht. Ich dachte zuerst, eine Jägerpatrouille sei unterwegs.«

      Der SY.N.D.I.C.-Agent streckte die verkrampften Beine aus und horchte, wie der Wind durch das trockene Gras fuhr. Ein Vogel stieg mit heißerem Schrei auf und schraubte sich in den Äther. Conroy kniff die Augen zusammen und blickte ihm nach, wie er in die unendliche Weite des Himmels eintauchte und verschwand. Dann trug der Wind die Schreie von Jaks an sein Ohr, die kehligen Rufe von Hirten; er empfand plötzlich eine seltsame, unerklärliche Stimmung...

      »Commander!«

      »Hm?«, sagte Conroy und sah auf Tsamcho.

      »Tut mir leid«, sagte der Dolpo-Pa und machte den Eindruck, als täte es ihm alles andere als leid, »aber wir sollten weiterfahren.«

      »Von mir aus«, sagte der Agent einsilbig und richtete seine Gedanken wieder auf das, was in allernächster Zeit auf ihn zukommen würde.

      Tsamcho griff nach dem Anlasser, da packte ihn Conroy beim Arm und unterband so den Startvorgang.

      »Augenblick – haben Sie nichts gehört?«

      Beide Männer lauschten. Da – irgendwo hinter den Felsen war ganz deutlich das Brummen eines Fahrzeugmotors zu hören!

      Tsamcho stieß einen Fluch in seiner Landessprache aus. »Eine Patrouille der Chikoms...!«

      »Oder jemand scheint uns auf den Fersen zu sein«, gab Conroy zurück. »Ob man auf der Suche nach Oberst Chakatow ist?«

      Der Tibetaner blieb ihm die Antwort schuldig. Er gab Gas und war völlig damit beschäftigt, in höchster Eile dem gewundenen Karawanenweg zu folgen, der in das Tal hinunterführte.

      Der Boden war uneben, stellenweise gefroren.

      Das Tal wurde breiter. Der Weg fiel auf dem letzten Stück steil zum Boden der Schlucht ab. Unter sich entdeckte Conroy eine Brücke, die über den Fluss führte, der von den vielen kleinen Schmelzwasserseen des Hochplateaus gespeist wurde.

      Tsamcho hielt für einen Augenblick an und orientierte sich. Dann legte er den ersten Gang ein und steuerte den Buggy vorsichtig hinab.

      Die Holzbrücke war recht schmal und sah wenig vertrauenswürdig aus. Der Tibetaner hielt erneut an und stieg aus. Beinahe glitt er auf dem vereisten Boden aus. Dann hatte er sich wieder gefangen. Er betrat die Brücke und ging bis zur Mitte; mehrere Meter unter ihm floss das Wasser rauschend über große Steinblöcke. Er lief zum Buggy zurück.

      »Wird sie uns aushalten?«, fragte Conroy.

      »Sie ist so stabil wie die Golden Gate Bridge.« Tsamcho bemühte sich, seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu verleihen. »Sie würde mit Leichtigkeit einen Panzer tragen.«

      Conroy hob eine Braue. »Hoffentlich weiß die Brücke das auch«, murmelte er misstrauisch.

      Der Dolpo-Pa grunzte nur abfällig und ließ den Buggy auf die Flussquerung rollen. Auf jeder Seite betrug der Abstand zum Geländer nur wenige Zentimeter; die Brücke war mehr für Jak-Karawanen gedacht, weniger für Fahrzeuge. Als in der Mitte die Planken bedrohlich knackten, brach Conroy leichter Schweiß aus. Aber sie kamen heil hinüber.

      Tsamcho hielt sofort wieder an, griff sich einen der eiförmigen Sprengsätze und lief zur Brücke zurück. Er deponierte ihn zwischen Fels und Stützpfeiler und aktivierte ihn. Dann entfernte er sich rasch ein paar Schritte. Als die vergleichsweise schwache Detonation erfolgte, drehte er sich halb um. Steine und Holzteile wirbelten durch die Luft. Die diesseitige Stützkonstruktion erhob sich ein bißchen und sackte wieder ab; als sich die Rauchwolke etwas verzogen hatte, sah Conroy, dass sich die Brücke auf ihrer Seite leicht nach rechts geneigt hatte, ansonsten aber den Eindruck von Unversehrtheit machte.

      Tsamcho lief inzwischen schon wieder zum Buggy zurück, sprang hinter das Steuer und trat den Beschleunigungshebel gegen das Bodenblech; die voluminösen, einzeln angetriebenen Räder drehten erst einmal auf dem vereisten Boden durch, ehe sie griffen und das Fahrzeug dann schnell an Fahrt gewann. Der Tibetaner fuhr so rücksichtslos, dass er auf der nächsten Kuppe einen regelrechten Luftsprung produzierte, der das Fahrzeug über die Kante katapultierte.

      Dahinter malträtierte Tsamcho die Bremsen. Es gab einen Ruck. Der Buggy schlitterte auf dem unbefestigten Weg noch ein paar Meter weiter, ehe er zum Stehen kam.

      Tsamcho schwang sich vom Sitz