Der Sommer mit Josie. Sandy Lee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandy Lee
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Короткие любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783969405147
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sagen?«

      Er hörte Barbaras vertraute Stimme, die er so mochte: »Wenn du es wirklich ernst meinst, darfst du. Wir lassen uns schließlich nicht scheiden.«

      »Genau. Und ich hoffe, dass wir bald wieder zusammenfinden.«

      »Hendrik, das ist jetzt nicht das Thema. Ich muss dich in einer äußerst wichtigen Angelegenheit möglichst bald sprechen. Persönlich!«

      Ihr Mann schwankte noch: »Gut oder schlecht?«

      »Eher sehr speziell – und es betrifft die ganze Familie. Ich komme zu dir. Wann passt es dir?«

      Hendrik runzelte die Stirn.

      »Geht es Dienstag nachmittags? So gegen fünf Uhr?«

      Eine kurze Pause trat ein. Barbara schien zu überlegen, ob es irgendwelche Termine an diesem Tag gab.

      »Geht. Ich bin um fünf bei dir. Tschüss.«

      Der Lautsprecher verstummte.

      Hendrik überlegte. Er trommelte mit dem Stift auf der Tischplatte. Was bedeutete das? Drei Worte bohrten sich in seinen Kopf. Bald – speziell – Familie! Als Physiker dachte er rational. ›Familie‹ – das konnte nur heißen, es hatte mit den Kindern zu tun. ›Bald‹ war klar: Die Sache duldete keinen Aufschub. Aber was sollte dieses ›speziell‹ andeuten. Hendrik konnte sich nicht erinnern, einmal wegen einer speziellen Angelegenheit angesprochen worden zu sein. Wenn es weder gut noch schlecht war, weder Geburt noch Todesfall, weder Gewinn oder Verlust – dann blieb doch nur etwas übrig, was je nach Sicht der Dinge beides sein konnte.

      Er nahm sich wieder seine Unterlagen vor.

      Im Fernsehen lief ein Spielfilm. Barbara schaute nur halb zu, aber sie wollte jetzt einfach mal auf andere Gedanken kommen. Da plötzlich registrierte sie das Wort ›Urlaub‹. Es gehörte zur Szene, doch Barbara fiel sofort Veronikas Angebot ein. Sie musste mit den Kindern darüber sprechen. Auch, wenn im Moment alles drunter und drüber ging – oder gerade deshalb – sollte der Platz im Landhäuschen angesprochen werden.

      Sie schaltete den Ton ab und rief: »Kinder! Könnt ihr mal kommen? Beide!«

      Josie und Ilsa schlichen herein.

      »Gibt es noch etwas?«, begann Josie.

      »Nein, es geht um etwas anderes. Setzt euch!«

      Josie lümmelte sich in den Sessel, Ilsa setzte sich neben ihre Mutter auf die Couch.

      Barbara ergriff das Wort.

      »Was haltet ihr von einem kleinen Landhaus am Siedlersee?«

      Josie horchte auf.

      »Willst du dir jetzt ein Wassergrundstück zulegen?«, meinte sie ironisch.

      »Nein, natürlich nicht. Ihr kennt doch meine Kollegin Veronika?« Die beiden nickten. »Sie hat mir am Freitag ein Angebot gemacht. Wir können nächsten Monat für ein oder zwei Wochen im Häuschen ihres Vaters Urlaub machen. Was haltet ihr davon?«

      Die Kinder überlegten. Sie kannten Veronika schon seit einigen Jahren. Manchmal kam sie zu ihrer Mutter nach Hause, und dann ging es meist recht lustig zu.

      Barbara nahm den Faden wieder auf.

      »Kommt, es soll toll sein! Ihr könnt Boot fahren, und in der Nähe gibt es einen Reiterhof.«

      Bei dem letzten Wort war für Ilsa die Entscheidung gefallen.

      »Reiten? Prima!«

      Josie fragte nach. »Kommt Veronika mit?« Sie – oder eigentlich Daniel – verstand sich sehr gut mit Mamas Freundin.

      »Ich denke, ja. Jetzt, wo wir zu dritt sind, ist das doch kein Problem.«

      Josie warf ein: »Und was wird mit mir? Ich meine, wie ich jetzt bin …«

      Barbara verstand, worauf sie anspielte.

      »Das ist eine prima Gelegenheit für deinen Alltagstest. Wir sind unter uns, aber in freier Natur. Und wenn dich jemand sieht, dann sind es Fremde, denen du wohl nie wieder begegnen wirst. Na, und mit Veronika kommst du doch klar.«

      »Wenn sie mit mir klarkommt?«, sagte Josie leise.

      »Ich denke, schon. Veronika ist eine aufgeschlossene moderne Frau. Die hat sicher keine Probleme damit.«

      Josie sah das jetzt auch so.

      »Na gut. Ich bin dabei.«

      Barbara lächelte erleichtert.

      »Dann sage ich morgen gleich Bescheid.«

      Der Film war zu Ende. Im Film ist alles einfach. Der Autor schreibt ein Happy End, und die beiden unglücklich Verliebten kriegen sich doch. Barbara wünschte sich jemanden, der ein Happy End für ihre Familienprobleme schrieb.

      Schreiben! – Barbara sah Ilsas Notebook auf dem Tisch. Richtig – sie wollte sich mal mit der Problematik beschäftigen. Anka Richter hatte ihr zwar ein paar Basics mitgegeben, aber sie brauchte mehr Informationen. Was kommt in den nächsten Wochen und Monaten auf sie zu? Mit wem muss sie, respektive Josie, Kontakt aufnehmen? Welche rechtlichen Wege sind zu beachten? Und, um das Ganze bis zum Ende zu denken: Was wird mit Josie passieren, damit sie auch amtlich ein Mädchen wird? Barbara hatte zwar darüber bisher noch kein Wort verloren, aber die Möglichkeit bestand – und war naheliegend. Sosehr sie bei der Vorstellung auch in Sorge geriet und irgendwie litt, würde sie es doch gern von Josie wissen wollen.

      In Josies Zimmer, wo deren großer PC stand, befand sich auch ein Drucker. Hendrik hatte alle Geräte miteinander vernetzt. Das Notebook hing über WLAN in diesem Netzwerk.

      Entschlossen klappte Barbara den Deckel auf. Sie loggte sich ins Internet ein und ging auf eine Suchmaschine. Bedächtig, fast sorgsam tippte sie das Wort ›Transgender‹ ein – und riss im nächsten Moment die Augen weit auf. Über einhundertfünfzig Millionen Treffer!

      Mit einem Schlag wurden ihr zwei Fakten klar. Erstens würde sie in der Flut der Veröffentlichungen mit absoluter Sicherheit den Überblick verlieren, ohne ihn je erhalten zu haben. Zweitens war die Thematik anscheinend so komplex, dass sie ein Schritt-für-Schritt-Programm brauchte, was alles zu tun sei.

      »Josie, mein Mädchen«, sagte sie leise vor sich hin, »ich liebe dich, aber was tust du mir hier an?«

      Barbara zog ernsthaft in Erwägung, einige Tage freizunehmen.

      Bevor sie sich spät am Abend schlafen legte, stellte sie einen Küchenstuhl neben Josies Tür und legte das Kleid mit den blauen Blumen darauf.

      7

      Als Barbara am Montagmorgen den kurzen Weg zur Boutique ging, hatte sie immer noch keinen Plan, wie es weitergehen sollte. Es waren verschiedene Ansätze vorhanden. Die Vertrauenslehrerin würde jederzeit helfen, die Kinder hatten Ferien, so dass Josie sich erst einmal zu Hause in ihre neue Rolle hineinleben konnte, morgen würde sie mit Hendrik darüber sprechen. Aber ihr schienen das Tropfen in einem Meer an Fragen zu sein. Im Augenblick fiel ihr nur eines ein. Auf Veronika konnte sie sich hundertprozentig verlassen, wenn sie die Freundin in ihre Sorgen einweihen würde. Sie sah jetzt keine andere Möglichkeit. Allein wurde sie mit der Sache nie fertig. Und wenn der Urlaubstrip klarging, wusste die es in drei Wochen sowieso.

      Barbara öffnete die Tür des Geschäftes. Ein elektronischer Gong ertönte – drei Töne. Veronika kam von hinten, zupfte noch an ihrer Bluse.

      »Hallo Babs! Sag mal …« Sie schaute genauer hin. »Du siehst müde aus. Hast du dich nicht erholt? Es war doch ein wunderbares Wochenende.«

      »Hallo Vroni! Wem sagst du das, bitte? Ich fühle mich erschöpft, gerädert – nenn es, wie du willst.«

      »Was war los? Bist du krank?«

      »Noch nicht«, winkte Barbara ab. »Aber wenn das so weitergeht, dauert's nicht mehr