Ostfriesen morden anders. Peter Gerdes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Gerdes
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839264607
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doch sowieso immer bekommt, was sie will! Weil sämtliche Politiker vor ihr kriechen, sobald sie mit der Arbeitsplatz-Peitsche knallt! Darum.

      Ja, ich verstehe Ihre Enttäuschung. Natürlich möchte man gerne, dass derjenige, der sich moralisch schuldig gemacht hat, auch der Täter ist. Aber so ist den wirklich Bösen selten beizukommen. Nehmen wir Al Capone – einen der größten Gangster seiner Zeit. Den haben sie nicht etwa wegen Mordes verurteilen können oder wegen Raubes, nein, am Ende war es Steuerhinterziehung! Dafür ist er hinter Gitter gewandert, und dort ist er dann verstorben. Was für ein Zufall, tja, das meine ich auch.

      Aber bleiben wir bei der Friesenbrücke. Wenn es nicht die Werft war, der es zu mühsam wurde, das Mittelteil dieser Ems-Querung bei jeder Schiffsüberführung langwierig und teuer aushängen zu lassen – wer hat sie dann zerstört? Da gibt es durchaus ein paar Kandidaten. Wir kennen doch unsere Verschwörungstheoretiker, die lassen uns nicht im Stich.

      Nummer eins: Wladimir Putin. Ja, ja, immer gleich hoch ins Regal gegriffen! Putins Russland hat Wirtschaftsprobleme, unter anderem wegen der niedrigen Energiepreise. Für die kann er nichts, das liegt an Saudi-Arabien und den islamistischen Terroristen im Irak und in Libyen, die ihre Mörderbanden damit finanzieren, dass sie große Menge Erdöl auf den Markt werfen, was den Preis drückt, wobei ihnen gewisse Kreise in der Türkei behilflich sein – wussten Sie, dass die Türkei Nato-Mitglied ist? Ja, man fasst es nicht.

      Genau, Putin. Der will sein Land mit Gas- und Öl-Exporten finanzieren, daher passt es ihm gar nicht, dass Westeuropa derzeit auf dem Energiespartrip ist. Windkraft, Solarenergie, Elektroautos … wie soll Putin daran verdienen? Aber die beste Möglichkeit, Energie zu sparen, ist immer noch der öffentliche Personenverkehr. Nah und fern. Genau, vor allem die Eisenbahn. Merken Sie, wie gut das zusammenpasst?

      He, was gibt es da zu lachen! Sie haben doch das Wichtigste noch nicht gehört. Die Verschwörungs-Trumpfkarte, sozusagen. Der Kapitän des Schiffes, das die Friesenbrücke versenkt hat, ist Russe!

      Ja, da gucken Sie. Obwohl ich sagen muss, überzeugt guckt anders. Sie wissen doch, Putin war zu Sowjetzeiten Geheimdienst-Chef! Der hat seine Leute im Griff, auch heute noch, auch im Ausland. Wenn der einem sagt, fahr mir mal eben diese Eisenbahnbrücke zusammen, die ist eine wichtige Verbindung zwischen Norddeutschland und Holland, viele Pendler, da geht uns eine Menge Benzin-Umsatz verloren – also, da möchte ich nicht diese Brücke sein, das sage ich Ihnen!

      Apropos Holland. Das war ja noch lange nicht alles, was die Verschwörungs-Theoretiker zum Thema Friesenbrücke kombiniert haben! Da gab es nämlich einen merkwürdigen Vorfall, der ging auch durch die Medien. Nein, Tatsache! Da tauchten nämlich, kaum dass die Brücke abgetaucht war, plötzlich niederländische Offiziere am Ems-Ufer auf und nahmen die Zerstörung genauestens in Augenschein. Oh ja, da habe ich auch gestaunt! Ich meine, was haben die da zu suchen? Manche sagen zwar, Weener und das Rheiderland gehörten nicht wirklich zu Deutschland – aber deswegen ist es noch lange kein niederländisches Territorium! Was die Offiziere hier gewollt haben, wurde nie wirklich geklärt. Irgendwann wuchs Gras über die Sache.

      Aber ich kann es Ihnen sagen.

      Okay. Wissen Sie noch, was für ein weltoffenes, tolerantes Land die Niederlande einmal waren? Rasse, Nationalität, Religion – das war alles egal, keine Vorurteile, man nahm jeden so, wie er war. Traumhaft! Ich weiß noch, wie ich als Jugendlicher darüber gestaunt habe. Ach Quatsch, mit Marihuana hatte das nichts zu tun. Sondern damit, dass ich als Deutscher, der mit Vorurteilen quasi großgezogen worden ist, gemerkt habe, dass uns der kleine Nachbar in dieser Hinsicht weit voraus war. Dass es eben auch anders geht.

      Und dann war es damit von einem Tag auf den anderen vorbei. Schuld waren islamistische Attentate. Holland war natürlich nicht das einzige Land, das unter dieser Pest litt – aber die Niederländer fühlten sich besonders betroffen. Erschüttert bis ins Mark. Weil man ihnen ihre Offenheit, ihre Gutherzigkeit derart gemein vergolten hatte. Was wollen Sie, man kann das verstehen.

      Was dann kam, war allerdings bitter und gar nicht vorbildlich. Obwohl die Deutschen gerade drauf und dran sind, sich genau das zum Vorbild zu nehmen: Holländische Rechtspopulisten und ihre Parolen kamen in Mode und wurden gewählt. Das ganze Land vollführte einen Schwenk von extrem liberal zu Monokulti. Alles Muslimische wurde strikt abgelehnt – zuweilen gleich alles Fremde. Auch wir Deutschen kriegten unser Fett weg; plötzlich waren wir wieder die »Moffen«.

      So. Und dann geht die Moffen-Kanzlerin bekanntlich her und verkündet, dass Flüchtlinge aus Syrien, deren Leben in Gefahr ist, selbstverständlich aufgenommen werden. Kommt eben aus einer christlichen Partei und einer christlichen Familie. Gemeint hat sie natürlich, dass ganz Europa diese vielen Flüchtlinge aufnehmen soll. Weil aber unsere superchristlichen EU-Partner plötzlich von Nächstenliebe nichts wissen wollen – allen voran das erzkatholische Polen – und sich abschotten, läuft es letztlich darauf hinaus, dass die große Masse dieser armen Menschen Deutschland ansteuert. Im Süden kommen sie an, dann verteilt man sie nach Westen, Osten und Norden. Und nach Nordwesten. Wo längst nicht alle bleiben wollen.

      Sie verstehen, was das für die Niederländer heißt? Muslimischer Aufmarsch direkt an ihrer Landesgrenze! Und das bei offenen Schlagbäumen. Da muss man sich natürlich etwas einfallen lassen, um diese Menschen am weiteren Vordringen zu hindern. Schließlich will man ja keine Muslime mehr. Donald Trump lässt grüßen.

      Und womit fahren mittellose Flüchtlinge in der Regel? Genau, mit dem Zug. Und was ist die große Spezialität der Holländer? Genau, wasserbauliche Konstruktionen aller Art, nicht zuletzt Brücken. Eisenbahnbrücken. Und Schiffe natürlich.

      Crash boom bang, Sie verstehen?

      Wie, was das soll? Ein offenes Tor für den Einfall von Muslimen nach Holland ist damit verschlossen! Mit Mitteln, die allesamt auf die wasserbaukundigen Niederländer verweisen! Und das letzte Indiz war diese klammheimliche Inspektionsreise holländischer Offiziere, um nachzuschauen, ob das Zerstörungswerk auch nach Plan verlaufen ist. Ist es! Damit ist die nächsten acht bis zehn Jahre Ruhe an diesem Frontabschnitt. Die Holländer wissen natürlich genau, dass die aufgeblasene deutsche Bürokratie mindestens so lange braucht, um eine neue Brücke auch nur zu genehmigen.

      Glauben Sie nicht? Das können Sie mir ruhig abnehmen, ich bin doch selber Teil dieser Bürokratie! Wenn ich mich vorstellen dürfte: Stahnke. Hauptkommissar Stahnke, Fachkommissariats römisch eins, Polizeiinspektion Leer/Emden. Angenehm.

      Ach so, das meinten Sie gar nicht! Klar, dass unsere Bürokratie längst jedes Maß verloren hat, weiß ja jeder. Sie meinten die Verschwörungstheorie mit den Holländern, alles klar. Soll ich Ihnen etwas sagen? Klingt ganz nett, aber so war es nicht. Ich jedenfalls glaube auch nicht dran.

      Warum? Weil ich weiß, wie es wirklich war.

      Erzählen darf ich das eigentlich nicht, Dienstgeheimnis. Andererseits … Ach, was soll’s. Passen Sie auf. Ich erzähle Ihnen mal was.

      Da war dieser Mann, dessen Name natürlich nichts zur Sache tut, der wohnte in Weener und arbeitete bei Volkswagen in Emden. Das ist gar nicht so ungewöhnlich! Eine Stelle bei VW, das kommt in Ostfriesland gleich nach Beamter sein, was die Sicherheit betrifft; von den Löhnen und Gehältern dort ganz abgesehen. Dafür pendelt man gerne regelmäßig seine vierzig Kilometer oder so. Kosten? Benzin ist doch billig zur Zeit, dank der Terroristen, der Saudis und der Erdogans! Außerdem gibt es ja Fahrgemeinschaften.

      Bestimmt arbeiten genügend Weeneraner bei VW, um mehr als eine Fahrgemeinschaft zu bilden! Andererseits hat das Emder Werk viele Abteilungen, man arbeitet in Schichten, das passt es nicht immer. Jedenfalls beteiligte sich unser Mann an einer Fahrgemeinschaft, die sich in Leer traf, Abfahrt Nord, beim Emspark, da gibt es endlos viele Parkplätze. Von dort ging es direkt nach Emden. Vier Mann insgesamt, er, zwei Leeraner und einer aus Ihrhove. Kennen Sie nicht? Liegt in Westoverledingen, unweit der Ems, quasi direkt gegenüber von Weener.

      Unser Mann war fest liiert, und jeder, der ihn kannte, fragte sich, wie er an diese Frau gekommen war. Etliche Jahre jünger als er, phantastisch aussehend, hoch gebildet. Von Beruf Malerin. Nein, eine richtige, ich meine, sie stellte ihre Bilder in Galerien aus und konnte vom Verkauf ganz gut leben. Nun war unser Mann kein Bandarbeiter,