ANGESTRANDET. Rainer Teklenburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Teklenburg
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347113237
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saß ihr gegenüber, schenkte ihr den Kaffee ein und schnitt ihr ein Brötchen in zwei Hälften. Eigentlich eine vertraute Geste wo sie sich doch kaum kannten. Es schien ihr zu gefallen. Jede Hälfte bestrich sie dick mit Butter und Marmelade und biss vergnügt hinein.

      „Wie gefällt dir dein neues Zuhause?“

      „Es ist wirklich wunderbar, ich fühl mich wohl hier, einfach nur gut.“

      „Später musst du in mein Büro kommen wir müssen den Vertrag noch gegenzeichnen.“

      „Hast du dir schon überlegt was du tun willst, was wirst du arbeiten?“

      „In der Heimat habe ich mit Schmuck gehandelt und das werde ich auch hier tun.“

      Einen kleinen Laden habe ich auch schon, und zwar gegenüber von Angels Haus, genau neben dem Cafe des Inders. Der Laden gehört ihm ebenfalls und ich kann mich zu einem vernünftigen Preis einmieten.“

      „Hast du denn schon Ware, die du verkaufen kannst?“, wollte Patricia von ihm wissen.

      „Na ja, ich habe Edelsteine mitgebracht und ich denke, Gold kann ich hier kaufen. Angel und ich wir werden uns zusammen tun und einen Goldschmied kennt er auch.“

      „Weißt du Carlito, ich kenne da zwei Goldsucher,“ die beiden mieten sich immer bei mir ein, wenn sie aus den Bergen kommen, um in Puerto Plata ihren Fund zu verkaufen. Ich werde euch bekannt machen, möglicherweise kommt ihr miteinander ins Geschäft.“

      Patricia entpuppte sich als ein wahrer Schatz. Sie half Carlo bei den Genehmigungen, die er benötigte, war mit ihm unterwegs um die Ausstattung seines Geschäftes zusammen zu kaufen. Immer öfter frühstückten sie gemeinsam und auch ihre Gespräche wurden vertraulicher. Obwohl zwischen beiden eine geheimnisvolle Spannung entstand, gelang es ihnen doch, es niemals verfänglich werden zu lassen. Es war, als ob sie sich im Arm lagen, ohne sich zu berühren. Irgendetwas hielt Carlo davon ab, einen Angriff zu wagen und auch Patricia wollte ihrem Mann die Treue halten - und das nicht nur platonisch.

      ***

      Der Pick Up krächzte und ächzte, quälte sich durch die Berge. Hinten auf der Ladefläche die Neuerwerbung fürs Geschäft. Zwei Glasvitrinen, abschließbar aus Panzerglas. Patricia hatte das arrangiert; eine Witwe aus Santiago hatte die Vitrinen zum Kauf angeboten. Patricia hatte sie angerufen und schon am Telefon den Preis ausgehandelt und verbindlich zugesagt.

      Man hatte ihren Gatten bei einem Raubüberfall erschossen.

      „Er war Juwelier“, erklärte sie Carlo vor dem Deal.

      „Na wenn das kein gutes Omen ist.“, erwiderte er trocken.

      „Wir leben hier in der dritten Welt“, lächelte Patricia. „Ein bisschen Restrisiko hast du immer. So manchem braven Mann wurde schon für sehr viel weniger die Kehle durchgeschnitten.“

      Das einzige was im Pick Up noch gut funktionierte, war das Radio, aber für ein paar Dollars sollte man keine Wunder erwarten und der Wagen fuhr und brachte sie dahin, wohin sie wollten. Patricia hatte ihre Schuhe abgestreift und ihre nackten Füße aufs Armaturenbrett gestützt. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „GAME OVER.“ Ihre Haare quollen wild unter einer Baseballmütze hervor die sie verkehrt herum trug. Die Augen geschlossen, summt sie das Lied mit, welches blechern aus den Lautsprechern drang.

      „Warum hast du keine Freundin?“

      Carlo sah sie von der Seite an, wie hübsch sie doch ist, dachte er bei sich.

      „Hm. Keine Ahnung. Ich glaube, die Frauen mögen mich nicht.“

      „Komm. Sag' schon. du wirst Ansprüche stellen, die kaum eine Frau erfüllen kann. Ist es nicht so?“ bohrte sie.

      „Nein Quatsch. So ist das wirklich nicht!“

      „Wie muss denn deine Perle aussehen? Sie muss bestimmt bildhübsch sein, damit du dich für sie interessierst, stimmt’s?“

      „Das Aussehen ist mir eigentlich nicht so wichtig“, lachte Carlo. „Allerdings über den TÜV sollte sie schon noch kommen.“

      „Und du?“

      „Wie müsste Dein Traummann sein?“

      „Mein Traummann?“ Also, der sitzt in Fortaleza.“

      Sie tat ihm leid. Sie wollte all die vielen Jahre auf ihn warten. Wenn er eines Tages entlassen würde, würde sie feststellen, dass sie sich beide verändert hätten und wie Fremde gegenüberstehen würden. Aber sie hatte ein tapferes Herz, und wenn sie es für möglich hielt, was sollte man dagegen sagen?

      Einen kleinen Stich hatte er doch im Herzen als sie ihm voller Stolz sagte: „Alle vier Wochen kann ich ihn besuchen und da können wir zusammen sein.“

      „Zusammen sein?“, dachte Carlo bitter. „Sie meint wohl: die Beine spreizen, damit dieser Typ sein Ding rein tun kann.“

      „Glaubst du, du kannst ihm treu sein?“, fragte er nach einer Weile.

      Lange schaute sie ihn an.

      „Ich bin mir nicht ganz sicher. Auf jeden Fall werde ich es versuchen.“

      Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

      Am Eingang von Costambar befand sich ein kleines Wachhaus. Ein Posten sollte all die kontrollieren, die nicht ins Campo gehören. In der Regel nahmen diese Posten ihre Aufgabe nicht sehr ernst und dösten in einem Schaukelstuhl vor sich hin. Wenig beeindruckend war auch die abgesägte Schrotflinte, die sie mit sich führten. Für ein paar Pesos ließen sie sowieso jeden durch. So hatte das Ganze eher einen symbolischen Charakter. Das Campo hatte nur eine einzige Zufahrt, rechts davon eine große Pferderanch und links, getrennt durch einen Hügel, das Dorf Cofresi. Dahinter der atlantische Ozean mit seinem glasklaren Wasser. Gleich, wenn man in Costambar hineinfuhr, traf man auf die ersten kleinen Geschäfte. Neben dem Friseur ein Segeltuchmacher, ein Korbmacher teilte sich die Räumlichkeiten mit einem Fischer. Der Mercado grenzte an den Kindergarten, in dem die Kleinsten mehrsprachig auf die Schule vorbereitet wurden. Keine hundert Meter weiter gabelte sich die Straße und genau dort befand sich das Cafe des Inders. Von ihm hatte Carlo die Räumlichkeiten für sein Schmucklädchen gemietet, welche direkt an das Cafe stießen. Auf der anderen Seite der Straße bewohnte Angel eine Villa, die in zwei Hälften geteilt war, von denen er eine für sich nutzte. Ein buntes Völkchen war in diesem Campo zuhause. Neben wenigen großen, gab es einige kleine Hotels. Hier lebten außerdem viele Einheimische, Glücksritter und Aussteiger aus aller Herren Länder, z.B. 'El loco' Pieter: der ein Sportstudio betrieb und eine winzige Bar hatte. Da er keine Lust hatte seine Steuern zu bezahlen, kehrte er der Heimat den Rücken und ließ sich in diesem Steuerparadies nieder. 'Kerzen-Erich': er verdankte seinen Namen den kunstvollen, handgeschnitzten Kerzen, die auf der ganzen Insel von ihm verkauft wurden. Ein Frankfurter, der zuerst sein Glück in Afrika gesucht hatte und dann von dort sein Heil in der Flucht in die Karibik. Zu viele Leute hatte er in der fernen Heimat aufs Kreuz gelegt und so fühlte er sich hier besser aufgehoben. 'Brot-Paul' hatte eine kleine Backstube und stellte deutsches Brot und Brötchen her. Was auch immer ihn hierher verschlagen haben mochte, es wird nichts Gutes gewesen sein. Aus vielen Nationen leben sie hier zusammen: Italiener, Argentinier, Holländer, Kubaner, Russen, Schweizer und, und, und. Und ein Bayer: 'Ziegel-Max'! Eigentlich ein Dachdecker. Er hatte sich aber von Carlo engagieren lassen, den Innenausbau des Schmucklädchens zu übernehmen. Max war ein wilder Geselle mit einem Schnauzbart, den er täglich nach oben zwirbelte. Sein Dialekt war schwerer zu verstehen als das Spanisch der Campesinos Patricia hatte sie miteinander bekannt gemacht, allerdings hatte sie Carlo verschwiegen, dass er ein fanatischer Fußball-Fan war und die Fußballergebnisse der Bundesliga mittels eines Weltempfängers verfolgte. Verschwiegen hatte sie auch, dass, wenn sein geliebter Verein eine Niederlage erlitt, er sich dann ausschließlich - und das für die nächsten Tage - mit einigen Maß Bier und nicht mit seiner Arbeit beschäftigte. 1860 München, die Weißblauen, wie Carlo die nun hasste. In seiner Lederhose mit Kniestrümpfen in Vereinsfarbe saß der Bayjuware dann an der Strandbar, den trüben Blick übers Meer, durch nichts