ANGESTRANDET. Rainer Teklenburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Teklenburg
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347113237
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Carlo, Carlo…“

      Herzlich war die Begrüßung und echt. Die meisten kannte Carlo von seinen früheren Reisen.

      Kerzen-Erich, der dicke Thomas, El Loco Pieter, Brot-Paul, Flieger-Horst. Jeder auf der Insel bekam einen Beinamen, der entweder etwas mit seinem Beruf zu tun hatte oder mit seinem skurrilen Eigenschaften.

      Angel wurde der Beduine gerufen. Wahrscheinlich, da er Araber war. Möglicherweise aber auch weil er den ansässigen Pferdeverleihern einmal Konkurrenz machen wollte und zwei Kamele aus Ägypten hatte einfliegen lassen. Er hatte sich das so schön vorgestellt. Aber die Touristen ritten lieber zu Pferde und weigerten sich trotz seines permanenten Werbens, die Wüstentiere zu besteigen. Jetzt grasten die beiden hinter Angel’s Haus und schienen sich recht wohl zu fühlen. Bei seinen morgendlichen Rundgängen grinsten sie ihn regelrecht an, manchmal hatte er das Gefühl sie lachten ihn tatsächlich aus. ***

      „Aufstehen Carlo, aufstehen!“

      Die laute Stimme Angel’s riss ihn aus dem Schlaf.

      „Warum schreist du? Und rüttele mich nicht so“, jammerte Carlo.

      „Du musst raus, wir haben Termine.“

      „Lass mich in Ruhe, ich will noch etwas schlafen.“

      „Mach schon, Dolores hat das Frühstück fertig.“

      Der Schädel dröhnt ihm und am liebsten würde Carlo im Bett bleiben.

      Der lange Flug, die vergangene Nacht, zu viel getrunken und nur vage Erinnerungen.

      „Mit den Weibern darf man sich’s nicht verscherzen und schon gar nicht, wenn man Gast in ihrem Haus ist“, dachte sich Carlo. Also schleppte er sich ins Bad unter die Dusche und drehte kaltes Wasser auf. Nach und nach tauchte der gestrige Abend wieder auf. Nach dem Essen hatten die Jungs ihn an die Theke gezogen.

      Carlo musste grinsen,

      „hol’s der Teufel, mit jedem musste ich trinken, Tequila, Rum, Daiquiri“, dachte er.

      Geschichten aus der Heimat erzählen. Eine dicke Dominikanerin hatte zu singen angefangen, ihr Mann spielte dazu Gitarre.

      „Du musst mit Dolores den Tanz eröffnen“, hatte Angel verlangt.

      „Lambada? Ich kann’s doch nicht.“

      „Du kannst!“

      „Nö, wirklich, ich kann nicht.“

      „Klar kannst du“, beharrte Angel.

      Schnell hielt man ihm einen Tequila hin, den er auf Ex trank und der ihm Mut machte und dann schoben sie ihn und Dolores in die Mitte. Mit ihr im Arm erschien ihm der Lambada plötzlich ganz einfach und der betörende Geruch, den sie ausströmte, verwirrten ihm ein wenig die Sinne.

      Über den Rand seiner Kaffeetasse schaute Angel Carlo an.

      „Wir haben um elf Uhr einen Termin wegen Deiner Residencia.“

      „Aber es ist doch schon zwölf Uhr“, sagte Carlo erstaunt.

      „Ja, ich weiß.“

      „Aber dann sind wir doch viel zu spät.“

      „Ach was“, sagte Angel leichthin. „Eine Stunde ist doch keine Verspätung!“

      „Außerdem müssen wir um drei Uhr bei Patricia sein.“

      Patricia? Wer konnte das sein? Klar hatte er gestern noch mit anderen getanzt, aber an eine Lady mit diesen Namen konnte er sich nicht erinnern.

      „Patricia, wer ist das?“ Wollte Carlo wissen.

      „Du solltest keinen Alkohol mehr trinken, echt nicht.“ Die halbe Nacht hast du dich nur ihr gewidmet, außerdem ist sie die Hotelmanagerin vom Le Pirat und hat eventuell eine Wohnung für dich.“

      „Aha“

      „Aha“, äffte Angel ihm nach und Dolores knallte ein bisschen zu heftig ein leckeres Omelett auf den Tisch.

      ** *

      Bis auf Telefon, Computer und Licht bestand das Mobiliar aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Die Beine des wuchtigen Schreibtisches waren geschnitzt und zeigten zeitgenössische Figuren aus längst vergangenen Jahrhunderten. An den Wänden hingen überdimensionale Bilder mit den Abbildungen des spanischen Königspaares Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien. Seitlich auf einem beeindruckenden Sideboard ein originalgetreuer Nachbau der Santa Maria, dem Flaggschiff des Christoph Kolumbus. Die Dominikaner zeigten gerne was sie haben, jedenfalls diejenigen die auch was zu zeigen hatten.

      Die Herrin über diese Anwaltskanzlei gehörte zu einem der reichsten Clans auf Hispaniola. Eine Rum Fabrik, Zuckerrohrfelder, Viehherden, Tabakplantagen. Eigentlich gab es kaum eine einträgliche Branche an denen sie nicht beteiligt waren oder auf die eine oder andere Art ihre Finger mit darin hatten.

      „Diese Kanzlei“, erklärte Angel seinem Freund, "ist nicht unbedingt die preiswerteste aber ich schwöre es dir, die können aus Scheiße Butter machen.“ Die haben so ihre Verbindungen, deine Aufenthaltsgenehmigung wird bald geregelt sein und Probleme wird es keine geben.

      „Señor Carlo“, sagte die Advokatin etwas übertrieben,, es ist mir eine Ehre, das sie meine bescheidene Kanzlei aufsuchen und uns ihr Vertrauen entgegenbringen.“ Mit diesen Worten ließ sie die Tausend Dollar, die Carlo auf den überdimensionalen Sekretär gelegt hatte, mit einer kurzen Handbewegung auf nimmer Wiedersehen in einer Schublade verschwinden.

      „Sie werden von uns hören.“

      Mit diesen Worten erhob sie sich lächelnd, was für Angel und Carlo bedeutete dass sie sich trollen konnten. Für diese tausend Dollar würde die Señora ein paar Telefongespräche führen, die einige Minuten in Anspruch nehmen würden.

      „Tausend Dollar ist ungefähr die Summe die ein Zuckerrohrschneider verdient“, erklärte Angel seinem Freund, im Jahr versteht sich.“

      ***

      „Was nun?“, fragte Carlo den kleinen Araber.

      „Jetzt fahren wir zu Patricia und schauen uns dein neues Zuhause an.“

      „Ich kann mich nicht an sie erinnern, habe ich tatsächlich mit ihr getanzt?“

      „Getanzt ist wirklich gut“, spöttelte Angel.

      „Wie meinst du das?“

      Angel schlug ein Kreuz.

      Also, ein guter Moslem ist der Araber nicht, dachte Carlo.

      Das Hotel war keine hundert Schritte vom Strand entfernt und hatte die Form eines Hufeisens. Ein kleiner Weg aufgeschüttet mit schneeweißem Calitsche, rechts und links mit Palmen eingefasst, führte direkt zur Rezeption. Vis à vis lag das hoteleigene Restaurant und die dazugehörige schmucke Bar. An der Anmeldung vorbei führte ein aus schwerem Edelholz gefertigter Steg in die Anlage. Der Pool hatte das Aussehen einer riesigen Acht und mit seinem glasklarem, frischem Wasser lud er zum Schwimmen ein oder auch nur um darin zu verweilen. Die gesamte Innenfläche der Anlage war weiß gekachelt, unterbrochen von kleinen grünen Inseln, die mit verschiedenen karibischen Pflanzen und Blumen bewachsen waren. Der Kontrast vom Weiß des Bodens und dem Grün der Sträucher hatte für Carlo etwas von Poesie. Es war, als ob ein Gedicht vorgetragen würde, welches seine Sinne berauschte und ihn in eine entrückte Welt entführte. Alles schien bis ins kleinste Detail durchdacht geplant und arrangiert. Er spürte förmlich, dass die Leitung des Ganzen in liebevollen Händen lag. Und doch, trotz allem Charme des Kleinods, wollte sich kein Reiseveranstalter finden, der dieses Hotel buchen und in seinem Angebot mit aufnehmen wollte. "Zu wenig Zimmer", lauteten die Argumente, und für eng kalkulierende Manager ließ sich das nicht rechnen. So blieb der Schatz einigen wenigen Eingeweihten vorbehalten und den Glücklichen die ein Appartement fest mieten konnten. Dies sicherte den Besitzern die monatlichen Kosten und Ausgaben für die Instandhaltungen des Hotels. Für die Besitzer war dieser Umstand natürlich bedauerlich, für die handvoll Bewohner jedoch geradezu paradiesisch.