Der Sommer mit Josie. Sandy Lee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandy Lee
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Короткие любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783969405147
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Experimente folgten. So wollte Hendrik den Reiz dieser Wissenschaft in den Studenten entfachen. Und am Ende der Vorlesung konnte er stolz sagen: Er hatte Erfolg damit.

      Jetzt saß er in der Mensa und aß sein Kartoffelpüree mit Frikadelle. Über den Tellerrand sah er plötzlich eine erhobene Hand, die in seine Richtung winkte. Sein Kollege Hans hatte ihn erspäht und kam mit seiner Portion an den Tisch.

      »Na, wie war's?«, erkundigte er sich.

      Hendrik winkte mit dem Messer in der Hand ab.

      »Wenn die ganze Physik so einfach wäre, hätte ich ein schönes Leben.«

      Hans konterte, da er seinen Freund kannte: »Erstens wächst der Mensch an seinen Aufgaben, und zweitens kann dir doch eh keiner mehr etwas vormachen. Du lehrst doch nicht Physik, du bist die verkörperte Physik.«

      Das stimmte. Hendrik hatte schon manchmal im Vorbeigehen leise den Satz gehört: ›Da kommt Leonardo!‹ Eigentlich müsste er bei der Vorstellung, dass ihm seine Schüler mit dem Universalgelehrten Leonardo da Vinci verglichen, geschmeichelt sein.

      Heute jedoch betrübte ihn irgendetwas. Hans, der zu Hendrik eine ähnliche Beziehung hatte, wie Veronika zu Barbara, suchte dessen Aufmerksamkeit.

      »Ist was nicht in Ordnung?«

      »Wieso? Warum fragst du?«

      »Weil du dasitzt, als wäre dir die Petersilie verhagelt. Das sieht man dir von weitem an.«

      Hendrik wunderte sich. Waren seine Gefühle so ein offenes Buch?

      »Wir kennen uns doch schon ziemlich lange?«, stellte er rhetorisch in den Raum.

      Hans musste nicht nachdenken.

      »Seit unserem eigenen Studium. Also ungefähr …«

      Hendrik unterbrach seine Überlegungen.

      »Du kennst doch auch Barbara und die Kinder?«

      »Natürlich. Und ich hoffe, eines der beiden eines Tages bei mir in der Vorlesung zu sehen.«

      Hendrik überhörte diese Spitze.

      »Sag mal, glaubst du, dass ich ein guter Vater bin? Ich meine, trotz des momentanen Zustandes unserer Beziehung.«

      Hans stellte statt einer Antwort eine Gegenfrage.

      »Zweifelst du etwa daran?«

      »Nein. Nur … Barbara will mit mir sprechen – dringend. Und nach ihren Andeutungen scheint es um die Kinder zu gehen. Sie kommt heute Nachmittag. Wahrscheinlich will sie die beiden nicht dabei haben. Was sollte ich daraus schließen?«

      Hans legte das Besteck beiseite.

      »Gar nichts solltest du! Du willst dir wohl dein eigenes Grab schaufeln. Wer denkt, dass er verloren hat, hat wirklich schon begonnen zu verlieren. Hör dir erst einmal ohne Vorurteil die Argumente deiner Frau an! Außerdem hast du gerade gesagt, du nimmst an, es gehe um die Kinder. Also mach dich nicht unnötig verrückt!«

      Hendrik atmete tief durch.

      »Du hast recht. Angriff ist die beste Verteidigung. Obwohl mir dabei gar nicht so wohl wäre.«

      Hans bremste ihn aus.

      »Du sollst ja auch niemanden angreifen, schon gar nicht deine Barbara! Deine Kinder mögen dich, und Barbara tut es auch, wenn es gerade auch nicht so aussieht. Ein getrenntes Bett ist noch lange kein getrenntes Leben.«

      Hendrik sah Hans unverständig an.

      »Aber wir leben doch getrennt.«

      »Nenn es, wie du willst! Ich sehe da noch eine Menge Gemeinsamkeiten, weitab von Scheidung und Auseinanderlaufen. Ich bin kein Psychologe, aber halt die Tür offen, solange sie noch nicht ins Schloss gefallen ist!«

      Die beiden hielten heute einen Exkurs in Redewendungen und Metaphern. Und Hans, der Hendrik schon so manches Mal mit seinem Rat helfen konnte, gewann schließlich das Wortduell.

      »Okay. Unvoreingenommen, kompromissbereit und reumütig. Danke für deine Hilfe, Hans.«

      Hendrik stand auf und wandte sich zum Gehen.

      »Das Letzte streichen wir«, rief ihm sein Freund nach.

      In Josies Zimmer stand ein Karton. Ein großer Karton. Er war zur Hälfte mit Kleidung gefüllt, Daniels Kleidung. Josie hatte mit den Wintersachen begonnen. Bis dahin war es noch lang, und sie hoffte, sich in der Zeit neu eingekleidet zu haben.

      Barbara trat hinzu.

      »Vorläufige Ablage?«, konstatierte sie.

      »Na ja, vielleicht ändert sich bei dem einen oder anderen Stück noch mal meine Meinung. Deshalb möchte ich das noch nicht endgültig weggeben.«

      Barbara war dankbar.

      »Das ist sehr vernünftig. Erst wenn du dir wirklich sicher bist, dann geben wir die ausgesuchten Sachen weg.«

      Es war ein guter Zeitpunkt, Anka Richter ins Gespräch zu bringen.

      »Weißt du, als ich gestern mit Anka gesprochen habe …«

      »Anka?«

      »Ja! Frau Richter hat mir angeboten, dass wir uns in Anbetracht längeren Kontaktes beim Vornamen nennen. Also, sie hat mir von einem Second-Hand-Kleidermarkt erzählt. Er ist in der Fischerstraße in der Stadt. Sie war wohl schon dort und sagte, es gäbe auch fast neuwertige Sachen. Rücksendungen und so. Wollen wir uns dort mal nach etwas Schönen für dich umsehen?«

      Josie überlegte noch.

      Ihre Mutter bettelte: »Bitte! Es wird sonst so teuer.«

      Josie musste bei dem Anblick lächeln.

      »Ist gut. Damit komm ich klar.«

      Barbara war heute die Zweite in der Familie, die tief durchatmete.

      In der Wohnung von Laras Eltern ging es jetzt bereits zu wie in einem Taubenschlag. Ständig kamen neue Geburtstagsgäste. Ilsa und Caro waren schon zwei Stunden hier. Da war der Trubel noch nicht abzusehen. Ilsa hatte Lara ein kleines, in buntes Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen gegeben. Voll Spannung hatte das Mädchen das bunte Band abgezogen und ausgepackt. Es war ein Tagebuch.

      Ilsa sagte verschwörerisch: »Da kannst du all deine Geheimnisse reinschreiben, und keiner außer dir darf das lesen.«

      Das Tagebuch hatte an der Seite eine kleine Lasche mit Schloss.

      »Aber verlier den Schlüssel nicht!«, lachte Ilsa.

      »Oh danke, Ilsa. Das finde ich prima. – Mama!« Sie ging in die Küche, wo die Mutter gerade Gläser für die Getränke herausstellte. »Sieh mal! Ilsa hat mir ein Tagebuch geschenkt.«

      Svenja schaute ihre Tochter, die beinahe schon so groß wie sie war, an.

      »Das ist ein wirklich schönes und nützliches Geschenk.«

      Sie zwinkerte Lara zu. Dann rief sie ins Wohnzimmer: »Danke, Ilsa!«

      Jetzt, gegen zwölf, ging es auf Mittag zu, und die Kinder bekamen Hunger. Joschka hatte einfach für alle Pizza bestellt. Das machte bei der Menge den geringsten Aufwand, und die Kinder mochten so etwas.

      Es klingelte. Svenja öffnete die Tür. Draußen stand der Bote, in seinen Händen einen Stapel Kartons.

      »Sechs Pizzen für Sachanow«, fragte er.

      »Ja, das ist richtig hier. Hören Sie die Raubtiere?«

      Der Bote lachte, übergab den Stapel und nahm das Geld in Empfang. Dann stieg er, lustig pfeifend, die Treppe hinunter.

      Der Dachboden des alten Hauses war stickig in der Mittagshitze des Sommers. Solche Gebäude hatten noch kein ausgebautes Dachgeschoss. Schwere, von den Jahren gezeichnete Balken lagen offen unter der Dachhaut.

      Barbara suchte sich eine Ecke, in der sie den Karton abstellen konnte. Er war säuberlich