Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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      »Mmmh, die junge Dame überfiel mit zwei anderen Kumpanen das Conway Hotel in Dunmurray. Versteckte ein paar Bomben. Sie wurde zwar kurz nach dem Verlassen des Hotels geschnappt, aber noch während des Verhörs bei der Special Branch explodierten die Bomben im Hotel. Sie wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, kam aber schon nach 10 Jahren wieder frei!«

      »Schon ist gut«, rutscht es dem Hauptkommissar heraus.

      Captain Hart lässt die linke Augenbraue hochschnellen. »Was willst du? Wir haben unsere Erfahrungen. Wenn Frauen mal in dieser Szene drin sind, arbeiten sie skrupelloser als die Männer. Ich erinnere dich an die RAF! Und die Farrell hat das ganze Gefängnis mit ihren Aktionen auf Trab gehalten!«

      »Es ist sehr schwierig, nach diesen Fotos Identifizierungen vorzunehmen. Sie sind nicht besonders gut. Und auch nicht besonders aktuell.«

      Der Engländer nickt mit dem Kopf. »Stimmt. Es gibt aber ein neueres Foto, dass ihr auch ähnlicher sieht. Kollegen vom Dienst haben es aus dem Archiv einer in Dublin erscheinenden ... äh ... Zeitschrift erhalten. Wird im Laufe des heutigen Tages rübergefaxt. Warum bist du gerade an der Farrell so interessiert? Ist was mit der?«

      Benedict weicht dem Blick des S.I.B.-Mannes gekonnt aus und trägt die Lupe wieder zu seinem Schreibtisch zurück. »An Damen bin ich immer interessiert, Jerry, das weißt du doch!«

      Der schluckt das erst mal, und zum Glück erscheint jetzt auch das ungleiche Pärchen O’Connell und McGrath im ISAT-Büro.

      »Und da wir gerade von Frauen sprechen«, nimmt Benedict den Faden wieder auf, nachdem sich die beiden Iren gesetzt haben, »mir fehlt noch eine Erklärung für die Durchsuchung der Wohnung von Sergeant Greens Begleiterin, dieser Gabriele Bersch, durch wen auch immer!«

      Erleichtert öffnet Benedict hinter seinem Schreibtisch sitzend die Knöpfe seiner Weste und sieht in die Runde.

      Captain Hart hat wieder sein rotledriges Filofax-Kompendium vor sich liegen, Detective Inspector O’Connell zieht den Aschenbecher zu sich heran und stopft seine Pfeife, und McGrath kratzt sich auf dem Handrücken, bevor er sich dann eine Senior-Service-Zigarette zwischen die Lippen schiebt.

      Unwillkürlich öffnet Benedict den Mund, um gewohnheitsmäßig das Rauchen zu unterbinden, aber er ist hier ja nicht im 1. K, und dieses sind nicht seine Leute. Also richtet er sich innerlich auf einen weiteren Tabakdunsttag ein.

      »Well, Kommissar, dieses Fräulein Bersch. Sie war uns natürlich bekannt, denn alle privaten Kontakte mit Nicht-Militärangehörigen werden von uns geprüft. Und das besonders, wenn es sich um einen IntCorps-Mann handelt. Aber sie war sauber. Es gab keine Sicherheitsbedenken, und zudem war es eine gute Tarnung für unseren Mann. Eine deutsche Verlobte. Ich habe dir ja schon durch einen Kontaktmann mitteilen lassen, dass die Wohnung von Fräulein Bersch nicht von unseren Leuten in diesen ... Zustand gebracht wurde. Wir und die IntCorps-Spezialisten nehmen an, dass das dieselben Leute waren, die Sergeant Green und Fräulein Bersch exekutierten!« Captain Hart hat diesmal nicht in sein ledernes Buch blicken müssen.

      »Wenn also eure Annahme stimmt, was haben die IRA-Leute dann noch in der Wohnung gesucht?«

      »Informationen! Greens zivile Anschrift war ihnen wohl nicht bekannt, aber die Adresse von Fräulein Bersch müssen sie aus den Papieren entnommen haben, die sie bei sich hatte. Und sie suchten nach irgendwelchen schriftlichen Aufzeichnungen, die sie bei den Toten nicht fanden, von deren Vorhandensein sie aber ausgingen.«

      O’Connell hat seine Pfeife jetzt in Brand gesetzt und stößt bedächtig stinkende Rauchschwaden des Three-Nuns-Tabaks aus. »Was soll das gewesen sein?«

      »Sie könnten zum Beispiel angenommen haben, dass Sergeant Green die Verfolgung durch die IRA-Leute bemerkt hat oder vielleicht irgendwelche schriftlichen Angaben über seine neuesten Erkenntnisse in einer Art Briefkasten deponieren wollte!«

      In den Gesichtern von O’Connell, McGrath und Benedict zeigen sich leise Zweifel.

      »Auf eine solche Möglichkeit weist auch der Ort der Erschießung hin!« Dieser letzte Satz des Captains produziert Stille.

      Benedict räuspert sich nach einer Weile. »Kannst du das bitte näher erklären!«

      Jerry steht auf und bezieht Posten neben dem an der Wand hängenden Plan der Landeshauptstadt Düsseldorf. Aus der Brusttasche seines Anzugs zieht er einen Silberstift, den er wie ein kleines Teleskop ausfährt. Mit dem so entstandenen Zeigestock deutet er auf das grünflächige Gebiet des Aaper Waldes in der Kartenmitte. »Hier wurden die beiden Toten gefunden. Sergeant Green hatte eine zivile Wohnung in der Nähe des Nordparks, das ist hier oben beim Messegelände, und ein weiteres Zimmer im NCO-Club auf dem Kasernengelände des Hauptquartiers Rear Combat Zone am Flughafen. Das ist hier.« Der silberne Zeiger deutet auf einen Punkt im Lohauser Rheinknick. »Die Wohnung von Fräulein Bersch finden wir in Heerdt auf der anderen Rheinseite. In keinem Fall hätte der Weg in den Aaper Wald geführt, denn der liegt in völlig entgegengesetzter Richtung.«

      »Vor allen Dingen, wie sind die dorthin gekommen? Wir haben kein Fahrzeug gefunden!«

      »Aber wir! Der Wagen von Fräulein Bersch, ein dunkelroter VW Golf, wurde von unseren Leuten auf einem Parkplatz des Restaurants Knittkuhle entdeckt. Hier oben. Circa drei Kilometer vom Tatort Aaper Wald entfernt, wo er augenscheinlich von den IRA-Leuten nach der Ermordung hingefahren wurde!«

      Hauptkommissar Benedict atmet hörbar ärgerlich auf. »Das nenne ich vertrauensvolle Zusammenarbeit! Wieso haben wir darüber keine Informationen erhalten?«

      »Wir wollten das Fahrzeug erst von unseren eigenen Spezialisten untersuchen lassen. Hätte ja auch sein können, dass sich im Wagen geheime Unterlagen befunden hätten. Im Übrigen ist es müßig, sich darüber jetzt noch aufzuregen, denn das Fahrzeug befindet sich schon wieder im Besitz der Eltern von Fräulein Bersch. Wir haben nichts gefunden!« Damit scheint für den englischen Captain das Thema abgeschlossen zu sein.

      Der Deutsche schluckt die saure Übelkeit hinunter, bleibt aber ziemlich steif.

      »Anyway, es gibt keinen offensichtlichen Grund für diesen weiten Umweg.«

      »Doch! Wenn sie vielleicht sowieso zu dieser Kneipe da, diesem Restaurant Knittkuhle, wollten. Was trinken oder so!« Der Dubliner spricht das Naheliegendste aus.

      »Natürlich. Das wäre eine Möglichkeit. Wenn nicht ...«, der dünne Silberzeiger senkt sich auf einen Punkt rechts oberhalb des Aaper Waldes, wo die Knittkuhler Straße in die breite Bergische Landstraße einmündet, »wenn nicht auf diesem Gelände einer deutschen Kaserne auch eine kleine englische Militärabteilung, das Hubbelrath Detachment, stationiert wäre!«

      »Oh, Jerry Hart«, stöhnt der Mann von der GARDA, »nicht schon wieder einen Theatercoup! Spuck’s aus! Was ist es?«

      »Das Hubbelrath Detachment ist auch eine Anlaufstelle für Int-Corps-Leute, wenn sie aus irgendwelchen Gründen nicht mit ihrer Leitstelle am Flughafen in Verbindung treten können!«

      Alle starren auf die Stelle, die der Zeigestock auf der Karte noch immer markiert.

      »Sie haben ihn und seine Begleiterin vorher erwischt. Im Aaper Wald. Die Frage ist nun auch für uns: Wollte er einen mündlichen Bericht an den Wachoffizier geben, oder hatte Green die Zeit noch genutzt, um etwas zu Papier zu bringen? Der Zustand der Wohnung lässt uns jedenfalls darauf schließen, dass die IRA-Leute nichts gefunden haben. Und zwar, weil nichts geschrieben wurde oder weil es vielleicht woanders deponiert wurde!« - »Habt ihr die Gegend um den Fundort der Leichen abgesucht?«, fragte der RUC-Mann knurrend.

      »Haben wir. Aber es kann etwas so Winziges sein, dass wir es übersehen haben. Zudem ist nicht einwandfrei erwiesen, ob der Überfall auf den Wagen im Aaper Wald oder schon vorher erfolgte. Dann könnte sich eine mögliche Nachricht ganz woanders befinden!«

      Das einsetzende Schweigen kündet von konzentriertem Nachdenken. Es dauert mehrere Minuten. Dann öffnet Benedict seine Lippen. »Jetzt, da wir wissen, was wir vielleicht suchen ...