Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745204407
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siebzehn Kinder geschenkt, von denen aber nur zehn am Leben geblieben waren - neun Mädchen und ein Sohn, und dieser eine Sohn war Rashid Achbars ganz besonderer Stolz. Er liebte ihn sehr. Er liebte auch seine Töchter, aber anders als seinen Stammhalter, der nun bald die Regierungsgeschäfte in Yanba übernehmen würde.

      Vierundzwanzig Jahre war Harun Achbar alt, und er sah großartig aus. Er hatte eine olivfarbene Haut, jettschwarzes, dichtes Haar und nachtschwarze Augen. Er war etliche Jahre von zu Hause fort gewesen, hatte an der Wirtschaftsuniversität in Wien Welthandel studiert und auch seinen Doktor gemacht. Studienreisen führten ihn nach New York, Moskau und Tokio. Er hatte viel von der Welt gesehen und wusste heute, dass es ihm nirgendwo besser gefallen konnte als zu Hause in Yanba. Zugegeben, er verließ den Palast in Djeha hin und wieder sehr gern, aber noch lieber kehrte er nach einer mehrwöchigen Abwesenheit dorthin zurück.

      Vater und Sohn saßen einander im Hubschrauber gegenüber. Geplant war ein Aufenthalt von zwei Wochen. Nach Abschluss der Untersuchungen wollte sich der Scheich seiner Familie widmen und sich in Bergesfelden von den Strapazen der Regierungsgeschäfte erholen.

      „Geht es dir gut, Vater?“, fragte Harun Achbar.

      „Warum fragst du, mein Sohn?“, gab der Scheich zurück.

      „Du siehst müde aus.“

      „Das bin ich.“

      „Strengt dich die Reise an?“

      „Vielleicht. Ein wenig. Aber du weißt, dass ich, um diese Reise antreten zu können, einige wichtige Besprechungen vorziehen musste.“

      „Du hast an manchen Tagen bis zu sechzehn Stunden gearbeitet.“

      „Wer sein Volk liebt, muss bereit sein, Opfer zu bringen, mein Sohn. Merke dir das! Zuerst kommen immer die Menschen in deinem Land, dann erst du. Denn nur durch sie kannst du bleiben, was du bist. Und sie müssen zufrieden sein, sonst wenden sie sich gegen dich.“

      „Es ist nicht leicht, zu regieren, es allen Menschen recht zu tun.“

      „Das bringt natürlich niemand fertig, aber es gibt einen goldenen Mittelweg. Ihn musst du stets suchen, finden und beschreiten.“

      „Allah möge dir noch viele Jahre Kraft und Gesundheit schenken, Vater.“

      Der Scheich lächelte. „Damit ich noch recht lange der erste Mann im Staat sein kann? Mein lieber Sohn, ich finde, du solltest dich allmählich mit dem Gedanken anfreunden, meinen Platz einzunehmen.“

      „Wozu? Das Volk liebt dich.“

      „Es liebt auch dich“, sagte der Scheich.

      „Die Bündnis und Wirtschaftspartner von Ost und West bringen dir Achtung und Vertrauen entgegen.“

      „Sie wissen, dass sie dir genauso trauen können, und ihre Achtung wirst du dir rasch erwerben. Wenn wir von dieser Reise zurückkehren, sollte es in Yanba einige Veränderungen geben.“

      „Heißt das, du willst abdanken?“, fragte Harun Achbar überrascht.

      „Hast du vor, dich vor der Verantwortung zu drücken?“

      „Nein, keineswegs, Vater, aber ich dachte ... Du hast bisher noch nie so direkt darüber gesprochen. Für mich lag eine Übernahme der Regierungsgeschäfte in weiter Ferne.“

      „Du fühlst dich von mir heute überrumpelt.“

      „Das nicht, aber deine Worte geben mir Anlass zur Besorgnis. Wenn du so sprichst ... Gibt es etwas, das du mir bisher verschwiegen hast? Befürchtest du, das deutsche Ärzteteam könnte eine Krankheit bei dir entdecken, die du uns aus gutem Grund verheimlicht hast?“

      Der Scheich lächelt mild und schüttelte den Kopf. Er legte seinem Sohn die Hand auf den Arm. „Wir sind Vater und Sohn, Harun, und wir sind Freunde. Es gibt nichts, nichts, was ich dir jemals verheimlichen würde. Was meine Gesundheit anlangt, kann ich dich - aus meiner Sicht - beruhigen. Es gibt nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest. Wie die Ärzte darüber denken, werden wir bald erfahren.“

      Harun Achbar atmete erleichtert auf.

      „Wenn du dich gut fühlst, wird schon nicht so schlimm sein, was man finden könnte.“

      „Aber ich bin sechzig, und unserem Land stehen einige politische Stürme bevor. Wenn du meinen Platz bald einnimmst, irritieren wir zunächst unsere Gegner. Sie müssen sich eine andere Taktik ausdenken, und wenn sie dann angreifen, können wir sie mit vereinten Kräften unschädlich machen. Du wirst aus diesen Auseinandersetzungen als strahlender Sieger hervorgehen, und niemand wird mehr daran zweifeln, dass du der beste Mann für Yanba bist.“

      Bergesfelden kam in Sicht, und der Hubschrauber begann langsam zu sinken. Scheich Achbar fasste nach der Schulter seines Sohnes und nickte zuversichtlich.

      „Gemeinsam sind wir nicht nur stark, sondern unbezwingbar, Harun, und so wird es noch sehr lange sein.“

      8

      Die Wiesen-Klinik glich einem Bienenhaus, als Scheich Rashid Achbar mit seiner Familie und den Leibwächtern eintraf. Die Oberin gefiel sich im Kasernenhofton und ließ ihre „Mannschaft“ antreten. Dr. Berends und seine Frau empfingen den hohen Gast mit freundlichen Worten, und der Chefarzt stellte dem Scheich seine Kollegen vor.

      Die verschleierten Ehefrauen und Töchter blieben nur eine Stunde in der Klinik, dann kehrten sie in ihr Hotel zurück. Harun Achbar und die Leibwächter blieben.

      Als Schwester Lydia dann dabei war, diverses Operationsbesteck keimfrei zu machen, erschien Schwester Hanna. Lydias Arbeit erforderte größtmögliche Gewissenhaftigkeit, denn nur völlig steriles Besteck durfte bei Operationen verwendet werden. Auf physikalischem Wege wurden alle Mikroorganismen, die dem Metall anhafteten, vernichtet.

      „Sie werden es noch sehr weit bringen, Schwester Lydia“, sagte die Oberin. „Kaum in der Wiesen-Klinik, rücken Sie schon nach ganz oben vor.“

      Lydia Fersten blickte die Oberin fragend an. „Wie meinen Sie das, Schwester Hanna?“

      „Nun haben wir den hohen Herrn also im Haus, und wenn wir nicht aufpassen, geht bei uns in Kürze alles drunter und drüber.“

      Lydia Fersten wusste nicht, worauf die Oberin hinaus wollte.

      „Verraten Sie mir, was Sie getan haben?“, fragte Schwester Hanna.

      „Was getan?“, wollte Lydia wissen.

      „Haben Sie den hohen Herrn behext? Es kam soeben Order von oben, ich soll Sie hier abziehen, damit Sie nur noch dem Scheich zur Verfügung stehen. Er hat Sie zu seiner Leibkrankenschwester auserkoren. Sie werden bis auf Weiteres nur für ihn da sein.“

      Lydia staunte. „Das hat Rashid Achbar verlangt?“

      „Es ist eine große Auszeichnung und ein noch größerer Vertrauensvorschuss, Schwester Lydia. Ich hoffe, Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass Sie ab sofort das gesamte Pflegepersonal der Wiesen-Klinik vertreten. Machen Sie das Beste daraus, damit Scheich Achbar mit der besten Meinung von uns in sein Land zurückkehrt! Unser aller Ansehen hängt davon ab, wie gut Sie uns vertreten.“

      „Aber ich verstehe das nicht. Dr. Berends hat mich doch erst aus der Röntgenabteilung geholt,