Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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er zwar nicht auf Deutsche angesetzt, aber ich muss die Akten aus dieser Zeit trotzdem durch ackern. Man kann ja nie wissen ...“

      „Und was schätzt du, wann kannst du uns wieder neue Namen liefern? Bis jetzt war nämlich Fehlanzeige!“ klingt Gansers Stimme verdrossen aus dem Hörer.

      „Anfang nächster Woche, denke ich. Habt ihr denn sonst nichts zu tun bei euch?“

      „Absolut tote Hose. Wir greifen uns schon Uralt-Fälle raus. Beschäftigungstherapie. Schließlich haben die Schulferien begonnen!“

      Natürlich. Benedict weiß, dass um diese Jahreszeit auch bei der Düsseldorfer Kripo das Sommerloch greift. Glücklicherweise sind dann die meisten Kollegen sowieso in Urlaub. Aber Ganser ist nicht mehr verheiratet und muss mit den anderen ledigen Kollegen am Jürgensplatz schwitzend Däumchen drehen. „Gibt’s denn sonst was Neues?“

      „Nö, dass deine Panther haushoch gewonnen haben, wirst du ja schon wissen. Motzkus hat alleine 24 Punkte gemacht. Nächstes Wochenende geht’s wohl gegen die Red Barons in Köln. Ach ja, der Anatol hat seine Abschiedsvorstellung gegeben!“

      „Der Puppenspieler?“

      „Genau!“

      Anatol Herzfeld war als Verkehrserziehungsbeamter jahrelang mit seiner Puppenbühne durch die Lande getingelt und zu einer regionalen Berühmtheit geworden. Bei der Polizeiführung war man überzeugt, dass seine Tätigkeit die Unfallrate von Kindern im Verkehr erheblich gesenkt hätte. Ende des Jahres würde er in den Ruhestand gehen.

      „Wird doch ’n Posten frei. Willst du dich nicht bewerben?“

      „Leck mich ...“, reagiert Ganser sauer und legt den Hörer auf.

      Lautlos kichert der Hauptkommissar in sich hinein. Er ist erleichtert, dass sein Kollege am westlichen Ende der Leitung nicht entschiedener nachgebohrt hatte. Immerhin hat sich Benedict in dieser Woche doch ziemlich weit vom „Pfad der Ermittlungstugend“ entfernt. Für seinen Enthusiasmus, die Person eines gewissen Dean Sanger betreffend, hätte Kommissar Ganser in Düsseldorf sicher kein großes Verständnis gezeigt.

      Dean Sanger.

      In den vergangenen drei Tagen hatte Benedict die Berichte des ermordeten Hauptmanns bis Ende

      1977durchforstet. Fakt war ja wohl, dass Raschke auch an anderen Sachen gearbeitet hatte, und sicher wäre er schneller vorangekommen, wenn die Archivarin ihm nur die Sanger-Berichte rausgesucht hätte. Dann wäre allerdings unausweichlich die Frage des ,Warum' gekommen, eine Frage, der er unbedingt ausweichen wollte. So sah er scheinbar sorgfältig alle Raschke-Berichte durch und wartete im Grunde genommen doch nur darauf, auf weitere Dossiers über Sanger zu stoßen.

      Er glaubt, schon eine ganze Menge über diesen Mann aus Colorado zu wissen. Jedenfalls nach gegenwärtiger Aktenlage. Ein Wanderer zwischen den Welten mit DDR-Personalausweis und US-Reisepass. Ein wichtiger Mann offenbar. Jedenfalls so wichtig, dass die Hauptabteilung II einen generalstabsmäßig ausgetüftelten Plan entwickelt hatte, um ihn für ihre Ziele einzuspannen. Der Vorschlag des Hauptmann Raschke zur Durchführung einer Kontaktaufnahme war dann im Juli 1977 von der HA II offiziell abgesegnet worden. Ziel der Kontaktaufnahme: Persönliches Kennenlernen des Sanger, Prüfen der Bereitschaft, das MfS zu unterstützen, Haltung des S. zum MfS, Reaktion des S. auf das Kontaktgespräch, Einschätzung des S., ob er für eine inoffizielle Zusammenarbeit geeignet ist und Prüfung, inwieweit er über seine Verbindung zur Botschaft der USA in der DDR spricht Und kein Anderer war mit der Umsetzung des Planes betraut worden als der in Düsseldorf unfreiwillig Dahingeschiedene selbst.

      Die Kontaktaufnahme mit dem US-Bürger Dean Sanger hatte dann nach Raschkes Bericht am

      17.8.1977um 17.00 Uhr in Sangers Wohnung, einem repräsentativen Haus, was sehr gut eingerichtet ist, stattgefunden. Nach Hauptmann Raschkes schriftlicher Einschätzung war sie durchaus erfolgreich verlaufen, denn Dean Sanger freute sich über das Erscheinen, da er uns in erster Linie als Kommunisten ansah, was er auch zum Ausdruck brachte. Er teilte im Gespräch gleich mit, dass er kurz vor unserem Erscheinen bei ihm einen Telefonanruf von der Botschaft der USA in der DDR bekam. Der Konsul teilte ihm mit, dass am 31.8.1977eine Party sei und er Dean Sanger einladen möchte. Über dieses Telefonat waren wir schon vorab von der HA I, Abt. 26, in Kenntnis gesetzt worden. S. unterbreitete von selbst den Vorschlag, einen Treff zur Auswertung seiner Teilnahme an dieser Party am 1.9. durchzuführen. Er trat sehr konsequent in Erscheinung und ist auch bestrebt, das MfS zu unterstützen. Auch wenn er als Kommunist so konsequent in Erscheinung tritt, kann er bei entsprechender Instruktion doch gute Kontakte zur Botschaft der USA in der DDR pflegen. Dies muss durch das MfS gezielt gelenkt werden.

      Scheint Benedict ziemlich logisch, dass der DDR-Geheimdienst daran interessiert war, über die Person des Sanger mehr Informationen aus der US-Botschaft zu beziehen. Umgekehrt würden wahrscheinlich die MfS-Kollegen vom CIA das Gleiche mit Sanger probieren wollen, was ja auch dann aus Sangers Bericht am 1.9.1977, einen Tag nach dieser Party in der US-Botschaft, abzulesen war.

      Dieser Bericht des Dean Sanger strotzte von Sätzen wie: Als ich mit meiner Frau Katarina die Wohnung des US-Konsuls betrat, ging ein Raunen durch die anwesenden Personen, oder: Die US-Diplomaten waren sehr gespannt und brachten ihre Bewunderung zum Ausdruck.

      Wenigstens schien dieser Sanger nicht direkt an Minderwertigkeitskomplexen gelitten zu haben. Oder er war hier wirklich so eine große Nummer gewesen. Das MfS jedenfalls hielt ihn für interessant genug, ihm spezielle Telefonnummern zur Kontaktherstellung zu geben, und er durfte sich auch selber seinen Decknamen geben. Er wählte den Namen Victor.

      Ziemlich bald nach diesem ersten Auftrag sollte das Ganze wohl ernstere Formen annehmen, und da trat der gute Raschke dann ins Fettnäpfchen. Allerdings trugen höhere Chargen die Verantwortung dafür. Bei dem als Aussprache titulierten Treffen mit Sanger am 28.10.1977 führte nämlich ein Gen. OSL. Heckerodt Regie, und das wäre fast ins Auge gegangen. Hintergrund dieses Treffs war ein geplanter Flug des Sanger nach Beirut, wo er mit der PLO-Spitze über ein von ihm geplantes Filmprojekt sprechen wollte. In diesem Gespräch forderte ihn Heckerodt ziemlich unverblümt zur Bespitzelung von Arafat auf, was Sanger wohl als ziemlich ehrenrührig empfand. Jedenfalls reagierte er ablehnend: Was die PLO betrifft, so sagte er, dass er gern mit einem leitenden Genossen des MfS sprechen würde, damit er weiß, dass alles seine Richtigkeit hat. Er wollte gern mit Gen. Mischa Wolf sprechen.

      Dean Sanger, der „bigshot“, wollte also nicht mehr mit den kleinen Fischen Geschäfte machen. Da mussten die Genossen von der HA II ganz schön geschwitzt haben. Jedenfalls gelang es ihnen, Sanger auf einen höheren Vorgesetzten zu vertrösten, und sie vereinbarten einen konspirativen Treff auf dem Parkplatz Kino Kosmos am 1. November.

      Benedict hat Glück, denn er bekommt die Ergebnisse dieses Treffs noch im Laufe des Mittwochs auf seinen Arbeitstisch in der Zentral-Kartei. Seine Befürchtungen, dass es bei einem längeren Gespräch auf einem herbstlich kalten Kino-Parkplatz zu gesundheitlichen Schäden der Beteiligten hätte kommen können, erwiesen sich als unbegründet: das Treffen fand dann doch in einem konspirativen Objekt der HA II/3 statt, und der avisierte, höhere Vorgesetzte war der Gen. Oberstltn. Fiedler, der dem guten Dean Sanger auseinandersetzte, dass das MfS ausschließlich zu dem Zweck Informationen benötigt, um Angriffe der imperialistischen Staaten und ihrer Geheimdienste gegen die DDR, die anderen sozialistischen Staaten und gegen die nationalen Befreiungsbewegungen zu erkennen und zu verhindern, und er dafür um seine Unterstützung gebeten wurde ... im Ergebnis der Diskussion erklärte er, dass seine Bedenken damit zerstreut sind und schlug selbst vor, ein weiteres Treffen konkret zu vereinbaren.

      Na bitte, hatten sie die Kuh doch vom Eis gekriegt. Jedenfalls für diesmal. So ganz einfach war das mit dem US-Boy aus Denver also doch nicht gewesen, und richtig schienen sie dem Frieden auch nicht zu trauen. Der vom Herrn Oberstleutnant Fiedler letztendlich abgezeichnete Gesprächsbericht macht auf Hauptkommissar Benedict einen eigenartigen Eindruck. Das Gespräch verlief in einer sehr aufgeschlossenen herzlichen Atmosphäre. „Victor“ äußerte in keiner Form Zweifel oder Bedenken gegenüber den Mitarbeitern des MfS, sondern hinterließ auf Grund seiner eigenen Initiative den Eindruck, dass er in dem beim letzten Gespräch abgesteckten